Berlin. Grenzwächter sollen laut einem Bericht Hunderte Flüchtende an der Grenze zum Jemen getötet haben. Darunter auch Frauen und Kinder.

Schwere Vorwürfe gegen saudische Grenzschützer: Hunderte äthiopische Flüchtende sind laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) Opfer von saudischen Grenzschutzbeamten geworden.

Der Bericht, der am Montag veröffentlicht wurde, enthüllt, dass die Opfer aus nächster Nähe erschossen wurden, darunter auch Kinder und Frauen. Die Grenzwächter sollen entlang der jemenitischen Grenze Flüchtende erschossen haben, während diese versuchten die Grenze zwischen Saudi-Arabien und dem nördlichen Jemen zu überqueren.

Zudem wurden Sprengwaffen gegen die Flüchtenden eingesetzt. Der HRW untersuchte den Zeitraum von März 2022 bis Juni 2023. Neue Ermittlungen deuten jedoch darauf hin, dass die Tötungen weiterhin andauern.

Hunderte Flüchtende getötet

Augenzeugen haben den Menschenrechtsaktivisten von einer entsetzlichen Szenerie berichtet: Leichenberge säumen den Weg der Migrantenroute. "Wenn die saudischen Sicherheitsbeamten eine Gruppe (Migranten) sieht, schießen sie ununterbrochen", sagte eine der Überlebenden den Menschenrechtsaktivisten.

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Die Bewertungen der Menschenrechtsorganisation deuten darauf hin, dass die saudischen Beamten im Grenzgebiet Hunderte – "möglicherweise Tausende" – von Migranten getötet haben könnten.

Flüchtende und Migranten berichteten, dass die Migrationsroute zwischen Nord-Jemen und Saudi-Arabien "von Missbrauch" und von skrupellosen Menschenhändlern kontrolliert werde. Weiter berichteten sie von wahllosen Angriffen, bei denen Leichen regelrecht auf den Hängen verstreut lagen.

Die Autoren des Berichts haben Zeugenaussagen von Überlebenden gesammelt, darunter Fotos und Satellitenbilder von den Grenzübergängen, an denen viele dieser schrecklichen Taten verübt wurden.

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Tausende Menschen wagen gefährliche Route

Trotz des anhaltenden Bürgerkriegs wagen Menschen immer noch die gefährliche Reise in den Jemen, mit dem Ziel, das benachbarte Saudi-Arabien zu erreichen. Mehr als 90 Prozent der Menschen, die die "gefährliche Ostroute" nutzen – über das Horn von Afrika, den Golf von Aden und durch den Jemen nach Saudi-Arabien – stammen nach Schätzungen aus Äthiopien.

Hunderte Menschen wählen die gefährliche Route durch Saudi-Arabien zur Flucht.
Hunderte Menschen wählen die gefährliche Route durch Saudi-Arabien zur Flucht. © IMAGO / Joerg Boethling

HRW zufolge nutzen auch Migranten aus Somalia, Eritrea und gelegentlich aus anderen ostafrikanischen Ländern diese Route. In den letzten Jahren ist der Anteil von Frauen und Mädchen, die die Ostroute wählen, angestiegen.

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Im Jemen herrscht seit Ende 2014 ein verheerender Konflikt zwischen der Regierung, den Huthi-Rebellen und ihren Verbündeten. Saudi-Arabien führt im Jemen Krieg gegen die vom Iran unterstützten Huthis, die 2014 das Land überrannt haben und weite Teile im Norden kontrollieren.

Die Vereinten Nationen sehen den Konflikt im Jemen als eine humanitäre Tragödie an, die das Land an den Rand einer Hungerkrise gebracht hat. Nach Angaben der UN arbeiten von den Huthi kontrollierte Einwanderungsbehörden mit Schleusern zusammen, die Migranten nach Saudi-Arabien schmuggeln und dafür pro Woche rund 50.000 US-Dollar (rund 46.000 Euro) einnehmen.

Saudi-Arabien weist Anschuldigungen zurück

Die schweren Vorwürfe gegen Saudi-Arabien kommen nicht zum ersten Mal auf. Bereits 2014 und 2019 berichtete HRW: "Saudische Grenzschützer würden Warnschüsse auf Migranten abgeben und gelegentlich direkt auf sie schießen, wodurch sie verletzt oder getötet werden."

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Auch UN-Experten berichteten von "systematischen Musterungen von groß angelegten, wahllosen, grenzüberschreitenden Tötungen" durch saudische Sicherheitskräfte. Trotz der Grausamkeit dieser Vorwürfe blieben sie größtenteils unbeachtet.

Die saudische Regierung weist die Anschuldigungen zurück, betont aber, die Vorwürfe ernst zu nehmen. Das Ausmaß der Tötungen und die systematische Natur der Übergriffe werden jedoch von Menschenrechtsorganisationen wie HRW und dem Mixed Migration Centre vehement betont.

Auswärtiges Amt besorgt über Bericht

Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte mit Besorgnis auf den Bericht. "Wir sind sehr besorgt über die dort aufgeführten massiven Vorwürfe", sagte eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums am Montag in Berlin.

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Das Auswärtige Amt bemühe sich im Gespräch mit den internationalen Partnern, solche Sorgen vorzubringen, sagte die Sprecherin. "Wir sind sehr besorgt über die dort aufgeführten massiven Vorwürfe“, sagte eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums am Montag in Berlin. Man verfüge aber über keine eigenen Erkenntnisse zu den in dem Bericht geäußerten Vorwürfen.

Über Details wollte sie keine Auskunft geben, ergänzte aber: "Das Auswärtige Amt spricht sehr regelmäßig mit Saudi-Arabien, auch über Menschenrechtsfragen."

Kritik an Bundesregierung im Umgang mit Saudi-Arabien

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger hat angesichts des Berichts einen Kritik an der Bundesregierung im Umgang mit Saudi-Arabien geäußert.

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Bünger kritisierte auf "X" (früher "Twitter") besonders die Entscheidung der Bundesregierung aus dem Jahr 2020, saudi-arabische Grenzpolizisten erneut durch die Bundespolizei ausbilden zu lassen. (ari)