Berlin. Die Idee, Rentnern Steuervorteile zu gewähren, wenn sie ihr Haus an Familien vermieten, stößt auf ein geteiltes Echo und große Sorgen.

Senioren in Deutschland haben am meisten Platz: Im Schnitt verfügen sie pro Person über fast 70 Quadratmeter Wohnraum. Jüngere haben deutlich weniger Wohnraum zu Verfügung – am wenigsten Platz haben die 25- bis 44-Jährigen mit 44,7 Quadratmetern. Das sind Erkenntnisse des Statistischen Bundesamts aus der jüngsten Mikrozensus-Zusatzerhebung zur Wohnsituation. Besonders in den Großstädten suchen junge Familien oft jahrelang nach etwas größeren Wohnungen und bleiben dann frustriert in ihren Zwei- bis Dreizimmerwohnungen.

Dieses Dilemma auf dem Wohnungsmarkt hat jetzt Christina-Johanne Schröder, Sprecherin für Wohnen und Stadtentwicklung der Grünen im Bundestag, aufgegriffen. Sie fordert ein Programm zum Wohnungstausch, um Senioren aus ihren großen Einfamilienhäusern in kleinere Wohnungen zu bringen.

„Manche Menschen haben mehr Wohnraum als sie brauchen und umgekehrt. Menschen, die ihr Eigenheim zu einem fairen Mietzins an eine Familie vermieten, sollten ihre eigenen Mietkosten für eine selbst genutzte, neuangemietete Wohnung steuerlich geltend machen können“, sagt Schröder.

Heißt also: Rentner sollen aus Häusern in kleinere Wohnungen ziehen, um Platz für Familien zu machen. Im Gegenzug könnten die Senioren ihre Mietzahlungen von der Steuer absetzen – und somit viel Geld sparen. Auf diese Weise könnte ein sinnvoller Anreiz zum Wohnungstausch geschaffen werden, meint die Grünen-Politikerin. Verschriftlicht sei der Vorschlag noch nicht, aber man sei mit SPD und FDP im Gespräch.

Senioren befürchten aus ihren Eigenheimen vertrieben zu werden

Der Grünen-Vorschlag löste bereits heftige Reaktionen aus – und befeuerte die Sorge, dass alte Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden sollen. Doch Schröder erhält auch viel Zuspruch. Jutta Hartmann, Sprecherin des Deutschen Mieterbunds sagte unserer Redaktion: „Es wäre durchaus sinnvoll, im Mietrecht einen Anspruch auf Wohnungstausch gesetzlich festzuschreiben.“

Die Grünen-Politikerin Christina-Johanne Schröder will das Recht auf Wohnungstausch ins Gesetz schreiben.
Die Grünen-Politikerin Christina-Johanne Schröder will das Recht auf Wohnungstausch ins Gesetz schreiben. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Jean MW/Geisler-Fotopress

Die Senioren-Union der CDU beklagt seit langem den Mangel an barrierefreien und altersgerechten Wohnungen. Eine Studie des Pestel-Instituts zeigt, dass 2,8 Millionen Seniorenhaushalte eine entsprechende Wohnung benötigen, aber nur 600.000 zur Verfügung stehen. „Die Senioren-Union wendet sich aber gegen jede – auch ideologische – Art von Bevormundung oder Zwang, Seniorinnen und Senioren zu einem unfreiwilligen Umzug zu bewegen“, sagte der Vize-Bundesvorsitzender Claus Bernhold.

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Der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Daniel Föst, sagte unserer Redaktion, dass langfristig nur mehr Neubau helfe. „Kurzfristig kann ein Wohnungstausch allerdings durchaus ein Weg sein, den Bestand möglichst effizient zu verteilen.“

Ein pauschaler Steuerabzug für Rentner schieße aber über das Ziel hinaus, sagte Föst. Zum einen profitierten nur Rentner, die überhaupt Steuern zahlen, zum anderen liefe es für diese Rentner und Rentnerinnen auf eine Steuerfreiheit hinaus.

Projekte zum Wohnungstausch haben landesweit kaum Erfolge

Eine Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen in Bonn (Bagso) gab auf Nachfrage zu bedenken, dass die Entscheidung, wo und wie man im Alter wohnen möchte, sehr individuell und emotional sei. „Zudem fehlt es an verfügbaren Wohnungen, wenn man in seinem bisherigen Wohnumfeld bleiben möchte. Das macht die Sache in der Realität oft schwierig“, so die Sprecherin.

Bundesweit gibt es bereits jetzt Projekte, die zum Wohnungstausch anregen sollen. Die Erfahrungen damit ähneln sich, egal ob es um Wohnraum in der 3,5-Millionen-Einwohnerstadt Berlin oder im schwäbischen Gerlingen mit 18.000 Einwohner geht. In Gerlingen kam es zu keinen erfolgreichen Abschlüssen, sagte uns eine Gemeindesprecherin. Das Projekt wurde deshalb eingestellt.

Senioren sollen ihre Wohnungsmiete von der Steuer absetzen können, wenn sie ihr Haus an eine Familie vermieten.
Senioren sollen ihre Wohnungsmiete von der Steuer absetzen können, wenn sie ihr Haus an eine Familie vermieten. © iStockphoto | Westersoe/iStockphoto

Auch in Darmstadt mit etwa 160.000 Einwohnern, existiert schon seit dem Frühjahr 2021 ein solches Tauschprogramm. Auf Nachfrage heißt es vom Bauverein AG Darmstadt, man habe im Jahr 2022 insgesamt 25 Interessenten gehabt, aber nur dreimal konnte man Vollzug melden, drei weitere Anfragen sind noch in Bearbeitung. Der Erfolg sei „marginal“, sagte ein Sprecher.

In Deutschland fehlen über 700.000 Wohnungen – auch für Ältere

In der Hauptstadt Berlin lassen sich ebenfalls nur wenige zum Umzug bewegen. „Die Fallzahlen dümpeln bei etwa 200 pro Jahr – bei 300.000 Wohnungen“, sagte David Eberhart vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. „Auf eine Wohnung, die sich verkleinern möchte, kommen fünf, die sich vergrößern wollen.“

Über das Tauschportal der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind seit seinem Start im September 2018 mit Stand Ende Juni diesen Jahres 1060 Wohnungen getauscht worden. Für den Verbandssprecher ist der Wohnungstausch deshalb nur ein „wohnungspolitisches Mosaiksteinchen“.

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Auf der deutschen Internetseite „tauschwohnung.com“ fanden sich den vergangenen zwei Jahren laut Geschäftsführer John Weinert rund 5000 Haushalte zum Tausch zusammen. Im Schnitt drei Tauschpaare pro Tag, das klingt nach nicht allzu viel und deckt sich mit den Erfahrungen den Kommunen.

Allerdings sind in der Praxis auch einige Hürden zu überwinden, damit ein Wohnungstausch gelingt, erklärt Weinert: „Zunächst müssen alle Beteiligten die für sich passende Wohnung finden, in der richtigen Größe und am richtigen Ort. Wer bisher einen Balkon oder Garten hatte, will ungern darauf verzichten, wer auf einen barrierefreien Zugang angewiesen ist, kann nicht in den dritten Stock ohne Fahrstuhl ziehen.“

Das Pestel-Institut hatte zu Beginn des Jahres das größte Wohnungsdefizit seit mehr als 20 Jahren festgestellt. Im ganzen Land fehlen über 700.000 Wohnungen.

Damit die Tausch-Idee Abhilfe schaffen kann, muss die Ampel-Koalition erst einmal einen Gesetzentwurf vorlegen. Das kann laut Grünen-Politikerin Schröder noch bis in die zweite Hälfte der Legislaturperiode dauern.