Berlin. Kinder dürfen eigentlich nicht in den Plenarsaal des Bundestags. Jetzt kam es zu einer Sondersituation. Wie eine Abgeordnete reagierte.

Elterngelddebatte, Haushalt, Heizungsgesetz – die zurückliegenden Wochen im Bundestag waren fordernd. Den Freitagabend sehnten Mitarbeiter wie Abgeordnete deshalb herbei, denn es sollte der Startschuss für die sitzungsfreie Zeit werden. Für ein paar Wochen verabschiedet sich der große Politikbetrieb in die Sommerpause, um zur nächsten Sitzung am 5. September wieder in Berlin zusammenzukommen. Doch die Parlamentarier hatten die Rechnung ohne die AfD gemacht, die um 16.15 Uhr einen sogenannten Hammelsprung einberief, um die Beschlussfähigkeit des Parlaments feststellen zu lassen.

Das sorgte noch einmal für Gerenne auf den Fluren im Reichstag, unter anderem die Finanzexpertin Katharina Beck (Grüne) eilte zurück in den Plenarsaal. Weil die Kita schon Feierabend hatte, kam ihr Kind mit. Die junge Mutter veröffentlichte einen Schnappschuss davon auf Twitter, wie ihre Tochter über die Fliesen vor dem Eingang zum Plenarsaal rennt und schrieb dazu: „Zu einem Hammelsprung am späteren Freitagnachmittag gehört für manche auch, die Pläne mit den Kleinen anzupassen.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Grünen-Abgeordnete kassiert Shitstorm in den Sozialen Medien

Doch wie so oft in den Sozialen Medien holte der Tweet die Grüne ein, zahlreiche kritische und böse Kommentare folgten: „Die Alleinerziehende, die heute bis 21 bei Lidl an der Kasse sitzt hat geweint als sie das gelesen hat“, schrieb einer, andere forderten Beck auf, sie solle aufhören „rumzuheulen und ihren Job machen“. Dabei sei ihre Absicht eine andere gewesen, sagte die Grünen-Abgeordnete aus Hamburg unserer Redaktion: „Wir sind beide berufstätig, so wie es heutzutage bei vielen Familien Realität ist.“ In Großstädten und anderen Wohngegenden reiche das Einverdiener-Modell eben nicht mehr aus. „Das bedeutet, dass die Eltern im Job häufig spontan umdisponieren müssen, so wie es bei mir am Freitag der Fall war. Ich versuche aufzuzeigen, was dieser Anspruch an zwei Vollzeitarbeitnehmende mit Kind bedeutet“, sagte die Hamburgerin.

Passt dazu:Bestandsschutz beim Elterngeld? Entwarnung für Familien

Viele Angebote für Eltern mit Kindern fänden am Nachmittag statt, wenn die Parlamentarier an Gremien- und Ausschusssitzungen teilnehmen. Sie sei deshalb froh gewesen, als die Zusage für einen Platz für die Eltern-Kind-Stunde in der Musikschule am Freitagnachmittag kam. Die Bundestagssitzungswoche endet üblicherweise gegen 15 Uhr. „Ich versuche es möglich zu machen, mit meiner Tochter diese Stunde zu besuchen“, sagte Beck. Elternzeit gibt es für Parlamentarier nicht. Klar könne man sagen, jeder der gewählten Abgeordneten sollte bis zum Ende der Sitzung im Bundestag bleiben, aber es ist nicht unüblich, dass die Auswärtigen sich irgendwann auf den Rückweg in den Wahlkreis machen.

Zwei Kleinkinder im Bundestag – der Hammelsprung macht es ausnahmsweise möglich

„In diesem Fall, als es um das Energieeffizienzgesetz ging, hätten wir unsere Mehrheit wohl besser sichern müssen“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen. Am Vormittag war es schon einmal zu einer Verzögerung der Sitzung gekommen, weil die CDU/CSU-Fraktion einen Hammelsprung beantragt hatte.

Am Freitagvormittag kam es zu einer Auseinandersetzung im Plenarsaal des Bundestag. Der Abgeordnete Michael Schrodi (SPD, hellblaues Polohemd) lief brüllend auf die Unionsfraktion zu und kassiert dafür ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000 Euro.
Am Freitagvormittag kam es zu einer Auseinandersetzung im Plenarsaal des Bundestag. Der Abgeordnete Michael Schrodi (SPD, hellblaues Polohemd) lief brüllend auf die Unionsfraktion zu und kassiert dafür ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000 Euro. © dpa | Michael Kappeler

Lesen Sie auch:Hofreiter fordert Tempolimit: „Sorgt für mehr Sicherheit“

Die Kita des Bundestags war schon geschlossen, als Beck wieder zur Abstimmung in den Saal musste. „Wir waren auf dem Weg zur Musikstunde. Ich bin dann umgedreht und habe zu meiner Tochter gesagt: Es tut mir leid, wir fahren nochmal kurz zurück zu Mamas Arbeit.“ Doch es kam zu einem weiteren Problem: Babys, die noch gestillt werden, dürfen ausnahmsweise mit in den Plenarsaal, danach ist Schluss. „Die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung waren sofort hilfsbereit und boten an, auf meine Tochter kurz aufzupassen.“ Eine Kollegin der Abgeordneten war in derselben Situation. Letztendlich durften beide ihre Kinder kurz mit hinein nehmen, schließlich bleibt der Saal nach einem Hammelsprung bis zu zehn Minuten abgeriegelt.

Bundestagssitzung wird abgebrochen

Letztendlich wurde die junge Mutter für die verpasste Musikstunde nicht belohnt: Denn mit nur 241 der notwendigen 369 Abgeordneten war der Bundestag nicht mehr beschlussfähig, die Sitzung wurde aufgehoben. Für die Ampel-Koalition ein letzter kleiner Rückschlag nach der verhagelten Heizungsgesetz-Debatte. Ihren Tweet bereut Katharina Beck trotz der teils negativen Rückmeldungen nicht: „Ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, ihn zu löschen – warum auch.“ Sie bekam Zuspruch von Kollegen aus dem gesamten demokratischen Spektrum. Ihren Job als Politikerin sieht sie trotz terminlicher Verpflichtungen als Geschenk: „Weil die Arbeit sich für mich sehr sinnstiftend anfühlt und ich freier in vielen Entscheidungen bin“, sagt die Hamburger Bundestagsabgeordnete.

Auch interessant:Heizung ab 2024: Ampel einig – Verbote für diese Systeme?