Berlin. Der Krach ums Heizungsgesetz verdeutlicht den desaströsen Zustand der Koalition. Die Partner brauchen nun dringend gemeinsame Erfolge.

Der Kanzler hat am Mittwoch Geburtstag gefeiert. 65 Jahre alt ist Olaf Scholz geworden, er ist jetzt also fast im Rentenalter. Das Bundeskabinett sang dem SPD-Regierungschef ein Ständchen. Finanzminister Christian Lindner von der FDP überreichte Blumen und einen Spargelschäler als Geschenk.

Die Momente, in denen es menschelt, werden in der Politik oft zelebriert. Die amtierende Ampel-Koalition ist darin ganz groß. Wer mit Ministern spricht, der bekommt immer wieder zu hören, dass die Stimmung in dem Bündnis aus SPD, Grünen und FDP gut sei und man trotz Differenzen in Sachfragen vertrauensvoll zusammenarbeite. Gern wird dann auch darauf verwiesen, dass die drei Partner jeweils eigene Traditionen hätten und unterschiedliche Milieus repräsentierten. So gesehen seien Meinungsverschiedenheiten normal.

Koalition: Die Partner zerlegen sich auf offener Bühne

Die jüngsten Auseinandersetzungen um das Heizungsgesetz sprechen eine andere Sprache. Monatelang zerlegte sich die Koalition auf offener Bühne. Jetzt kommt endlich ein grundlegend überarbeiteter Gesetzentwurf in den Bundestag, der zuständige Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen wirkt ziemlich gerupft. Angesichts des ganzen Ärgers rund um dieses Gesetz hat man schon fast vergessen, dass es in der Koalition erst kürzlich einen Riesenkrach um den Verbrennungsmotor und den Autobahnbau gab. Wie der Bundeshaushalt 2024 aussehen könnte, ist vollkommen unklar: Die Ampel hat es bislang nicht einmal vermocht, Eckwerte zu beschließen.

Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent.
Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Vier Jahre dauert in Deutschland eine Legislaturperiode. Der Amtsantritt dieser Regierung liegt etwas mehr als eineinhalb Jahre zurück. Das Bild, das die Koalition abgibt, ist erschreckend. Da ist offenkundig kein Team am Werk, sondern ein Ensemble von Individualisten. Ständig fliegen die Fetzen. Der Kanzler tritt nur dosiert in Erscheinung. Der alte Grundsatz, dass man in einer Koalition dem Partner auch Erfolge gönnen muss, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Bei all dem wundert es nicht, dass vier Fünftel der Deutschen mit der Arbeit der Regierung unzufrieden sind und die Parteien in den Umfragen nach unten durchgereicht werden.

Die Koalition war einst angetreten, um das Land grundlegend zu reformieren. Als „Fortschrittskoalition“ bezeichnete sie sich selbst. Es folgte eine Phase, in der das Krisenmanagement im Vordergrund stand. Und dann kam die lange Phase des Streits, die bis heute anhält. Wenn das so weiter geht, wird der Rest der Wahlperiode eine einzige Qual. Für die drei Partner, aber auch für das Publikum. Es kann nicht sein, dass das Regierungsbündnis bei jedem Großthema zuverlässig in den Konfliktmodus schaltet und immer wieder neue Runden drehen muss, bis es endlich eine gemeinsame Linie gibt.

Ampel: Eine Wiederwahl erscheint unwahrscheinlich

Wenn die drei Parteien Vertrauen bei den Wählern zurückgewinnen wollen, dann müssen sie nicht nur an Sachfragen, sondern auch an ihrem gemeinsamen Erscheinungsbild arbeiten. Die Ampel benötigt dringend gemeinsame Projekte und Erfolge. Die Fachkräfteeinwanderung könnte so ein Projekt sein. Das Gleiche gilt für die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Auch bei der Kindergrundsicherung könnten die Partner zeigen, dass sie in der Lage sind, die Dinge zum Besseren zu wenden.

Kriegen die Koalitionäre nicht bald die Kurve, so dürften sich ihre Hoffnungen auf eine Wiederwahl im Jahr 2025 zerschlagen. Das Konzept „Ampel“ wäre dann auf absehbare Zeit ebenso verbrannt wie das der Großen Koalition oder das eines schwarz-gelben Bündnisses nach den enttäuschenden Erfahrungen der Jahre 2009 bis 2013. Von Kanzler Scholz weiß man, dass er gern weitermachen würde über seine jetzige Amtszeit hinaus. Nach Lage der Dinge erscheint dieses Ansinnen ausgesprochen kühn.