Berlin. Der drittgrößte EU-Staat wird von einer Postfaschistin regiert. Bei seiner Visite in Rom wird der Kanzler dies ausblenden. Richtig so!

Reisen in andere EU-Staaten gehören normalerweise zu den angenehmeren Pflichten eines deutschen Regierungschefs. In Europa ist zwar längst nicht immer eitel Sonnenschein. Aber die Mitglieder der Europäischen Union sind doch freundschaftlich miteinander verbunden. Man kennt sich, man vertraut sich.

Und wenn es bilaterale Schwierigkeiten gibt, so ist immer auch klar, dass sie gelöst werden müssen: Andernfalls droht die gesamte Gemeinschaft in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Donnerstag in Rom von der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni empfangen wird, kann von einem Wohlfühl-Termin allerdings nicht die Rede sein.

Italien: Ignorieren ist keine Option

Der Sozialdemokrat Scholz trifft auf eine Kollegin, die zugleich der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia vorsteht und zumindest in der Vergangenheit den italienischen Diktator Benito Mussolini bewunderte. Unter anderen Umständen würde sich ein deutscher Regierungschef von solchen Leuten auch physisch maximal fernhalten.

Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent in der FUNKE Zentralredaktion
Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent in der FUNKE Zentralredaktion © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Doch mit der reinen Lehre kommt man hier nicht weiter. Italien ist neben Deutschland und Frankreich eines der Schwergewichte der EU und der Eurozone. Ignorieren ist keine Option. Meloni steht gemeinsam mit den westlichen Partnern fest an der Seite der Ukraine.

Auch in Sachen Migration kann es ohne Italien keine Fortschritte geben. So wie bei vorherigen Gelegenheiten dürfte der Kanzler jetzt auch in Rom wieder pragmatisch vorgehen und die gemeinsamen Interessen beider Seiten betonen. Das ist zumindest das, was man in dieser Situation von ihm erwarten kann. Hinzu kommt: Italienische Regierungen sind in der Regel kurzlebig. Es wird auch wieder eine Zeit nach Meloni geben.