Berlin. Deutschland liefert vorerst keine Panzer nach Kiew. Das ist eine internationale Blamage für die Bundesrepublik, findet Christian Kerl.

Es ist eine unerwartet schlechte Nachricht für die Ukraine – und eine internationale Blamage für Deutschland. Der Westen verstärkt zwar seine Waffenhilfe für die Ukraine – ausgerechnet für die dringend benötigten Kampfpanzer aber gibt es wieder keine Zusagen. Verantwortlich für diesen Rückschlag ist in erster Linie die Bundesregierung. Kanzler Olaf Scholz spielt weiter auf Zeit und riskiert damit nun sogar einen offenen Riss im westlichen Bündnis.

Scholz' zögern in Ramstein: Enttäuschend und unverfroren

Dass Deutschland der Ukraine vorerst keine Leopard-Panzer aus eigenen Beständen zusagt, ist enttäuschend. Dass Scholz in Ramstein ankündigen lässt, eine Prüfung von entbehrlichen Leopard-Reserven daheim werde jetzt überhaupt erst beginnen, ist unverfroren – als wäre dafür nicht Zeit genug gewesen.

Der Gipfel aber ist, dass die Bundesregierung sogar Bündnispartnern bis auf weiteres die Genehmigung versagt, ihre in Deutschland entwickelten Leopard-Panzer in die Ukraine auszuführen: Das ist ein unfreundlicher Akt, der einen dramatischen Vertrauensverlust unter Alliierten provoziert.

Das fortgesetzte Zögern ist ein strategischer Fehler, der durch eine schlechte öffentliche Kommunikation noch verschlimmert wird. Deutschland hatte gute Gründe, keine Alleingänge bei der Steigerung der Waffenhilfe zu unternehmen. Aber jetzt steht es unter wichtigen Nato-Partnern tatsächlich allein da – als Zauderer und Bremser. Statt Führung zu zeigen flüchtet sich Berlin in Formalien. Lesen Sie auch: Deswegen will die Ukraine unbedingt Leopard-Panzer

Deutsches Zögern bei Waffenlieferungen: Erst Besonnenheit, dann Blamage

Anfangs durfte man die Bremsmanöver noch als Zeichen der Besonnenheit verstehen, weil nicht auszuschließen war, dass Russland die neue Waffenhilfe als gefährliche Eskalation, gar als westlichen Kriegseintritt werten könnte. Aber das hat der Kreml selbst entkräftet: Kriegsherr Putin lässt seine Propagandisten spöttische Kommentare abgeben über angebliche Probleme mit den westlichen Waffen, die den russischen Vormarsch gewiss nicht werden stoppen könnten. Mehr zum Thema: Deutschland liefert der Ukraine Marder – Was kann der Schützenpanzer?

Da dürfte sich Putin zwar irren. Allerdings sollte die Moskauer Reaktion durchaus Anlass sein, die westliche Rhetorik zu überprüfen. In den vergangenen Wochen einer erhitzten Debatte sind auch überzogene Erwartungen geweckt worden: Moderne Kampfpanzer wie der deutsche Leopard sind keine Wunderwaffen, mit der sich die Ukraine den Weg zum Sieg freischießen könnte.

Russland hat in den bevorstehenden Schlachten ein bedeutendes Übergewicht bei der Zahl der Truppen, Waffen und Kriegstechnik. Und es verfügt als atomare Großmacht immer noch über Eskalationsoptionen. Der Westen wird die Kampfpanzer so schnell auch gar nicht in hoher Stückzahl liefern können. Dass mit diesen Waffen die Wende im Ukraine-Krieg gelingen könnte und Russland aus den besetzten Gebieten, am Ende sogar von der Krim vertrieben wird, ist gefährliches Wunschdenken. Auch interessant: Puma-Panzer wegen schweren Pannen nicht einsatzbereit

Panzer für die Ukraine: Das Land hat keine Zeit zu warten

Nicht zum Sieg, sondern zum Abwenden einer Niederlage braucht die Ukraine die Leopard-Panzer. Im Zusammenspiel mit anderen schweren Waffen hätte die ukrainische Armee gute Chancen, sich der bevorstehenden russischen Großoffensive im Donbas zu erwehren, Lücken in die gegnerischen Linien zu reißen, Nachschubwege stören und zumindest einige Gebiete zurückzuerobern.

podcast-image

Wenn es im Sommer auf ein militärisches Patt hinauslaufen sollte, bei dem beide Seiten über ein Ende des Krieges nachdenken, wäre viel erreicht. Aber genau dafür benötigt die Ukraine zusätzliche westliche Hilfe. Jetzt, nicht in fünf, sechs Monaten. Deshalb ist es so unverständlich, dass Scholz weiter auf Zeit spielt. Die Ukraine hat keine Zeit mehr.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt