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Olaf Scholz: So funktioniert die Wahl zum Bundeskanzler

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Bundestagswahl: So funktioniert unser Wahlsystem

Bundestagswahl: So funktioniert unser Wahlsystem

Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl. Doch wie funktioniert unser Wahlsystem überhaupt? Was hat es mit Überhangmandaten oder der Fünf-Prozent-Hürde auf sich? AFPTV gibt Orientierungshilfe.

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Berlin.  Heute tritt Angela Merkel endgültig ab – und Olaf Scholz wird wohl zum nächsten Bundeskanzler gewählt. So funktioniert die Wahl im Bundestag.

  • Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt
  • An der darauffolgenden Wahl des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin sind die Bürgerinnen und Bürger aber nur indirekt beteiligt
  • Wir erklären, wie die Wahl funktioniert, wenn kommende Woche Angela Merkel ausscheidet und Olaf Scholz ihr Amt übernimmt

16 Jahre lang war Angela Merkel Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. In der kommenden Woche, am 8. Dezember, soll diese Ära mit der Wahl von Olaf Scholz zu ihrem Nachfolger enden. Scholz hatte bei der Bundestagswahl mit seiner SPD den Wahlsieg geholt – und bildet nun mit den Grünen und der FDP die sogenannte Ampel-Koalition.

Mit der Wahl zum Bundeskanzler steht Scholz nun der wohl wichtigste Tag in seiner bisherigen politischen Karriere bevor. Doch wer genau wählt den Bundeskanzler eigentlich? Und was genau sind seine Aufgaben? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wer kann Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin werden?

Jeder der volljährig ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, kann Kanzler oder Kanzlerin werden. Ein Mandat als Bundestagsabgeordneter ist nicht nötig. So war Kurt Georg Kiesinger (CDU) als bisher einziger Bundeskanzler bei seiner Wahl nicht Mitglied des Deutschen Bundestages.

Auch eine Mitgliedschaft in einer politischen Partei ist keine zwingende Voraussetzung, um Bundeskanzler zu werden. Da die Parteien jedoch Kandidaten oder Kandidatinnen aufstellen, ist eine Wahl ohne den Rückhalt in den Fraktionen quasi ausgeschlossen.

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Was sind die Aufgaben des Bundeskanzlers?

Die Kanzlerin oder der Kanzler ist zu Beginn seiner oder ihrer Amtszeit für die Regierungsfindung, also die Bildung einer Regierung, verantwortlich. Dafür schlägt der Kanzler dem Bundespräsidenten Kandidaten und Kandidatinnen für die Posten der Ministerämter vor. Der Bundespräsident ernennt dann diese Minister und Ministerinnen. Diese bilden dann das Bundeskabinett. Dessen Leitung und Vorsitz ist ebenfalls eine Aufgabe der Kanzlerin oder des Kanzlers.

Ist eine Regierung gebildet, ist es die Aufgabe der Kanzlerin oder des Kanzlers nach Artikel 65 des Grundgesetzes einen Leitfaden für deren Politik vorzugeben und die Bundesregierung zu führen. Innerhalb der Vorgaben leiten die Minister aber selbstständig und eigenverantwortlich ihre Ministerien. Das nennt sich Ressortprinzip. Gegenüber dem Bundestag ist es Aufgabe der Kanzlerin oder des Kanzlers, die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Das heißt, die Entscheidungen der Regierung zu Kommunizieren und zu Vertreten.

Der Kanzler oder die Kanzlerin muss nach Artikel 115b des Grundgesetzes auch die Befehlsgewalt über die Streitkräfte übernehmen, sollte Deutschland mit Waffengewalt angegriffen werden. Allgemein wird hier vom Verteidigungsfall gesprochen.

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Wer wählt den Bundeskanzler?

Der Kanzler oder die Kanzlerin in Deutschland wird nicht direkt vom Volk, sondern nach Artikel 63 des Grundgesetzes vom Bundestag gewählt. Da die Wählerinnen und Wähler über dessen Zusammensetzung entscheiden, sind sie indirekt an der Wahl beteiligt.

Deren Ablauf ist genau festgelegt: Zunächst schlägt der Bundespräsident nach Gesprächen mit den Fraktionsspitzen eine Kandidatin oder einen Kandidaten vor. Die Abgeordneten müssen ihn dann in einer geheimem Wahl mit absoluter Mehrheit bestimmen. Das heißt, dass mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin entfallen müssen.

Passiert das nicht, muss der Bundestag innerhalb von 14 Tagen erneut abstimmen. Dann reicht auch eine relative Mehrheit aus. Damit ist gewählt, wer mehr Stimmen als die einzelnen konkurrierenden Kandidaten erhält. Bisher ist das aber in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie passiert. Nach der Wahl des Bundestages erfolgt die Ernennung zur Bundeskanzlerin oder zum -kanzler durch den Bundespräsidenten. Abschließend vereidigt der Bundestagspräsident den Kanzler oder die Kanzlerin.

Wann wird der nächste Bundeskanzler gewählt?

Nach der Bundestagswahl im September haben sich SPD, Grüne und FDP auf die Bildung einer Regierung geeinigt. Ihr soll Olaf Scholz als Bundeskanzler vorstehen – seine Wahl ist für den 8. Dezember geplant.

Liste: Welche deutschen Bundeskanzler gab es bisher?

In ihrer Geschichte hatte die Bundesrepublik Deutschland sieben Bundeskanzler und eine Bundeskanzlerin. Diese sind in chronologischer Reihenfolge:

Hinzu kommt Walter Scheel als Sonderfall, der auch als der Zehn-Tage-Kanzler bekannt ist. Denn Scheel agierte nach dem Rücktritt von SPD-Kanzler Willy Brandt nur vom 7. bis zum 16. Mai 1974 als geschäftsführender Bundeskanzler.

Wie lange ist die Amtszeit der Kanzlerin oder des Kanzlers?

Die Amtszeit eines Bundeskanzlers oder einer Bundeskanzlerin beträgt vier Jahre, sofern er oder sie vorher nicht durch ein Misstrauensvotum im Bundestag abgewählt wird.

Wie oft kann man Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin werden?

Die Wiederwahl als Bundeskanzler ist nicht begrenzt. Am längsten war daher Helmut Kohl mit genau 5870 Tagen (rund 16 Jahre) in vier Amtszeiten Bundeskanzler. Auf Platz zwei folgt Angela Merkel. Sie wird voraussichtlich eine Amtszeit von 5860 Tage erreichen. Um Kohl zu überholen, müsste sie bis zum 19. Dezember Kanzlerin bleiben. Da die Wahl von Olaf Scholz für den 8. Dezember geplant ist, wird das wahrscheinlich nicht passieren. Zuletzt gab es vermehrt Diskussionen darüber, die Amtszeit der Kanzlerschaft auf zwei Wahlperioden zu begrenzen.

Wie viel verdient der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin?

Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin verdient laut Paragraf 11 des Bundesministergesetzes eineindrittel des Grundgehalts der Besoldungsgruppe 11 b.

  • Das sind seit 1. April 2021 19.695 Euro pro Monat.
  • Dazu kommen monatlich noch ein Ortszuschlag von 1.118 Euro und eine Dienstaufwandsentschädigung von 1.022 Euro.
  • Weil Merkel aber auch noch Bundestagsabgeordnete war, standen ihr zudem die Hälfte dieser Diät und die zugehörige Kostenpauschale zu. Das machte zusätzlich noch einmal 8.415 Euro.

Insgesamt kam Bundeskanzlerin Merkel damit aktuell auf ein Monatsgehalt von 30.250 Euro. Die Bezüge von Olaf Scholz werden ähnlich hoch ausfallen.

Bezieht der Kanzler oder die Kanzlerin eine Amtswohnung, entfällt der Ortszuschlag. Außerdem wird die Miete in Rechnung gestellt. Einen anderen Beruf darf die Kanzlerin oder der Kanzler nicht nebenbei ausüben. Um einen Sitz in einem Aufsichtsrat einzunehmen, braucht es die Zustimmung des Bundestags. (jas)

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