Der Autobauer unterlag in Zusammenhang mit dem Abgas-Betrug vor einem Berufungsgericht. Nun kündigt VW den Weg durch alle Instanzen an.

Eigentlich war Volkswagen mit der juristischen Aufarbeitung des Abgas-Betrugs in den USA im Wesentlichen durch – dem Land, in dem der Skandal aufgedeckt und im September 2015 öffentlich wurde. Nun aber könnte ein neues Urteil eine weitere Kostenlawine für die Wolfsburger nach sich ziehen. Um die abzuwenden, ist VW nach eigenen Angaben bereit, bis vor den Obersten Gerichtshof in den USA ziehen.

Darum geht es

Im Kern geht es um die Frage, ob US-Kommunen eigene Umweltstandards festlegen und bei Verstößen Bußgelder erheben können. Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, entschied ein US-Berufungsgericht in Anchorage, Alaska, am Montag, dass trotz bereits geschlossener Vergleiche zusätzliche Strafen zweier Bezirke der Bundesstaaten Florida und Utah zulässig seien. Regionale Behörden dürften sehr wohl weitere Sanktionen gegen den Autobauer verhängen, obwohl VW bereits für Verstöße gegen das landesweite US-Luftreinhaltegesetz „Clean Air Act“ belangt wurde.

Durch dieses Urteil steht die Tür für erneute hohe Strafzahlungen offen. Nach Einschätzung von US-Richter Charles Breyer könnten sich die Belastungen für das Unternehmen auf Basis der regionalen Bußgeldkataloge in den beiden Bezirken potenziell auf bis zu 11,2 Milliarden Dollar – rund 10 Milliarden Euro – pro Jahr belaufen. Breyer hatte in diesem Fall 2018 in erster Instanz zugunsten von VW entschieden und 2016 einen 14-Milliarden-Euro-Vergleich verhandelt.

Die Klagen richten sich nicht nur direkt gegen VW, sondern auch gegen die Konzerntöchter Audi und Porsche sowie gegen den Zulieferer Bosch.

So reagiert VW

Aus Wolfsburg hieß es am Dienstag: „Volkswagen widerspricht der Entscheidung des Gerichts.“ Das stehe mit seiner Rechtsauffassung bisher alleine da. „Die Entscheidung des Gerichts steht im Widerspruch zu einer Vielzahl von Entscheidungen anderer Gerichte, einschließlich des Obersten Gerichtshofs von Alabama, der Berufungsgerichte der Bundesstaaten Minnesota und Tennessee sowie der staatlichen Prozessgerichte in Illinois und Missouri“, heißt es in der Stellungnahme des Unternehmens. Diese anderen Gerichte hätten erkannt, welches Chaos entstehen würde, wenn Tausende von Kommunen eigene Standards erließen.

Zudem habe VW Vergleiche in den USA geschlossen, um US-Bundesstaaten und Verbraucher zu entschädigen. „Wir werden das Berufungsgericht und, falls erforderlich, den Obersten Gerichtshof um eine weitere Überprüfung ersuchen. Volkswagen beabsichtigt, seine Position weiter energisch zu verteidigen“, betonten die Wolfsburger.

Die bisherigen Kosten

VW hat für die Bewältigung des Abgas-Betrugs bisher rund 31 Milliarden Euro gezahlt. Der Löwenanteil entfällt mit 15,3 Milliarden Dollar – knapp 14 Milliarden Euro – auf den oben erwähnten Vergleich, den VW 2016 in den USA schloss. Er gilt als teuerster Vergleich in der Geschichte der Autoindustrie.

Die Kunden erhielten daraus eine Entschädigung, rund 4,7 Milliarden Euro sollten zudem in Umweltprojekte fließen. Diese Einigung löste seinerzeit unter VW-Kunden in Deutschland große Empörung aus, weil VW ihnen keinen Schadenersatz zahlen wollte.

Dieses Blatt hat sich gedreht: Am Montag vergangener Woche bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz, das einem Kunden Schadenersatz zusprach. Der BGH-Richterspruch gilt als richtungsweisend für zehntausende Einzelklagen, die an deutschen Gerichten noch gegen VW anhängig sind.

Auch in den USA liegen gegen mehrere mutmaßlich Verantwortliche – darunter Ex-Konzernchef Martin Winterkorn – noch Strafanzeigen und Haftbefehle der Justizbehörden vor. Zwei frühere VW-Mitarbeiter wurden bereits zu Haft- und Geldstrafen verurteilt.