Salzgitter. Der Landhandel Fromme in Salzgitter wurde als systemrelevant eingestuft. Das Unternehmen sorgt unter anderem für Getreidenachschub in den Mühlen.

Keine Kurzarbeit, sondern Überstunden – ein Unternehmen, das trotz Corona-Krise alle Hände voll zu tun hat, ist der Landhandel Wilhelm Fromme in Salzgitter. Und das nicht nur, weil saisonbedingt das Geschäft mit Dünger und Pflanzenschutz gut anlaufe. Das berichtet Geschäftsführer Kurt Fromme im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Wir erleben in Deutschland derzeit ein starkes Getreidegeschäft mit Mühlen“, sagt Fromme. Die durch die Corona-Krise bedingten Hamsterkäufe der Verbraucher in den vergangenen Wochen hätten die Getreidelager der Mühlen geleert und führten nun zu einer verstärkten Nachfrage der Mühlenbetriebe unter anderem nach Weizen.

Außerdem sei die Getreidenachfrage aus dem arabischen Raum und aus Afrika stark gestiegen. Auch dort gebe es die Tendenz zu Hamsterkäufen. Hinzu komme, dass Russland unter anderem wegen der Corona-Krise weniger Weizen exportiere. „Wegen des vergleichsweise hohen Dollarkurses sind wir wettbewerbsfähiger geworden“, nennt Fromme eine weitere Ursache für die erhöhte Nachfrage.

Auch wenn die Geschäfte aktuell gut liefen, führe dies aber nicht zwingend zu besseren Ergebnissen, sagt er. „Nach unserer Einschätzung handelt es sich um eine Verlagerung der Geschäfts. Viele Aufträge, die ohnehin zu erwarten waren, werden derzeit wegen der Corona-Auswirkungen vorgezogen.“ So oder so: Die aktuelle Belebung ist Fromme hochwillkommen. „Wir waren im Geschäftsjahr 2018/2019 wegen der schlechten Ernte sehr gebeutelt, die Nachfrage nach Dünger und Pflanzenschutz ist in dieser Zeit stark zurückgegangen.“

Dass Frommes Betrieb, der an zwölf Standorten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt 58 Menschen beschäftigt und im vergangenen Jahr 85 Millionen Euro Umsatz erzielte, überhaupt arbeiten kann, sei zu Beginn der Corona-Krise unklar gewesen – denn viele andere Handelsunternehmen mussten den Betrieb einstellen. „Egal ob Gewerbeaufsicht, Industrie- und Handelskammer, niedersächsisches Landwirtschaftsministerium oder Landwirtschaftskammer: Nirgendwo habe ich eine verlässliche Auskunft erhalten, ob wir als systemrelevanter Betrieb eingestuft werden“, berichtet er. Das sei nicht nur ärgerlich gewesen, sondern habe viel Zeit gekostet. Das Bundeslandwirtschaftsministerium habe ihm die Systemrelevanz schließlich bestätigt.

Die Stadt Salzgitter habe ihn mit Tipps zu Verhaltensregeln für seine Mitarbeiter versorgt. „Das lief alles sehr professionell.“ Für die Belegschaft gälten strenge Vorgaben: Abstand, Schutzfenster am Empfang, Zutrittsverbote für Fahrer und Risikogruppen, Homeoffice für den Vertrieb. Die Unsicherheit unter den Mitarbeitern sei trotz guter Beschäftigungslage groß, beschreibt Fromme die Stimmung. „Es fehlt die Hoffnung, dass die Krise bald vorbei ist, es fehlen soziale Kontakte, es gibt die bange Frage, ob vielleicht doch noch kurzgearbeitet werden muss.“

Auch Fromme ist nicht frei von Sorgen. So könne es zum Beispiel zu erheblichen Problemen kommen, sollte ein Teil der Belegschaft in der Erntezeit im Sommer wegen einer Corona-Infektion ausfallen. Ein zweiter Punkt: Transportmittel würden immer knapper. Das liege unter anderem daran, dass der Lebensmittelhandel wegen der großen Nachfrage höhere Tagessätze für Speditionen biete als der Landhandel. „Jeden Tag kommen neue Fragen, die wir schnell beantworten müssen, damit der Betrieb weiterläuft“, berichtet Fromme.

Auch wenn die Corona-Krise bei weitem noch nicht bewältigt ist, bleiben für den Landhändler schon jetzt zwei Erkenntnisse. „Wir müssen wieder Bevorratung lernen, unsere Just-in-Time-Kultur zeigt uns in diesen Tagen die Schwachstellen in den Lieferketten auf“, sagt er. Außerdem würden durch Corona die Schattenseiten der Globalisierung sichtbar – auch in der Landwirtschaft. So kämen weit verbreitete Pflanzenschutzmittel wie zum Beispiel Syngenta inzwischen aus China. Fromme: „Wir müssen unsere Abhängigkeit vom Weltmarkt verringern.“