Hannover. Der private Konsum sei und bleibe eine Stütze der Konjunktur. Lohnerhöhungen spielen daher in den Tarifrunden eine große Rolle – aber nicht nur.

Noch liegt für die Tarifrunde in der Metall und Elektroindustrie keine konkrete Forderung der IG Metall auf dem Tisch. Und die erste Verhandlung ist erst für den 16. März terminiert. Doch sind schon jetzt, zwei Monate vor Verhandlungsbeginn, erste Konfliktlinien zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitgebern erkennbar. Das gilt etwa für die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung.

So weist der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall darauf hin, dass sich die Metall- und Elektroindustrie 2019 in einer Rezession befunden habe. Die Produktion sei im vergangenem Jahr um 5 Prozent geschrumpft. „Das ist das größte Minus seit der Wirtschaftskrise 2009. Eine Erholung ist derzeit nicht in Sicht“, heißt es in einer Mitteilung von Niedersachsenmetall.

Diese Aussage will Thorsten Gröger, Chef der IG Metall in Niedersachsen und Verhandlungsführer in der Tarifrunde, so nicht stehen lassen. Zwar gebe es im Vergleich zur vorangegangenen Tarifrunde im Jahr 2018 eine wirtschaftliche Eintrübung. „Die Bezeichnungen Krise und Rezession sind aber nicht zutreffend“, sagte Gröger am Donnerstagabend in Hannover vor Journalisten. Für dieses Jahr werde sogar mit einem Wirtschaftswachstum zwischen 0,8 und ein Prozent gerechnet.

Die IG Metall verschafft sich nach seinen Angaben einen Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung, indem Analysen von Wirtschaftsforschungsinstituten ausgewertet und mit den eigenen Erkenntnissen aus den einzelnen Betrieben abgeglichen würden. So sei auch der IG Metall bewusst, dass der Export rückläufig sei und es weiterhin Unsicherheiten wegen der politischen Großwetterlage gebe. Gröger erwartet aber nicht, dass die Belastungen für die Unternehmen in diesem Jahr größer werden als ohnehin schon erwartet werde.

Wie er weiter ausführte, sagen Wirtschaftsprognosen für den privaten Konsum ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent voraus. Der private Konsum ist und bleibe damit eine Stütze der Konjunktur in Deutschland.

Daher sei der IG Metall sehr daran gelegen, die Kaufkraft – also die Einkommen – der Arbeitnehmer zu stärken. Wie nicht anders zu erwarten, werden die Lohnforderungen der Gewerkschaft eine große Rolle in der Tarifrunde spielen. Die konkrete Forderung soll allerdings erst am 20. Februar beschlossen werden – übrigens auch die Forderung für die Tarifrunde bei VW, die voraussichtlich im April, eventuell schon Ende März beginnt.

Neben der Forderung nach mehr Geld wird es in den Metall- und Elektro-Tarifverhandlungen noch mindestens einen weiteren Punkt geben, der eine große Rolle spielen soll: die Beschäftigungssicherung. Gröger unterstrich, dass aus Sicht der IG Metall erst ein Fünftel der Unternehmen in Niedersachsen eine tragfähige Strategie für die anstehenden Veränderungen habe – gemeint ist unter anderem der technische Wandel in der Auto- und Zulieferindustrie.

Ein weiteres Fünftel habe zumindest eine Teilstrategie. „Der überwiegende Teil der Betriebe hat das aber nicht“, sagte Gröger. Dabei sei es höchste Zeit, die Weichen zu stellen. Vor diesem Hintergrund müssten sich die Unternehmen auch um die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter kümmern. „Das wird im Moment zu wenig getan“, sagte er und ergänzte: „Die bisherigen Regelungen im Tarifvertrag zur Qualifizierung könnten verbindlicher sein.“

Der Tarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie endet Ende März, bereits am 16. März soll erstmals verhandelt werden. Die Friedenspflicht gilt bis Ende April. Dann läuft auch der VW-Tarifvertrag aus – ohne anschließende Friedenspflicht. Das bedeutet, dass die Gewerkschaft ab Anfang Mai in beiden Tarifrunden parallel zu Arbeitskämpfen aufrufen könnte – eine große Öffentlichkeitswirkung wäre quasi garantiert.

Einen Nachholbedarf in der strategischen Ausrichtung und zur Beschäftigungssicherung wie bei den Betrieben in der Metall- und Elektroindustrie sieht Gröger bei Volkswagen nicht. Die mit dem Betriebsrat vereinbarten Umbauprogramme „Zukunftspakt“ und „Roadmap Digitale Transformation“ seien vorbildlich.

Gut möglich also, dass sich die IG Metall in ihren Verhandlungen mit Volkswagen mehr auf das Thema Lohnerhöhung konzentriert. Die Erfolge und gesteigerten Verkaufszahlen im vergangenen Jahr sorgten bei den VW-Beschäftigten jedenfalls für eine entsprechende Erwartungshaltung, unterstrich Gröger.

Im Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt verhandelt die IG Metall für rund 100.000 Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie, unter den VW-Tarifvertrag fallen etwa 115.000 Mitarbeiter an den Standorten Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Kassel und Emden.