Cremlingen. Zwischen Braunschweig und Wolfsburg wurden 71 Messpunkte installierte. Sie sollen Daten sammeln und ich Echtzeit weitergeben.

Der Straßenverkehr soll sicherer und komfortabler werden, der Schadstoffausstoß verringert: Unter dieser Zielsetzung wurde am Mittwoch auf der A39 bei Cremlingen im Kreis Wolfenbüttel das sogenannte Testfeld Niedersachsen in Betrieb genommen. Entlang der Autobahnen 2, 7, 39 und 391 sowie einiger Bundes- und Landstraßen in unserer Region sowie in den Regionen Hannover und Hildesheim sollen Daten von Verkehrsteilnehmern anonym erfasst sowie automatisierte und vernetzte Fahrzeuge getestet werden. Im ersten am Mittwoch eröffneten, sieben Kilometer langen Abschnitt geschieht das zunächst entlang der A39.

Verantwortlich für das vom Land Niedersachsen, vom Bund und der EU geförderte Testfeld ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), beteiligt sind daneben der ADAC sowie die Unternehmen Continental, IAV, Nordsys, Oecon, Siemens, VW und die Wolfsburg AG. In einem ersten Schritt wurden entlang der A39 zwischen dem Autobahn-Kreuz Wolfsburg-Königslutter und der Abfahrt Cremlingen 71 Masten errichtet, die mit Kameras ausgerüstet sind und Daten erfassen. Diese Messpunkte können mit entsprechend ausgestatteten Fahrzeugen sowie untereinander kommunizieren.

Erfasst werden unter anderem Verkehrsdichte, Staus, Bewegung und Fahrverhalten. Diese Daten sollen genutzt werden, um automatisierten Systemen in Echtzeit Handlungsanweisungen zu geben. Das werden teilautomatisierte Fahrzeuge beziehungsweise Fahrerassistenzsysteme sein, die die von ihnen selbst gesammelten Daten mit den Informationen, die entlang der Testfeld-Strecke von den Messpunkten zusammengetragen werden, ergänzen. Verbessert werden sollen so unter anderem Assistenzsysteme für das Abstandhalten und den Spurwechsel.

Das Projekt bereitet quasi den automatisierten Verkehr von morgen vor. Branchenexperten erwarten, dass voll autonomes Fahren und damit auch das echte Roboterauto zwar erst in den 2030er Jahren vor dem Durchbruch steht. Bis dahin wird es aber eine fortschreitende Teil- beziehungsweise Hochautomatisierung der Fahrzeuge geben, die ja schon längst eingesetzt hat.

Volkswagen kündigte am Mittwoch an, die auf dem Testfeld gesammelten Daten zur Verbesserung der Software für das automatisierte Fahren einzusetzen. Entwicklungsvorstand Frank Welsch betonte: „Um das automatisierte Fahren zu erforschen, sind Daten aus dem Alltagsverkehr unerlässlich.“ Die Teststrecke erlaube es Volkswagen, die Daten nicht nur in einem realen Umfeld zu erheben, sondern sie noch per Simulation zu erweitern.

Wie Professor Karsten Lemmer vom federführenden DLR unserer Zeitung sagte, sind in das Testfeld je 2,5 Millionen Euro vom DLR und vom Land Niedersachsen geflossen. Das Testfeld habe von Erfahrungen profitiert, die zuvor mit dem Projekt „Anwendungsplattform intelligente Mobilität“ (AIM) in der Stadt Braunschweig gesammelt wurden und bei dem es Vorinvestitionen gegeben habe.

Der Wissenschaftler erläuterte, dass der Abschnitt auf der A39 nur einer von verschiedenen Forschungsgegenständen im Testfeld ist. So gehe es auf einzelnen Abschnitten um jeweils andere Verkehrssituationen, zudem würden hochgenaue Karten und Simulationsverfahren entwickelt. „Wir wollen den Verkehr besser verstehen“, sagte er. Auf dem Abschnitt der A39 gebe es etwa viele Staus und Stop-and-go-Bewegungen, auf der A2 dagegen dichten Lkw-Verkehr, auf anderen Abschnitten eine Mischung aus Stadt- und Fernverkehr.

In der Eröffnungsveranstaltung am Forschungsflughafen Braunschweig-Wolfsburg mit rund 200 Gästen hatte zuvor Professorin Katharina Seifert, Direktorin des Braunschweiger DLR-Instituts für Verkehrssystemtechnik erläutert, dass auf dem Testfeld nicht nur Funktionen von Assistenzsystemen entwickelt und verbessert werden sollen, sondern auch Methoden für die Zulassung von Technik für das automatisierte Fahren. Lemmer ergänzte später, dass Zulassungsverfahren der Schlüssel für die Entwicklung des automatisierten Fahren seien. Dabei gehe es unter anderem darum, wissenschaftlich nachzuweisen, dass die Technik mindestens so gut ist wie der Mensch.

Lemmer bezeichnete das Testfeld Niedersachsen als weltweit einzigartig: wegen der Vielfalt der Forschungsansätze, wegen des Ansatzes, Partner in das Testfeld einzubinden, wegen seines 280 Kilometer umfassenden und damit ungewöhnlich großen Streckennetzes und weil es nicht auf wenige Jahre Forschungsarbeit ausgelegt sei, sondern sich langfristig entwickeln und erweitern solle.

Diese Bedeutung bleibt nicht ohne Folgen. Nach Angaben Lemmers steuert das DLR künftig von Braunschweig aus die Zusammenarbeit aller 14 Testfelder in Deutschland. Dabei gehe es auch darum, für alle Testfelder einheitliche Teststandards festzulegen.

Unter den Rednern der Eröffnungsveranstaltung war auch Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD). Er sagte: „Wir entwickeln uns von einer Mobilitäts-Kompetenz- zu einer Mobilitäts-Referenzregion.“

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann und Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (beide CDU) bezeichneten das Testfeld als herausragende Infrastruktur, die ein wichtiger Bestandteil der niedersächsischen Verkehrsstrategie sei.