„Die Partei befindet sich auf einer schiefen Bahn Richtung Bedeutungslosigkeit.“

Auf den ersten Blick ist es ein Akt der Befreiung. Die Mehrheit jener SPD-Mitglieder, die über die Parteispitze abgestimmt haben, will das Joch der GroKo abstreifen. Eben noch dachte Olaf Scholz, er werde das mit dem Vorsitz schon schaukeln. Doch die Parteibasis hat den kühlen Machiavellisten eiskalt abserviert. Die Chance auf eine Kanzlerkandidatur ist dahin.

Walter-Borjans, der 67 Jahre alte frühere NRW-Finanzminister, den die Jusos zum Erneuerer gekürt haben, stellte vor seiner Wahl infrage, ob die SPD bei Umfragen von um die 15 Prozent überhaupt noch jemanden für die TV-Duelle ums Kanzleramt nominieren solle. Trotzdem haben 53 Prozent ihn und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken an die Spitze gewählt. Der für die Sozialdemokratie grausamste Befund aber ist: Jedes zweite SPD-Mitglied befindet sich in der inneren Emigration. Das zeigt, wie tief die Vertrauenskrise sitzt.

Von Hartz IV hat sich der Laden nie erholt. Die Partei befindet sich auf einer schiefen Bahn Richtung Bedeutungslosigkeit. Noch stellt die SPD sieben Ministerpräsidenten. Im Osten, in Bayern, in Baden-Württemberg ist sie jedoch bereits keine Volkspartei mehr. In NRW ist weit und breit kein Talent zu finden. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2020 wird das einst tiefrote Ruhrgebiet wahrscheinlich satt grün werden. Zu viel Fatalismus? Die düstere Lage ist nicht überzeichnet. Warum sollen die Deutschen einer Partei vertrauen, deren aktive Mitglieder mehrheitlich der eigenen Führung misstrauen?

Raus aus der GroKo, Erneuerung außerhalb der Regierung, Warmlaufen für Grün-Rot-Rot, wird dann alles besser? In Bayern sitzt die SPD seit 62 Jahren in der Opposition. Bei der letzten Landtagswahl bekam sie 9,7 Prozent. Sollten Walter-Borjans und Esken diesen Trend umkehren können, wäre das ein Wunder. Wenn nicht, dann wird es bald heißen: Bye-bye, Volkspartei.