„Joe Bidens Kapital, die längste Erfahrung als Parlamentarier und Regierungsmitglied, ist zugleich größte Hypothek.“

Joe Biden, Elizabeth Warren, Bernie Sanders. Wenn nicht Grundstürzendes geschieht, gehen die US-Demokraten in fünf Monaten mit einem Favoriten-Trio in die Vorwahlen um das Präsidentschaftsticket, das es zusammen auf über 220 Jahre Lebenserfahrung bringt. Ob das informelle Projekt „Oldies but Goldies“ Donald Trump in den Ruhestand schickt, ist aber offen. Auch die dritte TV-Debatte hat die Umfragen nicht substanziell verändert. Dort werden die Genannten mit Biden als Nummer eins mit gemeinsam über 60 Prozent Zustimmung taxiert.

Für Biden war die TV-Debatte Problem wie Erfolg zugleich. Er streifte die Rolle des Sandsacks ab, auf den alle einprügeln. Er ging zum Angriff über. Sein Kapital, die längste Erfahrung als Parlamentarier und Regierungsmitglied, ist gleichzeitig seine größte Hypothek. Er tut sich schwer damit, sein Lebenswerk stringent zu verteidigen. Oder Fehler einzuräumen. Etwa sein Ja zum Irak-Krieg von George W. Bush. Wenn seine acht Jahre als Vize an der Seite von Barack Obama auf den Prüfstand kommen, laviert der frühere Senator herum. Unsouverän.

Aber: Was vor der TV-Kamera amateurhaft wirkt, diese altbackene Hemdsärmeligkeit, erzeugt im Gespräch mit Wählern eine andere Wirkung. In Vorwahl-Bundesstaaten wie Iowa oder South Carolina gibt es viele, die näher bei Sanders und Warren sind. Die aber zu Biden tendieren, wenn gefragt wird: Mit wem lösen wir am ehesten Trump ab?

Warum (vielleicht) Biden? Weil er Mittigkeit verkörpert. Weil er parteiunabhängige Wähler nicht mit Versprechen vergrätzt, die böswillig als sozialistisch diskreditiert werden können. Weil er Arbeiter-Wählerstimmen zurückholen kann. Weil er in Trumps toxischer Erregungsdemokratie Entschleunigung verkörpert. Und Lauterkeit. Reicht das für den Sieg am 3. November 2020? Zu früh zu sagen.