Braunschweig. Expertin Jutta Rump erklärt beim Braunschweiger Unternehmergespräch, welche Kompetenz Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Zukunft brauchen.

Wenn die Baby-Boomer in Rente gehen – dazu zählt Professorin Jutta Rump alle, die vor 1970 geboren sind –, dann muss der weniger zahlreiche Fachkräfte-Nachwuchs doppelt so viel können und wissen. Zusätzlich müsste diese Generation auch noch den digitalen Wandel stemmen. Deshalb brauche Deutschland eine hochprofessionalisierte berufliche Ausbildung, forderte die Beschäftigungs-Expertin beim 36. Braunschweiger Unternehmergespräch am Mittwochabend.

Rump, die Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen ist und außerdem an der Hochschule Ludwigshafen zu internationalem Personalmanagement und Organisationsentwicklung lehrt, gab den rund 250 Gästen des Unternehmergesprächs außerdem mit, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die Arbeitswelt von morgen einiges verlernen müssten: Perfektionismus, Kontrolldrang, aber auch das klassische Bild von Lernformen und -inhalten.

Von links: Gerold Leppa, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Braunschweig Zukunft, Westermann-Geschäftsführer Ralf Halfbrodt, Professorin und Beschäftigungs-Expertin Jutta Rump, Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) und Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.
Von links: Gerold Leppa, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Braunschweig Zukunft, Westermann-Geschäftsführer Ralf Halfbrodt, Professorin und Beschäftigungs-Expertin Jutta Rump, Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) und Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. © BestPixels.de | Philipp Ziebart

Gastgeber des traditionellen Unternehmergesprächs, zu dem die Braunschweig Zukunft eingeladen hatte, war die Westermann-Gruppe, die zu den führenden Anbietern von Bildungsmedien in Deutschland zählt. „Digitalisierung ist auch für uns ein zentrales Thema“, sagte Ralf Halfbrodt, Geschäftsführer der Westermann-Gruppe. Und damit passte der Ort der Veranstaltung genau zum Thema des Abends: Wie muss sich die berufliche Bildung ändern, um sich an die künftige Arbeitswelt anzupassen?

Rump legte dabei besonderen Wert auf das Thema demographische Entwicklung. Das bestehe neben dem neuen Trendthema Digitalisierung noch immer fort. „Denn wenn Veränderung zum Normalzustand wird, dann kommen wir zu der Frage des lebenslangen Lernens“, sagte sie. Auch Über-60-Jährige müssten noch lernbereit sein. Es sei sogar davon auszugehen, dass ein heutiger Schulabsolvent etwa achtmal in seinem Leben das berufliche Umfeld wechseln werde und bis zu dreimal vielleicht auch sein Berufsbild. „Als ich meine Berufsausbildung abgeschlossen hatte, dachte ich noch, sie hält ein Leben lang“, berichtete Rump.

Wenn sich durch Digitalisierung der eigene Arbeitsplatz, das Unternehmen und die Anforderungen an Beschäftigte und Arbeitgeber änderten, kommt es nach Angaben von Rump vor allem auf eine Kompetenz an: mit Veränderungen umgehen zu können und nicht mit Frustration und Angst auf sie zu reagieren. Dafür brauche es Vertrauen in die eigenen Kompetenzen, in die der Kollegen und des Unternehmens. „Dann werden wir das schon schaffen“, sagte sie.

Damit Beschäftigte Vertrauen und Motivation aufbauen, ist es laut Rump wichtig, sie in ihren Talenten zu fördern und sie den Talenten entsprechend einzusetzen. Neben Vertrauen sei zudem Orientierung für Arbeitnehmer notwendig, und die müsse das Unternehmen geben durch Werte, eine Unternehmenskultur, Wertschätzung und Teilhabe. „Darauf werden Arbeitnehmer ein Commitment abgeben, weil sie es auf anderes gar nicht mehr können“, war die Rednerin überzeugt.

Obwohl vieles neu und in Veränderung sei, gebe es aber noch den Gegenpol des Bewahrens. Es gelte, dieses Spannungsverhältnis zwischen Bewahrung und Veränderung auszubalancieren, beispielsweise in der Unternehmensführung zwischen Kontrolle und Vertrauen oder dem Kostendruck und dem Innovationsdruck. „Ohne Lernen und Investitionen in die berufliche Bildung wird das alles nicht möglich sein“, sagte Rump.

Die Beschäftigungsexpertin zählte einige Trends des digitalen Lernens auf, zum Beispiel virtuelle Lerngruppen oder Gamification, also spielerisches Lernen. Das face-to-face-Lernen im persönlichen Kontakt habe deswegen nicht ausgedient. Ganz zentral werde beim Lernen der Zukunft aber wohl sein, dass es Spaß mache und individuell ausgerichtet sei.

Ziel der beruflichen Bildung ist die Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen, stellte Rump fest. Dafür sei der Arbeitgeber verantwortlich, auch die Gesellschaft, nicht zu vergessen aber auch man selbst. Rump nannte einen Grund, warum: Wer etwa 38.000 Euro Jahresgehalt über 45 Berufsjahre beziehe, sei 1,7 Millionen Euro „wert“. „Jeder von uns ist ein Millionenvermögen.“ Sie appellierte daran, damit nicht willkürlich und zufällig umzugehen, sondern so, wie man mit anderen Werten umgehe, etwa seinem Auto. „Das bringen Sie doch auch zur Inspektion. Sich selbst aber auch?“