Braunschweig. Das DLR in Braunschweig erforscht die Zukunft des Schienenverkehrs.

Die Deutsche Bahn hat ein echtes Problem – ihr fehlen Lokführer. Daher will das Unternehmen nun zum Beispiel auch Quereinsteigern den Weg in die Züge ebnen. Ein Braunschweiger Forschungsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) könnte eine ganz andere Lösung bringen. Das Projekt untersucht, wie gleich mehrere fahrerlose Züge gleichzeitig von einem Bahn-Mitarbeiter an einem Monitor überwacht und bei Bedarf auch gesteuert werden können.

Doch der Reihe nach: Auch wenn es der Name des DLR zunächst nicht vermuten lässt, gehört die Schienenverkehrsforschung zu den Forschungsschwerpunkten des DLR. „Sie nimmt einen sehr breiten Raum ein, 16 unserer Institute an mehreren Standorten sind in die Forschung eingebunden. Zudem sind wir international vernetzt und arbeiten mit zahlreichen Forschungseinrichtungen weltweit zusammen“, sagte Professor Karsten Lemmer, im DLR-Vorstand für Energie und Verkehr verantwortlich, unserer Zeitung. Am DLR-Standort am Braunschweiger Forschungsflughafen ist etwa das Institut für Verkehrssystemtechnik eingebunden. Nach Angaben Lemmers beträgt der Jahres-Etat für die Schienenverkehrsforschung des gesamten DLR 15 Millionen Euro, davon entfielen
5 Millionen Euro auf Forschungsaufträge aus der Industrie.

In Braunschweig befassen sich die Wissenschaftler unter Einbindung anderer DLR-Institute unter anderem mit der Steuerung und Überwachung automatisierter Züge. Dazu haben sie die Software und den entsprechenden Arbeitsplatz entwickelt und für Testzwecke auch schon aufgebaut.

Das Prinzip: Der Bahnmitarbeiter kann in Echtzeit auf einem Monitor verfolgen, wo genau sich die fahrerlosen Züge auf der Strecke jeweils befinden. Auffälligkeiten oder Störungen melden die mit Kameras und Sensoren ausgestatteten Fahrzeuge selbst. Im Versuch heißt es zum Beispiel „Tiere im Gleis“. „Wir haben genau analysiert, welche Informationen für das Überwachen der Züge erforderlich sind und wie sie unter der Vorgabe der Übersichtlichkeit am besten auf dem Monitor dargestellt werden“, erläuterte Bärbel Jäger, Leiterin der Abteilung Bewertung des Verkehrs.

Kommt es zu Auffälligkeiten oder Störungen, kann der Bahn-Mitarbeiter aus der Zentrale die Steuerung des Zuges übernehmen. Das funktioniert im Laborversuch beim DLR mittels eines echten Fahrdiensthebels – so, wie er sich auch in den Fahrzeugen befindet. Durch eine Kamera ist es dem Bahnmitarbeiter möglich, die Fahrstrecke am Monitor einzusehen und den Zug auf Sicht durch den auffälligen Streckenabschnitt zu fahren.

Ziel der Forschungsarbeit ist nicht nur das Entwickeln eines übersichtlichen Monitorarbeitsplatzes. Zugleich soll ermittelt werden, wie viele Züge von einem Mitarbeiter überwacht werden können.

Sind in diesem Forschungsprojekt Lokführer, die noch im Zug sitzen, längst Geschichte, befasst sich eine andere Forschungsarbeit in Braunschweig mit der Frage, wie der aktuelle Arbeitsplatz des Zugführers im Fahrzeug verbessert werden kann. Dafür hat das DLR einen Simulator entwickelt, der mit einem Steuerungspult aus einem Zug ausgestattet ist. In dem Simulator können unterschiedliche Strecken unter unterschiedlichsten Bedingungen abgefahren werden.

Auf Testfahrt gehen nicht etwa Mitarbeiter des DLR, sondern gestandene Lokführer, mit denen die Forscher zusammenarbeiten. Erprobt werden zum Beispiel neue Assistenzsysteme oder die Anordnung von Hebeln und Schaltern. Alles soll im Idealfall so funktionieren, dass der Zugführer nicht von seiner eigentlichen Aufgabe abgelenkt wird, damit der Zug so sicher wie nur möglich in den nächsten Bahnhof einfährt.

Sicherheit steht auch im Zentrum eines weiteren Projekts des DLR. Im Braunschweiger Labor können Hersteller von Bahntechnik ihre Produkte als Voraussetzung für eine behördliche Zulassung testen lassen. Dafür hat das DLR eine Software entwickelt, die in den Versuchsläufen verschiedenste Fahr- und Gefahrensituationen simulieren kann. Ein spezieller Roboter des DLR übernimmt zusätzlich die Rolle des Lokführers. 70.000 Testschritte können durchlaufen werden.

Erprobt werden zum Beispiel Rechner, die in den Fahrzeugen eingesetzt werden, aber auch Schnittstellen zwischen Stellwerken und Signalen. DLR-Software und Roboter sorgen nach Angaben Lemmers dafür, dass die Testläufe nicht mehr auf der Strecke, sondern im Labor absolviert werden können.

Und das auch noch automatisiert, so dass für den Auftraggeber Zeit und Personalkosten eingespart werden. Derzeit sei der zeitliche Aufwand von rund einem Jahr auf bis zu einen Monat verkürzt worden, sagte Lemmer. Die Software soll weiter optimiert werden, so dass mit möglichst wenigen Testläufen möglichst viele Situationen durchgespielt werden können. Auch das soll Zeit und Geld sparen.

Mit der vorausschauenden Instandhaltung von Bahn-Infrastruktur befasst sich eine weitere Forschungsarbeit des DLR in Braunschweig. Auf Basis von Daten, die während des laufenden Bahnbetriebs gesammelt werden, soll der Zustand von Schienen, Weichen, und Gleisen erfasst sowie zuverlässig gedeutet werden. So sollen Schwachstellen frühzeitig erkannt und behoben werden, bevor die Technik ausfällt.

Es geht also um eine vertiefte Datenanalyse. Ein Beispiel: Aus dem Verlauf des Stromverbrauchs einer Weiche während der einzelnen Stellvorgänge soll abgeleitet werden können, in welchem technischen Zustand die Weiche ist und ob möglicherweise ein Ausfall droht. Dazu wird der Verlauf des Stromflusses jeder Weichenstellung erfasst und ausgewertet.

Die Herausforderung: Nach Angaben der Wissenschaftler kann kein pauschales Muster für alle Weichen abgeleitet, sondern es muss der technische Zustand jeder einzelnen Weiche interpretiert werden.

Aus den Lärm- und Vibrationsdaten, die fortlaufend von Zügen erfasst werden, soll wiederum der Zustand von Schienen und Gleisen abgeleitet werden können. Das kann zum Beispiel eine nicht sauber gezogene Schweißnaht sein, die durch die wiederkehrende Druckbelastung durch die Züge bruchgefährdet ist. Sie soll erkannt werden, bevor es zum Bruch kommt.

Auch in diesem Fall steht die Analyse von Daten im Mittelpunkt. Um diese Technik zu erproben und weiterzuentwickeln, arbeitet das DLR mit den Häfen Braunschweig und Hamburg zusammen. Dort sind eigene Hafenbahnen unterwegs.