Wolfsburg. Neue Modelle, neues Image: VW hat sich für das zweite Halbjahr viel vorgenommen. Der Neustart fällt in eine Zeit konjunktureller Abkühlung.

Das Ende des VW-Werksurlaubs vor einer Woche markiert für den Autobauer den Aufbruch in eine neue Ära. Im zweiten Halbjahr stehen wegweisende Präsentationen an. So werden die neueste Generation des Brot-und-Butter-Autos Golf, der Golf 8, sowie der ID.3, das erste Modell der rein elektrischen ID-Familie, vorgestellt. Damit nicht genug: Die Wolfsburger werden ihren Markenauftritt samt Logo verändern. Was sich nicht planen ließ: Der Aufbruch von Volkswagen fällt in eine wirtschaftlich angespannte Zeit, wie jüngste politische Entwicklungen, Wirtschaftsprognosen und Mitteilungen anderer Unternehmen aus der Autobranche zeigen.

Wenn der Golf 8 und der ID.3 vorgestellt werden, werden zugleich die Ergebnisse jahrelanger Arbeit der VW-Entwickler sichtbar. Auch wenn jedes Modell für das Unternehmen wirtschaftlich wichtig ist, kommt diesen beiden Autos besondere Bedeutung zu. Der Golf symbolisiert Volkswagen seit seiner ersten Präsentation 1974 so wie es zuvor nur der Käfer geschafft hat.

Das Auto ist Namensgeber einer eigenen Fahrzeugklasse, in Deutschland verfügte der Golf im Juni nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes in seinem Segment bei den Neuzulassungen über einen Marktanteil von 27,7 Prozent. Damit war der Golf vor dem Ford Focus (7,6 Prozent) und dem Skoda Octavia
(7,4 Prozent) mit großem Abstand Spitzenreiter. Auch im Vergleich aller Fahrzeug-Segmente kam kein anders Auto in Deutschland auf einen solch großen Marktanteil.

Bei der Neuauflage des Golf wurde nicht nur das Blechkleid überarbeitet, das Auto wird auch deutlich digitaler als sein Vorgänger. Das hat im Vorfeld für erhebliche Probleme gesorgt und zu Anpassungen der Anlauf-Planung geführt. Zu den Neuerungen zählen, dass der Golf voll vernetzt ist, über neue Fahrerassistenzsysteme und eine intelligente Sprachsteuerung verfügt.

Der Autobauer setzt darauf, dass sein Brot-und-Butter-Auto auch weiterhin ein Verkaufsschlager wird. Der Golf, der nicht nur als Verbrenner, sondern auch mit verschiedenen Hybrid-Varianten angeboten wird, gehört zu jenen Modellen, die das Geld für die Milliardeninvestitionen in den Umbau zur E-Mobilität verdienen müssen. Diese Aufgabe kommt auch den Gelände-Limousinen (SUV) zu, von denen VW immer mehr Varianten auf den Markt bringt.

Ebenfalls im zweiten Halbjahr wird der ID.3 vorgestellt – auf der Internationalen Automobil-Ausstellung vom 12. bis 22. September in Frankfurt. Der ID.3 ist das rein elektrische Gegenstück zum Golf. Er ist das erste Modell einer neuen VW-Fahrzeug-Familie, die ausschließlich von E-Motoren angetrieben wird. VW ist auf diese Autos angewiesen, um die verschärften CO2-Grenzwerte einhalten zu können.

Der ID.3 verkörpert quasi die Zukunft von Volkswagen. Weil der Verbrennungsmotor entfällt, verfügen E-Autos über größere Innenräume als ihre automobilen Geschwister mit Benzin- oder Diesel-Motor. Und auch die ID.-Modelle sind mit zahlreichen digitalen Anwendungen ausgestattet.

Vor der Einführung des ersten ID-Modells erhöht der Autobauer die Anstrengungen, um die Kunden von der E-Mobilität zu überzeugen. Die große Befürchtung: Weil es noch zu wenige Ladesäulen gibt, finden sich zu wenig Käufer. Deshalb investiert der Autobauer in den Aufbau eigener Ladesäulen. So soll der Erfolg nicht dem Zufall überlassen bleiben.

Begleitet wird die Einführung vor allem des ID.3 von einem neuen Markenauftritt. Das VW-Logo soll verschlankt und minimalistischer werden, das VW-Image jünger, weiblicher und humorvoller. Der technische Umbruch soll einhergehen mit einer Veränderung des VW-internen Selbstverständnisses und insbesondere der Außenwahrnehmung des Autobauers.

Mit diesen drei Aufgaben setzt sich das Unternehmen selbst unter erheblichen Druck. Das Scheitern nur eines einzelnen Bausteins dieser Strategie hätte schmerzhafte negative Auswirkungen. Wegen des Umbruchs und der damit verbundenen Milliardeninvestitionen sind die Wolfsburger darauf angewiesen, dass ihre Autos rasch einen hohen Kundenzuspruch erfahren.

Als wäre das nicht schon Herausforderung genug, mehren sich in diesen Tagen die Anzeichen für eine deutliche Abkühlung des wirtschaftlichen Klimas. So teilte etwa das Statistische Bundesamt am vergangenen Freitag mit, dass die deutschen Exporte im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8 Prozent gesunken sind. Wirtschaftsexperten senken ihre Prognosen. Autozulieferer wie Bosch und Continental haben angekündigt, dass sie wegen der schwierigen Auftragslage Personal abbauen wollen.

Für Sorgenfalten dürfte in Wolfsburg auch die Nachricht sorgen, dass der chinesische Automarkt, der wichtigste für VW, im Juli erneut geschrumpft ist. Damit ist abzusehen, dass der Autobauer kurzfristig nicht auf Rückenwind von außen vertrauen kann. Die Ziele müssen aus eigener Kraft erreicht werden.