Knesebeck. Die Firma Butting stellt Edelstahlrohre her, die von Kläranlagen bis hin zur Offshore-Förderung von Erdöl zum Einsatz kommen.

Es ist ein Datum, an das sich Hermann Butting noch sehr genau erinnert: Der 11. August 2018. An diesem Samstag vor fast einem Jahr brannten auf dem mehr als 45 Hektar großen Gelände der Firma zwei nebeneinander stehende Beizhallen ab, in denen Edelstahlrohre behandelt wurden. Das Feuer fraß sich durch das Dach bis zu den zwölf mit Beize gefüllten Becken. Mehr als 300 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Die Ursache gilt nach wie vor als ungeklärt. Heute sind die Hallen abgerissen, die Fläche ist gepflastert und mit gelben Markierungen bemalt worden: Hier entsteht zusätzlicher Lagerraum auf freier Fläche. Geschäftsführer Butting sieht das Gute in dem Brand: „Das war für uns auch eine Chance, die Beize prozessorientiert neu aufzubauen“, sagt er.

In die neue Beizhalle investiert das Unternehmen nach eigenen Angaben einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Im August 2020 soll sie stehen – jetzt direkt neben der Rohrproduktion. „Wir hoffen, dass dann auch einige Kunden zurückkommen“, sagt Butting. Weil sie Lieferfristen plötzlich nicht mehr halten konnten, seien ihnen einige Kunden abgesprungen. Derzeit läuft die zweite, kleinere Beize des Betriebs rund um die Uhr, deutschlandweit helfen außerdem zehn Dienstleister aus – ein logistischer Riesen-Aufwand. „Wie groß der finanzielle Schaden des Brandes ist, ist noch nicht absehbar“, sagt Butting.

Doch die Beize ist nicht das einzige, in das der Familienbetrieb investiert. Zuletzt hat Butting 2017 Sosta in Könnern nahe Halle übernommen, einen Hersteller längsnahtgeschweißter Edelstahlrohre. Damit will Butting im hart umkämpften Markt der Standardrohre, die sie auch in Knesebeck herstellen, stärker Fuß fassen. Zwar lebt das Unternehmen von der Herstellung spezialisierter Rohr-Produkte, aber „Standardrohre gehören zu unserer Identität. Wir verarbeiten sie ja auch“, sagt Butting. Wettbewerber kommen vor allem aus Italien und den Niedriglohnländern Indien und China.

Zusätzlich plant Butting den Ausbau seiner Produktionskapazitäten bei sogenannten plattierten Rohren. Hier erzielt das Unternehmen den größten Anteil am Umsatz, der 2018 insgesamt bei 472 Millionen Euro lag. Die Rohre gelten als extrem zerstör- und druckbeständig, weil sie aus zwei miteinander verbundenen Werkstoffen bestehen: Dem festen Kohlenstoff-Mangan-Stahl und dem korrosionsbeständigen Edelstahl. Die Rohre werden weltweit in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt, zum Beispiel bei der Offshore-Förderung von Erdöl in der Nordsee. Butting hat zwei eigene, markenrechtlich geschützte Rohre für diesen Einsatz entwickelt.

Insgesamt investiert Butting in diesem und im kommenden Jahr so viel wie nie zuvor. Gut überlegt, wie Butting deutlich macht: „Wir treffen unsere Investitionsentscheidungen langfristig, weil wir ein gesundes Unternehmen an die nächste Generation übergeben wollen.“ Hermann Butting ist seit 2000 Geschäftsführer in siebter Generation. Als Chef von knapp 1900 Mitarbeitern an sechs Standorten, unter anderem in China, Brasilien und Kanada, wo Butting Vertriebsbüros beziehungsweise eine Fertigung unterhält, beschäftigt er sich viel und gerne mit der Frage, was gute Führung bedeutet.

Die Frage sei für ihn als Geschäftsführer unter anderem, wie er auf seine Mitarbeiter blicke. „Mein Menschenbild ist, dass der Mitarbeiter motiviert ist, Lust hat, sich zu entwickeln, und ich ihn nicht demotivieren darf. Dafür muss ich die Rahmenbedingungen schaffen.“ Das Unternehmen hat über die Jahre ein Modell namens „Haus der Zusammenarbeit“ entwickelt, das Werte im Umgang miteinander darstellt: Es basiert auf Wertschätzung, darauf bauen dann Säulen wie Leistung, Mut und Zuverlässigkeit auf. Zusammen ergibt das ein Dach, das unter anderem aus Teamarbeit, Qualität und Initiative besteht. Wichtig sei, dass Mitarbeiter diese Werte teilen. „Ansonsten halten wir auch verrückte Typen aus“, sagt Butting.

Gegründet wurde der Familienbetrieb vor mehr als 240 Jahren in Crossen an der Oder, im heutigen Polen. 1945 floh die Familie vor sowjetischen Truppen und baute den Betrieb wenige Jahre später in Knesebeck wieder auf, damals noch als reine Kupferschmiede. Ehemalige Mitarbeiter kamen nach und seien später zu entscheidenden Führungskräften geworden. Ab den 1960er Jahren stellte Butting dann von Kupfer auf den beliebter werdenden Werkstoff Edelstahl um. Es fertigte für die Lebensmittel- und Papierindustrie, später kamen die Chemie- und Schiffsindustrie genauso dazu wie die Entsorgungsindustrie und Luft und Raumfahrt. „Wir probieren immer die neuesten Werkstoffe und Verfahren aus“, sagt Butting. Die Knesebecker seien etwa weltweit die ersten gewesen, die mit Laser geschweißt hätten, heute ein Standard.

Aus der Flüchtlings-Geschichte seiner Familie resultiert für den 54-Jährigen heute das Bedürfnis, sich selbst für Flüchtlinge einzusetzen. 2016 hat Butting unter Trägerschaft der „Butting Akademie“ die Integrationswerkstatt des Landkreises übernommen. Hier lernen Flüchtlinge aber auch Langzeitarbeitslose Nähen oder Räder zu reparieren. „Wir haben sehr viel Gastfreundschaft erfahren, das möchten wir der Region zurückgeben.“