Salzgitter. VR-Brille, virtueller Schweißtrainer oder Anlagensteuerung per I-Pad – vom Azubi bis zum Chef sollen alle mit digitaler Technik in Kontakt kommen.

Aus den Lautsprechern des Computers tönt Michael Jacksons „Smooth Criminal“. Auf dem 3D-Drucker daneben tanzt dazu ein Mini-Roboter, der sogar den Moonwalk beherrscht. Wir sind im Smart Lab der Salzgitter AG, was so viel bedeutet wie intelligentes Labor. Der Stahlhersteller zeigt seinen Mitarbeitern hier seit März, wie die digitale Arbeitswelt von morgen – oder heute schon – aussehen kann. „Nicht alle Mitarbeiter sind jetzt schon mit dem Thema Digitalisierung konfrontiert. Es geht darum, sie darauf vorzubereiten“, sagt Florian Löbermann, Leiter der Beruflichen Bildung bei der Salzgitter Flachstahl. Das funktioniert am besten über das Erfahren, Ausprobieren und sich Inspirieren-Lassen, ist Löbermann überzeugt.

Florian Löbermann, Leiter Berufliche Bildung bei der Salzgitter Flachstahl.
Florian Löbermann, Leiter Berufliche Bildung bei der Salzgitter Flachstahl. © IHK

Der Mini-Roboter kommt aus dem 3D-Drucker und wurde von Auszubildenden der Salzgitter AG programmiert. Bisher ist der Drucker im Unternehmen noch nicht im Einsatz, aber viele Möglichkeiten sind offenbar denkbar – vor allem, weil es inzwischen auch 3D-Drucker gibt, die mit Metallen arbeiten können. So könnte ein Drucker beispielsweise Einzelteile für Anlagen, wie Zahnräder, fertigen und so eine Übergangslösung bieten, bis das passende Ersatzteil geliefert ist, erläutert ein Konzernsprecher.

Smart Lab soll „Klick-Momente“ auslösen

Lukas Lezoch, 32, ist Elektroniker in der Instandhaltung bei der Salzgitter AG. Er hat sich mit zwei seiner Arbeitskollegen angemeldet, um das Smart-Lab zu besuchen. Die Vorgabe vom Unternehmen lautet: Mitarbeiter – vom Azubi bis zum Geschäftsführer – sollen sich hier freiwillig und ohne Druck umschauen. In mehreren Räumen können sie zehn Exponate testen, in einer Art Lounge mit dicken Sitzsäcken und opulentem Sofa ihre Gedanken und Ideen austauschen. „Wir haben bewusst darauf geachtet, dass das hier kein Arbeitssetting ist“, erklärt Löbermann. Sein Assistent Andreas Lang ergänzt: „Wir wollen Klick-Momente auslösen und für Veränderungen begeistern.“

Die Botschaft ist: Digitalisierung erleichtert die Arbeit

Während der 3D-Drucker surrt und sich in seinem Inneren roter Kunststoff langsam zu einer kleinen Kabelführung formt, sagt Lezoch: „Das habe ich bisher immer nur im Fernsehen gesehen. Das ist wirklich mega. Ich hatte hier auch zum ersten Mal eine VR-Brille auf.“ Lezoch hofft, das vieles aus dem Smart-Lab bald auch in den Betrieb kommt. Das würde Arbeitsvorgänge vereinfachen, sagt er. Privat steuert der Elektroniker bereits Licht und Musik über sein Smartphone.

Lukas Lezoch testet mit Arbeitskollegen eine Gesichtserkennungs-Software. Sie schätzt Alter, Geschlecht und Stimmung von Menschen.
Lukas Lezoch testet mit Arbeitskollegen eine Gesichtserkennungs-Software. Sie schätzt Alter, Geschlecht und Stimmung von Menschen. © BestPixels.de | Philipp Ziebart

Löbermann sagt: „Wir wollen die Botschaft senden, dass die Digitalisierung Arbeit erleichtern kann.“ Es ist sein Anliegen, Unsicherheiten oder Berührungsängste – falls vorhanden – zu verringern beziehungsweise zu überwinden. „Es ergeben sich hier Situationen, in denen Mitarbeiter sagen, das hier könnten wir in unserem Bereich so und so einsetzen“, berichtet er.

Beim virtuellen Schweißen fliegen nur virtuelle Funken

Nicht jede Technologie im Smart Lab ist allerdings zur Anwendung im Unternehmen gedacht. So hängt in einem Raum etwa ein Bildschirm, auf den die Gesichtserkennungs-Software „Shore“ des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen installiert ist. Je näher der 32-jährige Lezoch an den Bildschirm herangeht und je mehr er sein Gesicht dabei in Falten legt, desto älter schätzt ihn die Echtzeit-Erkennung. „57 Jahre war das höchste Alter, 28 das jüngste“, sagt er. Runzelt er die Stirn und kneift die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, schlägt auf dem Bildschirm der „Wütend“-Balken aus, lächelt Lezoch, erkennt die Software, dass er „happy“ ist, also ganz glücklich.

So sieht virtuelles Schweißen aus. Im Helm zeigt ein Display die Schweißnaht und Funken an.
So sieht virtuelles Schweißen aus. Im Helm zeigt ein Display die Schweißnaht und Funken an. © BestPixels.de | Philipp Ziebart

Der Einsatz anderer Exponate bei der Salzgitter AG ist viel wahrscheinlicher: Zum Beispiel der der „Helmet Glas“, ein Helm mit Display, über das beispielsweise Warnungen oder Arbeitsanweisungen laufen können. Ein virtuelles Schweißgerät könnte Platz in der Ausbildung finden. Im Gegensatz zu realen Schweißen verbraucht es kein Material und ist außerdem weniger gefährlich, weil zum Beispiel keine echten Funken fliegen. Sascha Hruznik, 34, schweißt nach eigenen Angaben täglich und schafft es auch virtuell, eine vorbildliche Naht hinzulegen. „Für Auszubildende ist das zum Üben nicht schlecht, um ein Gefühl dafür zu bekommen“, findet er. Ein anderes Modell zeigt, wie Mitarbeiter mithilfe eines I-Pads in Zukunft auf eine sogenannte SPS zur Anlagensteuerung zugreifen können.

Neue Exponate sollen im Smart Lab einziehen

Das Smart Lab soll fortlaufend mit neuen Exponaten erweitert werden, „zum Beispiel wird Drohnentechnologie sicher ein Thema“, sagt Löbermann. Auch die wäre ganz praktisch einsetzbar – etwa zur Wartung von Rohren auf dem Werkgelände. Löbermann sagt: „Man kann Veränderungen mit oder gegen Mitarbeiter durchführen. Wir wollen sie mitnehmen.“