Braunschweig. Im abgelaufenen Geschäftsjahr machen die Braunschweiger unterm Strich 36 Millionen Euro Verlust.

Die Mitarbeiter von Nordzucker müssen sich auf betriebsbedingte Kündigungen einstellen. „Damit müssen wir rechnen“, sagte Vorstandschef Lars Gorissen am Donnerstag auf Nachfrage bei der Bilanz-Pressekonferenz. Noch in diesem Jahr könnte es ihm zufolge so weit sein. Eine Zahl wollte der Vorstand aber nach wie vor nicht nennen.

Europas zweitgrößter Zuckerproduzent will jährlich 20 Millionen Euro Personalkosten sparen, vor allem in der Verwaltung. Allen Verwaltungsmitarbeitern waren zunächst Abfindungen angeboten worden, wenn sie „freiwillig“ gehen. Bisher sei dadurch ein Viertel des Einsparziels erreicht, berichtete Gorissen, also etwa fünf Millionen Euro. Wie viele Mitarbeiter das Angebot angenommen haben, will das Unternehmen nicht preisgeben.

Bis zu 200 der konzernweit 3200 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden. In der Braunschweiger Zentrale steht nach Informationen unserer Zeitung rund ein Drittel der etwa 240 Stellen auf dem Spiel. Zurzeit verhandelt das Management mit dem Betriebsrat. Finanzvorstand Alexander Bott bestätigte nun Überlegungen, einen Teil der Finanzverwaltung in Litauen anzusiedeln. Die fünf Werke in Deutschland sollen laut Vorstand aber erhalten bleiben, auch langfristig. Andernorts schloss die Führungsspitze Standortschließungen nicht aus.

Dividende soll es nicht geben

Insgesamt sollen nach Angaben des Vorstands in drei Jahren 65 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden. Seit dem Wegfall der Zuckermarktordnung der EU sind die Hersteller unter Druck, denn Überkapazitäten und niedrige Preise sind die Folge. Nach einem Gewinn von 118 Millionen Euro im Jahr zuvor stand bei Nordzucker am Ende des Geschäftsjahres 2018/19 nun ein Verlust von 36 Millionen Euro. Die Größenordnung hatte der Konzern bereits angekündigt. Der Umsatz sank um 18 Prozent auf 1,354 Milliarden Euro.

Das erste volle Jahr nach dem Ende der Quotenregeln für Produktion und Export sei von einer erheblichen Überproduktion sowohl innerhalb der EU als auch auf dem Weltmarkt geprägt gewesen sowie von einem scharfen Wettbewerb und „historisch niedrigen Preisen“. So exportierte Nordzucker nach eigenen Angaben teils weniger, da es sich schlicht nicht lohnte. „Wir waren vielen Extremen ausgesetzt“, sagte Gorissen. Auslöser seien vor allem die gestiegene Produktion durch staatliche Subventionen in Indien und Thailand gewesen sowie Beihilfen für den Rübenanbau in „zahlreichen“ EU-Ländern. Gegen Letztere protestiert der Hersteller gemeinsam mit Rübenbauern.

Der Vorstand schlägt der Hauptversammlung deshalb vor, in diesem Jahr keine Dividende auszuschütten. Im Jahr zuvor hatten die Anleger noch 1,20 Euro pro Aktie erhalten. Anteilseigner sind vor allem Rübenbauern. Bei ihnen hat sich inzwischen Skepsis breitgemacht, wie Gorissen auf Nachfrage berichtete. Die deutschen Landwirte schlössen inzwischen kürzere Verträge ab. Von den variablen Preismodellen seien die Bauern sehr enttäuscht, da diese unter den Erwartungen blieben. Gorissen zeigte sich skeptisch, ob Nordzucker im nächsten Jahr in allen Ländern die geplante Rübenmenge einkaufen kann.

Preis soll sich mittelfristig erholen

Wegen des Verlusts wollen die Braunschweiger auch ihr Produktportfolio auf den Prüfstand stellen. Nordzucker produziert neben Zucker, der rund 80 Prozent des Umsatzes ausmacht, auch Futtermittel (11 Prozent) und Bioethanol (4 bis 5 Prozent). Beim noch jungen Geschäft mit Zucker aus Bio-Rüben zahlt Nordzucker laut Gorissen noch drauf.

Auch außerhalb Europas will der Hersteller bald in die Rohrzuckerproduktion einsteigen: Die 70-prozentige Beteiligung an Mackay Sugar Limited (MSL) soll bald abgeschlossen sein. Diese verzögert sich etwas, zuvor soll noch das vierte – in Schieflage geratene – Werk der Australier verkauft werden. Bereits in zwei Jahren erwartet Nordzucker-Finanzvorstand Alexander Bott dann, dass sich der Kaufpreis von rund 38 Millionen rechnet und MSL positiv zum Ergebnis beiträgt. Für weitere Übernahmen zeigte sich Gorissen grundsätzlich offen. Um vor allem effizienter zu werden, investierte der Konzern zudem kräftig: 105 Millionen Euro nach 89 Millionen im Jahr zuvor, beispielsweise in ein schwedisches Werk.

Auch die anderen Zuckerproduzenten schafften laut Nordzucker in diesem Jahr keinen Gewinn. Im Vergleich zu Wettbewerbern sei der Verlust moderat, so Bott. Auch für das laufende Jahr rechnen die Braunschweiger mit einem Verlust. Dennoch zeigten sich die Vorstände optimistisch: Der Weltmarkt wachse, außerdem sei mittelfristig eine Preiserholung zu erwarten. Für die diesjährige Kampagne geht Vertriebsvorstand Erik Bertelsen zwar von weniger Fläche, aber einem durchschnittlichen Ertrag aus.

Rüben von Insekten befallen

Die Kampagne 2018/19 war vom trockenen Sommer geprägt, die Rüben waren schwer zu verarbeiten – nach der Nässe im Jahr zuvor. 2,4 Millionen Tonnen Zucker produzierte Nordzucker, nach 2,7 Millionen im Jahr zuvor. Mit 102 Tagen war die Kampagne zu kurz, die vorherige hatte 117 Tage gedauert.

Die aktuellen Rüben seien noch nicht so weit wie sonst – in den vergangenen Wochen war es kühl. Zudem seien sie besonders stark von Insekten befallen, da hierzulande seit kurzem Neonicotinoide verboten sind. Zahlreiche andere Länder haben dafür Ausnahmegenehmigungen erteilt. Nordzucker sieht sich deshalb im Nachteil.