Salzgitter. . Die Brennstoffzellen-Züge werden im Salzgitteraner Werk gebaut.

Wasserdampf statt Dieselabgase – die Nahverkehrszüge im Taunus sollen künftig von Brennstoffzellen angetrieben werden. Einen entsprechenden Großauftrag über 27 Züge mit einem Gesamtvolumen von rund 500 Millionen Euro hat die Tochter des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV), Fahma, an den französischen Zughersteller Alstom erteilt. Die Züge werden nach Unternehmensangaben in Salzgitter gebaut.

Der Auftrag beinhaltet auch die Versorgung mit Wasserstoff am Industriepark Höchst, die Instandhaltung sowie Reservezüge für die nächsten 25 Jahre, wie die beteiligten Unternehmen am Dienstag mitteilten.

Laut Rhein-Main-Verkehrsverbund wird bis zum Fahrplanwechsel 2022/2023 die größte Brennstoffzellen-Flotte der Welt auf die Schienen gestellt. Technisch fußt der eingesetzte Triebwagen „iLint“ auf einem vielfach erprobten Diesel-Zug von Alstom. Wasserstofftanks und Brennstoffzellen ersetzen die Diesel-Komponenten. Für den Hersteller bedeutet die Bestellung aus Hessen den zweiten Großauftrag nach Niedersachsen für sein Brennstoffzellen-Modell. Rund um Bremervörde rollen bereits zwei Demonstrationszüge, bis Ende 2021 sollen dann 14 Einheiten für die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen einsatzbereit sein.

„Schwarzer“ versus „grüner“ Wasserstoff

Zumindest im direkten Betrieb eines solchen Zuges fallen keine klimaschädlichen Emissionen an, weil in einer Brennstoffzelle Wasserstoff kontrolliert mit dem Sauerstoff aus der Luft reagiert und so Strom für den Elektromotor liefert. Zwei schwere Batterien speichern zusätzlich die Bremsenergie und überschüssigen Strom aus der Zelle. Allerdings kommt reiner Wasserstoff in der Natur nicht vor, sondern muss mit hohem Energieaufwand aus Verbindungen wie Wasser gelöst werden.

Man spricht auch von „schwarzem“ Wasserstoff“. „Grüner“ Wasserstoff entsteht erst, wenn das Gas mit dem Einsatz erneuerbarer Energien erzeugt wird. Vor allem die Windenergiebranche setzt große Hoffnungen in das Power-to-Gas-Verfahren, bei dem Wasser mithilfe des Windstroms in Sauerstoff und speicherbaren Wasserstoff aufgespalten wird.

Für den Betrieb in Hessen ist geplant, auf Wasserstoff zurückzugreifen, der im Industriepark Höchst als Nebenprodukt chemischer Prozesse anfällt. „Wir starten dafür keine Extra-Produktion“, stellte eine RMV-Sprecherin klar. Die Tankstelle für die Züge soll auf dem Gelände in Frankfurt-Höchst in Kooperation mit dem Industriepark-Betreiber Infraserv gebaut werden.

Der Bahnbetrieb mit Brennstoffzelle sei eine schnell umsetzbare Alternative zur Elektrifizierung der Nebenstrecken, sagte Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). Die Europäische Union und der Bund unterstützen das Vorhaben. Der Bund trägt nach den Worten von Verkehrs-Staatssekretär Enak Ferlemann 40 Prozent der Mehrkosten im Vergleich zu einem Dieselzug und fördert anteilig den Ausbau der Wasserstoff-Tankstelle im Industriepark.

Weltweit einziger Hersteller von Wasserstoff-Zügen

Da solche Aufträge eine entsprechende Vorlaufzeit haben, dürfte der Großauftrag nichts daran ändern, dass bei Alstom in Salzgitter laut Arbeitnehmervertretern zurzeit 500 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Denn es drohe ab 2020 eine massive Auftragslücke, Betriebsrat und Management verhandeln derzeit über die Zukunft des Werks. Nach Angaben des Betriebsrats will Alstom Arbeiten verlagern.

In Salzgitter werden Regionalzüge gebaut, Güterwaggons modernisiert, zudem ist das Werk nach Unternehmensangaben das Kompetenzzentrum für Drehgestelle der Alstom-Gruppe. Als weltweit einziger Hersteller entwickelt und baut Alstom dort nach eigenen Angaben außerdem Brennstoffzellen-Züge. Das Werk sei einer der größten Alstom-Standorte weltweit und beschäftige zurzeit etwa 2500 Mitarbeiter.

Betriebsrat Thomas Stiller hatte vor einer Woche kritisiert, dass es an Wasserstoff-Tankstellen mangele – in den Ausschreibungen werde vorausgesetzt, dass Alstom sie finanziere. Schuld sei auch die Politik, die dafür sorge, dass bei Ausschreibungen „zu 70 bis 80 Prozent“ der Preise zähle.