Braunschweig. Das Bundeskartellamt verbietet ein Joint Venture von Zollern und Miba. Auch die 450 Mitarbeiter in Braunschweig und Osterode hoffen auf Altmaier.

Die Mittelständler Zollern und Miba wollen ein Gemeinschaftsunternehmen für Gleitlager gründen. Auch die rund 450 Zollern-Mitarbeiter, die in Braunschweig und Osterode beschäftigt sind, befürworten eine Fusion grundsätzlich. Das Bundeskartellamt erteilte dieser allerdings eine Abfuhr, deshalb gehen die Unternehmen einen ungewöhnlichen Weg: Sie fordern eine sogenannte Ministererlaubnis, also eine Ausnahmegenehmigung. Unterstützung bekommen sie nun auch von SPD-Abgeordneten aus unserer Region – allerdings mit einer Bedingung.

Miba hat seinen Sitz in Österreich, Zollern in Baden-Württemberg. Beide sind auch in anderen Geschäftsbereichen aktiv und beschäftigen nach eigenen Angaben insgesamt rund 10.400 Mitarbeiter, Miba 7400, Zollern 3000. Im Bereich Gleitlager-Bau wollen sie fusionieren. Das geplante Joint Venture soll mit 1800 Beschäftigten rund 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Zollern soll gut ein Viertel der Anteile am neuen Unternehmen übernehmen. In Braunschweig beschäftigen die Schwaben rund 300 Mitarbeiter, in Osterode am Harz etwa 150. Daneben werden in einem brasilianischen Werk Gleitlager produziert.

Als Gründe für ihre Pläne nennen Miba und Zollern einen starken Wettbewerbsdruck aus Asien im Bereich des Schiffsmotorenbaus. Als „globaler Technologieführer mit Hauptsitz in Europa“ wollen sie sich dem entgegenstellen. Außerdem sollen Investitionen in Forschung und Entwicklung den Vorstoß in neue Segmente ermöglichen, vor allem in der Energiewirtschaft und in Industrie-4.0-Anwendungen.

Zollern-Chef warnt vor Konsequenzen

Daraus wurde jedoch vorerst nichts. Das Bundeskartellamt untersagte im Januar eine Fusion. „Gleitlager spielen im Maschinen-, Anlagen- und Motorenbau eine zentrale Rolle“, erklärte Präsident Andreas Mundt. Miba und Zollern seien vor allem bei Gleitlagern für Großmotoren – wie sie etwa in Schiffen, Loks oder Stromaggregaten eingesetzt werden – sehr stark aufgestellt. Durch den Zusammenschluss würde aus Sicht der Wettbewerbshüter für die deutsche wie auch europäische Industrie eine wichtige Alternative bei der Beschaffung wegfallen.

Die Unternehmen wollen das nicht hinnehmen und beantragten deshalb eine Ministererlaubnis. Dieses Instrument ermöglicht in Einzelfällen, einen Zusammenschluss, der aus Wettbewerbsgründen verboten wurde, aus besonderen Allgemeinwohl-Gründen ausnahmsweise zu erlauben. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) muss sich nun bis Mitte Juni entscheiden. Die Monopolkommission, ein unabhängiges Beratungsgremium, hat sich gegen eine Ministererlaubnis ausgesprochen.

Klaus Erkes, Geschäftsführer der Zollern-Gruppe, hatte bereits vor Konsequenzen für deutsche Standorte gewarnt: „Wenn die Ministererlaubnis verweigert wird, müssen wir schauen, wie das Geschäft noch wirtschaftlich zu betreiben ist.“ So befürworten in Braunschweig nach Gewerkschaftsangaben auch Betriebsrat und IG Metall eine Fusion. „Der Zusammenschluss von Zollern mit einem europäischen Unternehmen kann die Standorte, das Geschäft, die Arbeits- und Tarifbedingungen sowie die Zahl der Arbeitsplätze in unserer Region stärken“, sagt Eva Stassek, erste Bevollmächtigte der IG Metall Braunschweig. Die Entscheidung der Kartellbehörde sei zu kurz gedacht: „Der Wettbewerb spielt sich längst nicht nur in Europa ab.“

SPD-Abgeordnete fordern Beschäftigungsgarantie

Martin Grun, Betriebsratsvorsitzender bei Zollern in Braunschweig, betont laut Mitteilung: Voraussetzung sei, dass beide Unternehmen langfristig die Standort- und Beschäftigungssicherung garantieren. „Bisher wurde uns versichert, dass durch diese Fusion zukünftig Arbeitsplätze in der Region gehalten und ausgebaut werden sollen.“

Eine Standort- und Beschäftigungsgarantie für mindestens die nächsten zehn Jahre fordern nun auch die SPD-Bundes- und Landtagsabgeordneten Falko Mohrs, Sigmar Gabriel und Christos Pantazis. Unter dieser Bedingung werben sie in einem Schreiben an die Wirtschaftsministerien für eine Ministererlaubnis: „Zweifellos kommt eine solche Ministererlaubnis selten vor.“ Doch die zuständigen Bundes- und Landesminister hätten hier die ebenso seltene Gelegenheit, eine Entscheidung zu treffen, die sowohl der mittelständischen Wirtschaft vor Ort helfe als auch Arbeitsplätze sichere. Der Antrag der beiden Mittelständler ist erst der 23. Antrag auf eine Ministererlaubnis, seit diese 1973 im Gesetz verankert wurde. Gabriel etwa hatte als Wirtschaftsminister mit einer solchen Erlaubnis den Verkauf der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann an Edeka erlaubt.

Miba und Zollern äußerten sich am Freitag auf Anfrage nicht zu einer Beschäftigungsgarantie. Ein Miba-Sprecher verwies auf das laufende Verfahren. Am Montag ist im Bundeswirtschaftsministerium eine öffentliche Verhandlung in dem Ministererlaubnis-Verfahren geplant. Dort erläutert unter anderem die Monopolkommission ihr Gutachten. Eine Bewertung durch den Minister ist dann aber noch nicht zu erwarten.

Aus Sicht von Miba und Zollern würde ihr Gemeinschaftsunternehmen zu Altmaiers Industriestrategie passen. Die Mittelständler finden: Der Fall zeige deutlich, warum europäische mittelständische Industrieunternehmen – „das Rückgrat der europäischen Industrie“ – wegen zunehmender staatlicher Wettbewerbsverzerrungen vor allem aus Asien im weltweiten Wettbewerb benachteiligt würden – wenn sie nicht die Möglichkeit hätten, als „gemeinschaftliche starke europäische Unternehmen“ ihre Kräfte zu bündeln.