Berlin, Brüssel. Zur Europawahl ergreifen Google, Facebook und Twitter Maßnahmen, um Nutzer beim Thema Fake News zu sensibilisieren.

Kurz vor der Europawahl Ende Mai verstärkt sich die Debatte über Desinformation im Internet. Guter Journalismus sei die Antwort auf Desinformationskampagnen im Netz, sagte Isabelle Sonnenfeld von Google News Lab für Deutschland am Dienstag in Berlin. Google wiederum wolle die Nutzer durch Hinweise darauf sensibilisieren, dass die Informationen womöglich falsch oder Zitate frei erfunden seien. Facebook und Twitter haben ähnliche Maßnahmen ergriffen.

Angebliches Döner-Verbot

Der Europaabgeordnete Tiemo Wölken (SPD) unterscheidet verschiedene Arten von Desinformation über die EU. So habe es 2018 etwa Meldungen über ein angebliches Döner-Verbot gegeben, obwohl nur über den Einsatz von Phosphat in Dönerfleisch diskutiert worden sei. "So etwas trägt zwar dazu bei, dass Menschen glauben, die EU wolle ihnen das Leben schwermachen", sagte Wölken dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Gefährlich wird es aber erst, wenn Kräfte von innen und außen eiskalt Lügen verbreiten, wie die, dass die EU nur ein Konstrukt der großen Konzernlobbys sei oder Krieg führe", sagte der EU-Parlamentarier. Er glaube allerdings, "dass Fake News im Moment kein so großes Problem darstellen wie bei der Europawahl vor fünf Jahren", sagte Wölken, der sich unter anderem in Youtube-Videos mit über die EU kursierenden Mythen auseinandersetzt.

Seit Ende 2018 Frühwarnsystem

Die EU-Kommission hat zusammen mit der EU-Außenbeauftragten bereits Ende 2018 einen breit angelegten Aktionsplan gegen Desinformation auf den Weg gebracht. So wurde ein Frühwarnsystem eingerichtet, dem alle EU-Länder und EU-Institutionen angeschlossen sind. Es soll bei grenzüberschreitenden Desinformationen den Austausch zwischen den Behörden sicherstellen. Die sogenannten Task Forces für strategische Kommunikation wurden gestärkt, die sich vor allem um aus Russland stammende Desinformationen kümmern und sie auf euvsdisinfo.eu bloßstellen sollen. Die EU verstärkte auch den Druck auf Internetplattformen, mit denen sie 2018 einen Verhaltenskodex schloss.

„Problem wird aufgebauscht“

In der Wissenschaft ist allerdings längst nicht ausgemacht, dass die EU dabei den richtigen Weg eingeschlagen hat. "Das Problem wird aufgebauscht", sagt etwa Politik-Professor Wolf J. Schünemann. Der Forscher von der Universität Hildesheim hat bisher noch keine relevanten Fake News im Europawahlkampf beobachtet und hält den Aktionsplan in weiten Teilen für unangemessen. Denn dieser wähle "einen sicherheitspolitischen Ansatz, um einer medienregulatorischen Herausforderung zu begegnen". Außerdem laufe der Ansatz der Kontrolle auf einen Ausbau der Überwachungsapparate durch Staat und auch private Unternehmen hinaus. "Das birgt Gefahren für die liberale Ordnung."

Brauchen mehr Digitalbildung

André Haller von der Universität Bamberg findet zwar gute Ansätze im Aktionsplan. Insbesondere der Druck auf Facebook habe wohl gewirkt. Er bemängelt jedoch, wie euvsdisinfo.eu ihre Arbeit tut. Zumindest ein Teil der von EU-Seite dort verfassten Texte, die oft russische Propaganda widerlegen sollen, sei keine Aufklärung im besten Sinne. "Das ist teilweise Regierungs-PR." Insgesamt müsse der Fokus der Politik zu langfristigen Maßnahmen wechseln, meint der Kommunikationswissenschaftler. In Schulen solle es stärker darum gehen, wie Social-Media-Plattformen ihr Geld verdienen oder wie man Quellen kritisch erforsche. "Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass wir mehr Digitalbildung brauchen."

Redaktionen sollen grenzübergreifend arbeiten

Die Geschäftsführerin der Organisation First Draft, Jenni Sargent, schult Journalisten bei der Verifizierung sozialer Nachrichtensammlungen. Um "den Sumpf" im Auge zu behalten und effektiv gegen Desinformation vorzugehen, setze sie darauf, dass Nachrichtenredaktionen sich dafür auch grenzübergreifend zu einer Art "Super-Newsroom" zusammentun und austauschen. Journalisten seien schließlich diejenigen, die über die Expertise zur Verifizierung von Informationen verfügten. epd