Salzgitter. Um die Stahlproduktion CO2-ärmer zu machen, muss der Hersteller sein Werk umbauen.

Es herrscht Druck auf dem Kessel der Stahlbranche: Ab 2021 verschärft die Europäische Union den CO2-Zertifikate-Handel, was für die Unternehmen zu einer zunehmenden finanziellen Belastung führt. Die Bundesregierung hat sich außerdem zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Zuletzt stellte die EU-Kommission zudem Klima-Pläne vor, nach denen die europäische Wirtschaft ab 2050 zu vollständig CO2-freien Produktionsverfahren verpflichtet werden soll. Die Stahlhersteller gehören zu den großen Emittenten des klimaschädlichen Gases. Salzgitter Flachstahl stößt pro Jahr acht Millionen Tonnen CO2 aus.

Das soll sich ändern. Seit 2014 forscht die Salzgitter AG mit Fraunhofer-Instituten in dem Projekt Salcos („Salzgitter Low CO2 Steelmaking“) an Verfahren zur CO2-armen Stahlherstellung. Im Juni will sich Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) nun bei der EU für eine finanzielle Förderung zur Umsetzung des Projekts stark machen, wie ein Sprecher auf Anfrage am Freitag mitteilte.

Bei der emissionsarmen Stahlproduktion soll Koks künftig durch Wasserstoff ersetzt werden. Statt Treibhausgas entsteht so bei der Eisenerz-Reduktion Wasser. Der Produktionsprozess macht auch die Hochöfen überflüssig: Sie werden durch Direktreduktionsanlagen und Elektrolichtbogenöfen ersetzt. Ökologisch sinnvoll ist die Umsetzung von Salcos, wenn auch die Herstellung von Wasserstoff und der Betrieb der Anlagen auf regenerativen Energien beruht – denn die Eisenherstellung in diesem Verfahren ist um ein Vielfaches stromintensiver als die im Hochofen.

Salzgitter will in einem ersten Schritt bis 2025 einen ihrer Hochöfen ersetzen und dadurch rund 25 Prozent Kohlendioxid einsparen. Bis 2050 könnte der CO2-Ausstoß um bis zu 95 Prozent reduziert werden. „Wir machen der Politik hier ein sehr konkretes Angebot“, sagte Heinz Jörg Fuhrmann, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG, am Rande der Hannover-Messe. Man wolle zeigen, dass die Dekarbonisierung möglich sei. „Die politischen Rahmenbedingungen sind aber schlecht“, so Fuhrmann. Ohne politische Unterstützung sei Salcos nicht umsetzbar.

Für einen ersten Umbau des Hüttenwerks veranschlagt der Stahlhersteller 1,25 Milliarden Euro. Mehrere Hundert Millionen Euro sollen, wenn es nach der Salzgitter AG geht, durch Förderprogramme finanziert werden. „Was wir erwarten, ist realistisch“, sagte Fuhrmann. Gespräche würden mit der EU, dem Bund und der Landesregierung geführt. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte: „Das Land ist bestrebt, das Unternehmen bei seiner zukunftsweisenden Umstellung des Produktionsprozesses zu unterstützen.“ Die Höhe des Förderbedarfes sei aber nur durch ein gemeinsames Vorgehen von EU, Bund und Land zu stemmen.

Neben der Anschubfinanzierung fordert der zweitgrößte Stahlhersteller Deutschlands zudem eine Befreiung von der EEG-Umlage. Die stromintensivere Produktion auf Wasserstoff-Basis würde auch die Stromkosten für den Hersteller massiv in die Höhe treiben. Nur mit einer Befreiung könne der Konzern wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt produzieren, heißt es aus Salzgitter. Fuhrmann betonte, dass es eindeutig nicht um eine Subvention des laufenden Betriebs gehe. „Das ist auf Dauer nicht gut“, so der Stahl-Chef. Eine Reduzierung der Umlage hält das Wirtschaftsministerium für „sinnvoll und erforderlich“, wie es mitteilte.

Neben der Salzgitter AG haben auch der deutsche Branchenführer Thyssenkrupp sowie Arcelor-Mittal das Ziel, auf Sicht Koks durch Wasserstoff zu ersetzen. Thyssenkrupp setzt mit dem Projekt „Carbon 2 Chem“ außerdem auf die Weiterverarbeitung von CO2-Emissionen als Wertstoff, während Salzgitter von Beginn an CO2 vermeiden will. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl fordert angesichts der Anstrengungen der Hersteller für die gesamte Branche „fundamentale Veränderungen“ der politischen Rahmenbedingungen. „Eine CO2-neutrale Wirtschaft in 2050 setzt in der Primärstahlerzeugung einen massiven Umbruch in der Produktionsweise und zum Teil bahnbrechende Innovationen voraus“, begründete das ein Sprecher.

Salzgitter-AG-Chef Fuhrmann sieht seinen Konzern als „Pionier“ der Branche. „Ich bin überzeugt: Unser Konzept ist das beste.“