Wolfsburg. Der Golf 8 ist ein Hoffnungsträger. Das Auto soll mit digitaler Technik Maßstäbe setzen. Doch die zickt mitunter.

Die Erwartungen an den Golf 8 sind in der Wolfsburger VW-Zentrale groß. Das Brot-und-Butter-Auto, VW spricht selbst vom „Herz der Marke“, soll die Kunden begeistern und schnell kräftig Geld einfahren. Die Mittel benötigt der Autobauer dringend für seine Investitionen in die Elektro-Mobilität.

Auch wenn der Golf seit 45 Jahren ein Kassenschlager ist, der Erfolg der jüngsten Generation, die im Oktober in Wolfsburg präsentiert werden soll, ist nicht garantiert. Die Zeiten haben sich geändert. Der Golf konkurriert nicht nur mit Kompakt-Modellen anderer Hersteller, sondern insbesondere mit dem weltweit schnell wachsenden SUV-Segment. Damit der Golf dennoch eine große Käuferschar findet, rüstet ihn Volkswagen mit digitalen Anwendungen auf. So soll er zum Maßstab der nach ihm benannten Fahrzeugklasse werden. Zu den Preisen äußert sich VW jedoch noch nicht.

Diese technische Aufrüstung ist alles andere als banal. Denn die verschiedenen Anwendungen laufen nicht mehr parallel neben einander her, sondern alles kommuniziert mit allem, wie ein VW-Techniker am Donnerstag in Wolfsburg erläuterte. Hinzu kommt die Anbindung ans Internet.

Folgendes Beispiel zeigt, was gemeint ist: Für den Golf 8 soll es einen digitalen Schlüssel geben. Das ist eine App, über die das Auto geöffnet werden kann. Damit das nach Betätigung des digitalen Schlüssels fahrbereit ist, genügt es nicht, nur das Türschloss zu entriegeln. Gleichzeitig müssen unter anderem die Wegfahrsperre, das Infotainmentsystem und die Anzeige im Cockpit freigegeben und aktiviert werden. Unterschiedliche Systeme müssen also Daten austauschen –kommunizieren – und zuverlässig funktionieren.

Der Golf 8 soll jünger und dynamischer auftreten als sein Vorgänger.
Der Golf 8 soll jünger und dynamischer auftreten als sein Vorgänger. © VW

Aktuell sind die Entwickler dabei, die Funktionen zu sichern und den Produktionsanlauf vorzubereiten. Es ist der letzte Entwicklungsschritt vor dem Produktionsstart. In Tausenden von Testläufen im Labor und auf der Straße werden Fehler identifiziert und behoben. Der Fehlerabbau in der Elektronik wird über den sogenannten Ticket-Management-Prozess gesteuert – Tickets sind Auffälligkeiten oder Fehler. Nach VW-Angaben werden – über alle Fahrzeugprojekte gerechnet – in der Entwicklung jährlich etwa 125.000 Tickets bearbeitet.

Viel zu tun also für die Techniker. In der Entwicklung in der Wolfsburger Zentrale beschäftigt VW 11.000 Mitarbeiter, 1500 davon in der Elektronik-Entwicklung. Der Autobauer lässt offen, wie viele von ihnen am Golf 8 arbeiten. Wegen der technischen Dichte – nicht nur bei den digitalen Anwendungen – im neuen Golf und des Zeitdrucks bis zur Markteinführung können die vielen Entwicklungsarbeiten nicht nacheinander erledigt werden, sondern müssen parallel erfolgen. Dabei werden die Zulieferer einbezogen. Hinzu kommt, dass der Golf in der Entwicklung kein Einzelkind ist. Allein im vergangenen Jahr brachte es die Marke VW nach eigenen Angaben weltweit auf 22 Produktanläufe, die alle in Wolfsburg vorbereitet wurden. Zudem kümmern sich die Entwickler um weitere Fahrzeugprojekte, die das Unternehmen auf durchschnittlich 120 im Jahr beziffert.

Mehr Technik, ganz neue Technik, mehr Projekte, mehr neue Modelle – das sorgt nicht gerade für Langeweile bei den Entwicklern. Zuletzt war sogar von großen Problemen beim Golf 8 zu hören. Dies vor allem in Zusammenhang mit der Fahrzeug-IT, deren Vernetzung im Auto deutlich aufwendiger sei als angenommen. Die steigende Zahl paralleler Fahrzeugprojekte sorge zudem für personelle Engpässe, zumal 350 Planstellen nicht besetzt sein sollen. Schon lange ist VW bestrebt, die Zahl der Software-Experten aufzustocken. Zudem werden eigene Mitarbeiter für neue Aufgaben umgeschult. Bisher genügen die Anstrengungen aber nicht.

Am Donnerstag wollten Vertreter des Autobauers aber nichts von möglichen Verzögerungen beim Golf 8 wissen. Man sei „voll im Plan“ – das gelte für die Zeitschiene, auch alle digitalen Anwendungen sollen von Anfang an geordert werden können. Wie seit Jahren geplant, solle die Produktion des neuen Golf im dritten Quartal starten, die Weltpremiere im Oktober in Wolfsburg folgen. Die Markteinführung ist für Ende des Jahres vorgesehen.

Das „voll im Plan“ basiert allerdings auf bereits korrigierten Zielen. So bestätigte VW jüngst, dass die Anlaufkurve für den neuen Golf „etwas abgeflacht“ worden sei. Soll heißen, es werden in diesem Jahr zunächst weniger Autos gebaut als ursprünglich vorgesehen. VW nennt die Zahl von mehr als 10.000 Fahrzeugen, ohne jedoch die Ursprungsplanung preiszugeben.

Auch wenn es möglich sein soll, alle digitalen Ausstattungsvarianten von Anfang an zu bestellen, wird es in der Anfangsphase Abstufungen geben. So müssen Kunden damit rechnen, dass sich die Wartezeit auf das neue Auto je nach digitaler Ausstattung verlängern kann.

Bei Motorvarianten ist dies übrigens ein durchaus üblicher Vorgang – bei sehr vielen Modellen unterschiedlicher Hersteller werden nicht von Anfang an alle Aggregate angeboten. Stattdessen wächst die Motorenfamilie mit der Zeit. Das gilt auch für den Golf 8, der zunächst mit einem 1,5-Liter-Benziner, einem 2-Liter-Diesel und einem kleinen Hybridantrieb zu den Händlern kommt. Im nächsten Jahr sollen dann stärkere Maschinen folgen. Dann wird sich auch zeigen, ob das Auto die mit ihm verbundenen Hoffnungen erfüllt.