Wolfsburg. Die Daten aller Maschinen, Anlagen und Systeme aus den 122 Fabriken des Konzerns sollen zusammengeführt werden. So sollen die Kosten sinken.

Bei VW wird es noch „wolkiger“. Damit ist jedoch keineswegs die jüngste Schlechtwetterfront zwischen Betriebsrat und Vorstand gemeint. Vielmehr geht es um eine Cloud, eine „Datenwolke“, die der Autobauer gemeinsam mit der Amazon-Tochter Amazon Web-Services aufbauen will. In der Cloud sollen alle Daten der Maschinen, Anlagen und Systeme aus den 122 Fabriken des Konzerns zusammengeführt werden. Das teilte Volkswagen am Mittwoch mit. So sollen die Fabriken schneller, produktiver und damit günstiger werden. Ende des Jahres sollen erste Funktionen verfügbar sein.

Bereits im Februar hatten die Wolfsburger angekündigt, gemeinsam mit dem US-Software-Konzern Microsoft ebenfalls eine Cloud zu entwickeln. Allerdings soll sie nicht Produktionsdaten sammeln. Stattdessen sollen die Käufer von VW-Modellen aus dieser „Datenwolke“ digitale Mobilitäts-Dienstleistungen abrufen können. Im Mittelpunkt steht also die vollständige Anbindung des Autos ans Internet.

Die Bündelung der Produktionsdaten in der neuen VW-Amazon-Cloud soll nach Angaben des Autobauers unter anderem Produktionsplanung und Lagerhaltung in allen Standorten rund um den Globus vereinheitlichen und verknüpfen. Das ist laut VW bisher nicht gegeben. Mit Unterstützung der neuen Cloud sollen Materialflüsse, Maschinen und Anlagen künftig besser gesteuert werden. Ein weiteres Ziel: Lieferengpässe und Störungen der Produktion sollen früher erkannt und korrigiert werden können. Außerdem soll der vereinfachte Datenaustausch zwischen den Standorten dafür sorgen, dass neue Technik schneller in den Fabriken eingesetzt werden kann. Als Beispiele nannte VW unter anderem intelligente Roboter und IT-Sicherheit für Anlagen.

Die neue Cloud will Volkswagen für Zulieferer, für andere Mobilitätsunternehmen und perspektivisch sogar für andere Autobauer öffnen. Langfristig soll nach Angaben der Wolfsburger die gesamte Lieferkette des Konzerns mit 1500 Zulieferern und Partnerbetrieben eingebunden werden. Dagegen dürfte sich die Öffnung der Cloud für anderer Fahrzeug-Hersteller nur auf konkrete gemeinsame Projekte beziehen.

Nach Einschätzung von Professor Stefan Bratzel, der das Auto-Institut in Bergisch Gladbach leitet, bietet der Aufbau der Cloud große Chancen, die Wirtschaftlichkeit der Fabriken zu verbessern. Zudem sei eine Cloud erforderlich, um die riesigen Datensätze, die zum Beispiel für den zunehmenden Einsatz künstlicher Intelligenz erforderlich sind, mit speziellen Algorithmen effizient zu steuern. Die Zusammenarbeit mit der Tochter des US-Online-Versandriesen Amazon sei konsequent, weil das Unternehmen auf Cloud-Dienstleistungen spezialisiert sei. „Der Aufbau wird aber nicht von heute auf morgen gelingen, sondern Jahre dauern“, sagte Bratzel unserer Zeitung.

Die Öffnung der „Datenwolke“ erlaube es Volkswagen, verschiedene strategische Ziele zu verfolgen. „Zulieferer können stärker eingebunden, kontrolliert und sogar dirigiert werden“, sagte der Autoexperte. Zudem biete sich die Chance, die Datenverwaltung in der Cloud als neuen Standard der Branche zu etablieren. Wenn ihn auch andere Hersteller und damit weitere Zulieferer nutzten, könnten weitere Kostenvorteile entstehen. Bratzel nannte noch einen weiteren Aspekt: Die Öffnung der Cloud biete der Amazon-Tochter Amazon Web-Services ein breites, womöglich wachsendes Spektrum möglicher neuer Kunden. VW wäre damit eine Art Türöffner. Diesen Aspekt könne der Autobauer bei den Preisverhandlungen mit Amazon als Hebel einsetzen.

Laut Bratzel sind die Daten in der VW-Amazon-Cloud sicherer, als wenn der Autobauer mit einem chinesischen Partner zusammenarbeiten würde. „Amazon kann es sich nicht leisten, bei der Datensicherheit Abstriche zu machen – schließlich ist sie die Geschäftsgrundlage“, sagte er.

Aus seiner Sicht gibt es noch einen positiven Nebeneffekt: Angesichts der angespannten Großwetterlage zwischen Deutschland und den USA könne die Zusammenarbeit von VW mit einem weiteren US-Unternehmen etwas Entspannung bringen. Am VW-Himmel würde dann also eine Wolke weniger vorbeiziehen.