Wolfsburg. Unternehmen und Berufsrückkehrerinnen haben sieben Minuten Zeit, sich kennenzulernen. Die Allianz für die Region ist zufrieden mit der Resonanz.

Miriam Ziemann ist hoch qualifiziert. Die 34-Jährige hat Bankkauffrau gelernt, ein Bachelorstudium in Business Administration daraufgesetzt und darf sich zudem Immobilien-Ökonomin nennen. Zuletzt arbeitete sie für einen Konzern der Gesundheitsbranche im Bereich Treasury, steuerte also die Liquidität des Unternehmens. Die Hamburgerin zog vergangenes Jahr nach Braunschweig, ihrem Mann hinterher, der hier einen neuen Job angefangen hatte. Ziemann ist Mutter zweier Kinder und sagt: „Ich habe etwas zu bieten, ich habe wieder Zeit, ich könnte loslegen.“ Bis jetzt allerdings seien ihre Bewerbungen ins Leere gelaufen.

Britta Steinkamp, Projektleiterin“ Fachkräftepotenzial Stille Reserve“ bei der Allianz für die Region.
Britta Steinkamp, Projektleiterin“ Fachkräftepotenzial Stille Reserve“ bei der Allianz für die Region. © Hannah Schmitz

Das Projekt „Fachkräftepotenzial Stille Reserve“ der Allianz für die Region hat am Montag im Rahmen ihrer Kampagne „Motivation W“ ein Speed-Dating zwischen elf Unternehmen und rund 40 Frauen, die wieder in den Beruf zurückkehren wollen, initiiert. „Die Mehrheit der Frauen hat ein Studium absolviert, sie sind gut ausgebildet und motiviert“, beschreibt Britta Steinkamp, Projektleiterin bei der Allianz für die Region, die Teilnehmerinnen. Mütter, die wieder in Teilzeit arbeiten wollen, haben es offenbar dennoch schwer. Ziemann sagt: „Ich merke schon, dass ich nur 30 Stunden arbeiten will und Mutter zweier Kinder bin, kommt nicht so gut an.“ Wiedereinsteigerinnen, sagte Projektleiterin Steinkamp, seien bisher eine viel zu wenig genutzte Zielgruppe von Unternehmen.

Die Firma Betrandt aus Tappenbeck ist die einzige aus der Ingenieursbranche, die an dem Speed-Dating teilnimmt. Personalreferent Eike Fromhage ist von dem Konzept, Frauen bei der Rückkehr in die Arbeitswelt zu unterstützen, überzeugt. Er sieht aber auch auf Unternehmensseite Handlungsbedarf: „Teilzeit ist in vielen Bereichen möglich, bei neuen Arbeitszeitmodelle muss man intern aber auch Aufklärungsarbeit leisten“, sagt er. Das Interesse am Unternehmen Bertrandt ist jedenfalls riesig: „Wir hatten keine freie Minute“, sagt seine Kollegin Anastasia Huber. Jede Bewerberin hatte laut Plan jeweils sieben Minuten Zeit, um sich bei vier verschiedenen Unternehmen vorzustellen. „Wir haben aber auch länger mit ihnen gesprochen“, sagt Huber. Sie haben zwölf Bewerbungsmappen erhalten. Fromhage sagt: „Da waren viele Gespräche dabei, bei denen ich die Person weiterempfehlen würde.“

Das Klinikum Braunschweig ist neben der Awo und der Lebenshilfe Gifhorn eines der Unternehmen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich, das sich beim Speed-Dating vorstellte. Die Personalerinnen Diana Zergiebel und Lisa Kuhmann sowie die Gleichstellungsbeauftragte Andrea Koch sind ganz begeistert vom Format der Veranstaltung und den Bewerberinnen. „Die waren sehr gut vorbereitet, hoch qualifiziert, teilweise sogar sehr spezialisiert“, sagt Koch. Das Klinikum biete eine Bandbreite von Berufen und sei immer auf der Suche nach Fachkräften. „Bei der einen oder anderen freuen wir uns auf ihre Bewerbung“, sagt Koch.

Die öffentliche Versicherung sucht vor allem Finanzdienstleistungsberaterinnen für den Vertrieb oder Assistentinnen für Geschäftsstellen. „Es ist schwierig, dafür geeignetes Personal zu bekommen“, sagt Personalreferent Torben Vasterling. Er glaubt aber: „Zum Wiedereinstieg in den Beruf ist das genau das Richtige. Die Weiterbildungen finden freitagnachmittags und samstagvormittags statt, die Arbeit als Assistenz ist halbtags möglich.“

Naouraz Yacoubi Mbarbi, 36, macht zurzeit eine Ausbildung als „Stadtteilmutter“ in Wolfsburg, die Frauen mit ausländischen Wurzeln den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern soll. Yacoubi Mbarbi ist in Wolfsburg geboren, kehrte dann mit ihren Eltern allerdings im Kindesalter nach Tunesien zurück, 2011 kam sie wieder her. Die Mutter zweier Kinder möchte vor allem der Sprache wegen in einen Beruf. „Jetzt habe ich das Sprachniveau B 1“, sagt sie. Den Bereich Altenpflege kann sie sich gut vorstellen, aber auch das Gespräch mit der Firma N@twork, die beim Speed-Dating den Bereich mobile Hilfsdienste vorstellt, fand sie sehr interessant. Ihr Sohn geht nun in den Kindergarten, ihre Tochter bereits in die Schule. „Jetzt möchte ich gerne arbeiten“, sagt sie.

Bei der Bankkauffrau Ziemann endet bald die zweite Elternzeit. Im Vergleich zu Hamburg gibt es in der Region Braunschweig weniger Stellenangebote im Finanzbereich, sagt sie. Dass sie bisher noch kein zustimmendes Feedback auf Ihre Bewerbungen erhalten hat, enttäuscht sie. „Ich dachte, wenn man gewisse Qualifikationen mitbringt, passiert das nicht. Aber letztendlich ist es doch schwierig“, resümiert Ziemann. Sie fühlt sich genauso, wie das Projekt heißt: Als stille Reserve. Die gerne loslegen möchte. „Ich hatte das Gefühl, die Allianz für die Region realisiert und thematisiert hier mein Problem. Ich finde gut, was sie hier organisieren und hoffe,d as wird noch eine größere Nummer.“

Eine Folgeveranstaltung ist laut Projektleiterin Steinkamp allerdings erst einmal nicht geplant – denn das Förderprojekt „Fachkräftepotenzial Stille Reserve“ endet nach zwei Jahren im Juni – und damit auch die Finanzierung solcher Veranstaltungen.