Wolfsburg. Auf der Jahres-Pressekonferenz formuliert der VW-Chef klare Ziele. Im Konflikt mit Betriebsratschef Osterloh setzt er auf Beschwichtigung.

Das Verhältnis zwischen VW-Chef Herbert Diess und dem Betriebsratsvorsitzenden des Autobauers, Bernd Osterloh, wird wohl ganz speziell bleiben. In der Vergangenheit waren die beiden VW-Alphatiere schon mehrfach aneinandergeraten. Nach längerer Pause knallte es nun in der vergangenen Woche erneut. Da war es nur logisch, dass der Konflikt ein Thema der Jahrespresse-Konferenz des VW-Konzerns am Dienstag in Wolfsburg war.

Zwar kam die erste Attacke von VW-Großaktionär und -Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Porsche. Der hatte in der vergangenen Woche auf dem Autosalon in Genf verkrustete Strukturen bei VW beklagt. Seine Aussage zielte gegen den Betriebsrat. Der war wenig erfreut, was kaum überrascht. Doch Osterloh antwortete nach einigen Tagen Bedenkzeit nicht Porsche, sondern drehte den Spieß um und übte scharfe Kritik am VW-Management, das verantwortlich sei für die von Porsche beanstandeten Punkte. Gemeint war auch Diess.

Ein Punkt auf Osterlohs Mängelliste: Die Umstellung auf das neue Verbrauchs- und Abgasprüfverfahren WLTP im vergangenen Jahr sei vom Management schlecht vorbereitet gewesen und habe dem Autobauer mindestens eine Milliarde Euro gekostet. Eine Summe, die Finanzvorstand Frank Witter am Dienstag bestätigte.

Auf der Jahrespresse-Konferenz in Wolfsburg verzichtete Diess auf das weitere Anheizen des Konflikts und setzte stattdessen auf Beschwichtigung. „Wir haben WLTP nicht optimal hinbekommen“, räumte der Konzernchef ein. Als Lehre daraus seien die interne Organisation neu ausgerichtet und zusätzliche Kapazitäten aufgebaut worden. Den Betriebsratschef bezeichnete Diess als „emotional, manchmal spontan“, daher sei er mitunter schwer zu berechnen.

Der Konzernchef bescheinigte Osterloh aber auch, das Unternehmen wie kaum ein anderer zu kennen und damit auch die Schwächen des Autobauers. Außerdem denke Osterloh unternehmerisch, daher sei der Austausch mit ihm bereichernd.

Inzwischen habe er mit dem Betriebsratschef ein Gespräch geführt, das konstruktiv gewesen sei, sagte Diess. Beigelegt ist der Konflikt nach Informationen unserer Zeitung damit aber bei weitem nicht. Es handelt sich wohl also allenfalls um eine erste Annäherung.

Zumal wieder einmal viel auf dem Spiel steht: die Zukunft der Arbeitsplätze bei VW. Absehbar ist, dass der Autobauer seine Belegschaft in Deutschland abschmelzen wird. Ein Grund dafür ist die Umstellung auf die Elektro-Mobilität. Wie Diess verdeutlichte, kann ein E-Auto mit 30 Prozent weniger Aufwand produziert werden.

Betriebsbedingte Kündigungen „kein Thema“

„Das ist eine herausfordernde Situation, es geht um Abbau, nicht um den Aufbau“, sagte er. „Wir müssen das konstruktiv lösen.“ Diess und später auch Finanzvorstand Witter betonten, dass betriebsbedingte Kündigungen aktuell kein Thema seien. Dafür sorgt einerseits die Beschäftigungssicherung für die deutschen Werke bis 2025. Zudem werde VW Instrumente wie die Altersteilzeit nutzen, sagte Witter. „Wir haben genügend Zeit, das über die demografische Kurve hinzubekommen. Wichtig ist, dass wir uns frühzeitig der Herausforderung stellen.“

Diess würdigte, dass es bei der Marke VW Fortschritte „bei der Begrenzung der Fixkosten“ gebe. Die Marke habe sogar ihr Renditeziel von 6 Prozent auf 2022 vorgezogen. Gleichzeitig betonte er, dass der Nachholbedarf bei der Kernmarke groß sei: in der Verwaltung, in der Produktion und in der Entwicklung. Was allerdings verwundert: Trotz der Erkenntnis im Vorstand, dass Personal abgeschmolzen werden muss, hat der Autobauer die Belegschaft in den westdeutschen VW-Werken einschließlich der zum Konzern gehörenden Stellen im vergangenen Jahr um knapp 2000 Mitarbeiter aufgestockt – von 117.420 im Jahr 2017 auf nun 119.394. Das geht aus dem Geschäftsbericht für das vergangene Jahr hervor.

Wie schon bei vielen Veranstaltungen zuvor, etwa beim Autosalon in Genf, dominierte das Thema E-Mobilität auch die Jahrespresse-Konferenz in Wolfsburg. Diess kündigte an, dass der Anteil der E-Fahrzeuge in der Konzernflotte bis 2030 in China und Europa auf 40 Prozent steigen soll. Diese Strategie werde durch die Zusammenarbeit mit den Batteriezellen-Lieferanten LG Chem, SKI, CATL und Samsung abgesichert. Die Batteriesysteme für die E-Autos werden unter anderem im Werk Braunschweig produziert. Besondere Bedeutung erhalte zudem die Pilotanlage für die Zellfertigung in Salzgitter, weil VW die Batterietechnik zu einer Schlüsselkompetenz ausbauen wolle.

18 Werke sollen weltweit E-Autos produzieren

Bis 2022 sollen laut Diess weltweit in 18 Werken E-Autos gebaut werden. Mit den Fabriken Zwickau, Emden und Hannover entstehe der größte E-Auto-Produktionsverbund in Europa. Weil China der Pioniermarkt für die E-Mobilität sei, biete sich VW die Chance, dort die starke Marktposition auszubauen.

Trotz aller Anstrengungen des Unternehmens fehlten für den Durchbruch der E-Mobilität noch zentrale Voraussetzungen, sagte der Konzernchef. Als Beispiele nannte er das Anrecht, private Ladestationen installieren zu können, Fahrspuren für E-Autos, Parkplätze, mehr Ladestellen und auch steuerliche Sicherheit. Das sei Aufgabe der Politik. Diess: „Lassen Sie uns aufhören zu kritisieren und zu diskutieren. Lassen Sie uns den anstehenden Wandel gemeinsam angehen.“

Einmal mehr betonte Diess, dass es für VW dringend erforderlich sei, schneller eigene Software-Kompetenz aufzubauen. Künftig würden 90 Prozent der Innovationen im Auto auf Software beruhen. Perspektivisch müsse jeder zweite Entwickler ein Software-Spezialist sein, sagte er. Die aktuelle Vernetzung der Steuergeräte im Auto sei viel zu komplex, das zeige sich etwa beim Golf 8, der in der zweiten Jahreshälfte vorgestellt werden soll. Nach Angaben des Konzernchefs sollen die aktuell 70 Steuergeräte in drei Rechnern im Auto gebündelt werden. Schon häufen sich hinter vorgehaltener Hand die Stimmen, dass die bordinterne Vernetzung im Golf 8 sogar so anspruchsvoll ist, dass der geplante Produktionsanlauf in der zweiten Jahreshälfte ordentlich rumpeln dürfte.

So sehr Volkswagen den Blick in die Zukunft richtet, die Schatten der Vergangenheit werden das Unternehmen weiter begleiten. Dazu gehört die Aufarbeitung des Abgas-Betrugs. Die Eventualverbindlichkeiten erhöhten sich im vergangenen Jahr um 1,1 Milliarden auf 5,4 Milliarden Euro, wie der Geschäftsbericht ausweist. Davon entfallen 3,4 Milliarden Euro auf Anlegerklagen. Eine weitere Folge des Abgas-Skandals ist der Kulturwandel, den sich das Unternehmen selbst verordnet hat. „Wir brauchen eine Kultur, in der Rechtschaffenheit und der offene Umgang mit Fehlern und Problemen im gesamten Unternehmen selbstverständlich sind“, sagte Diess.

Verblasst ist hingegen eine Tradition früherer Jahres-Pressekonferenzen. Wurde damals von Konzernchefs die Leistung der Mitarbeiter besonders hervorgehoben, fiel der Dank nun spärlich aus. Dass all die anstehenden Veränderungen die Mitarbeiter vor große Herausforderungen stellen, ist Diess aber bewusst. „Wir sind strategisch besser aufgestellt als viele Wettbewerber“, versuchte er, Mut zu machen, unterstrich aber auch: „Es gibt keine Alternative zum extremen Veränderungsplan.“