Braunschweig. Der Blick unseres Chefredakteurs Armin Maus auf diese Woche.

„Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ Paul Watzlawick

Und da heißt es immer, neue Besen kehrten gut. Wir lernen am Beispiel der Ethik-Beauftragten Christine Hohmann-Dennhardt, dass es doch sehr auf Härte und Dichte des Borstenbesatzes ankommt. Scherzbolde kommentierten ihre Demission bei VW mit bösem Spott – ein Unternehmen, das Verbraucher täusche und das Recht breche, brauche ja nun auch wirklich keinen Vorstand für Ethik und Recht. In Wahrheit will und braucht Volkswagen genau dies sehr dringend und hat mit Hiltrud Werner sofort nachbesetzt.

Der Neuen sagt man nach, dass sie die Kunst des Verhandelns auf internationaler Bühne beherrscht und mit ihrem Umfeld pfleglich umgeht. Das, so sagen wiederum andere Spötter, sei dann ja auch mal schön. Wie wir hören, bewertete der größte Arbeitgeber der Region den Wert einer tragfähigen personellen Lösung höher als die Gefahr, die von einer Belebung der öffentlichen Diskussion ausgeht. Volkswagen braucht sich über einen Mangel an Kritikern ja nicht zu beklagen, sachlichen wie unsachlichen.

Da geht es dem großen Goslarer nicht besser. Sigmar Gabriel hat im Alleingang die Frage der Kanzlerkandidatur, des SPD-Vorsitzes und der Besetzung der Kabinettsposten für Wirtschaft und Äußeres entschieden. Das macht ihn zum effektivsten Politiker der Welt nach Donald „The Wall“ Trump. Gabriel hat im Gegensatz zum altbackenen neuen US-Präsidenten keinen Ulbricht’schen Mauerbau im Sinn, er schafft keine Krankenversicherung ab und bedroht auch keine Handelspartner mit vorgehaltener Zoll-Waffe. Er wollte einfach nur seine Partei glücklich machen.

Die SPD reagierte denn auch erleichtert, dass sich der irisierende und irritierende Vorsitzende selbst auswechselt. Offenkundig sind die Sozialdemokraten so erschüttert über ihren Verlust an Rückhalt (Niedersachsen ist ja schon so etwas wie das gelobte Land), dass ihnen die Abschaffung der innerparteilichen Demokratie als geringes Opfer erscheint. Wenn Herbert Wehner das noch erleben dürfte!

Was man mit Martin Schulz denn nun gewonnen habe, werden nun viele Sozialdemokraten gefragt. Die Antworten bewegen sich zwischen „Na, er ist halt nicht der Sigi“ und „Er ist nicht durch die Große Koalition belastet“. Da darf man sich vielleicht auch in diesen Zeiten des „Anything
Goes“ wundern. Denn auch wenn die SPD bei den Meinungsumfragen nicht davon profitiert: Sie hat mit Sigmar Gabriel in eben dieser GroKo mehr durchgesetzt als je ein Juniorpartner in irgendeiner Regierung der bundesdeutschen Geschichte. Dafür muss man sich nicht zwingend schämen. Und ob sich der innenpolitische Anfänger Schulz so viel besser in der Navigation des Tankers SPD bewährt als Gabriel in den langen Jahren seit 2009? Nach den Maßstäben der jüngeren SPD-Geschichte ist er mit dieser Amtszeit ein echter Langläufer. Immerhin: Martin Schulz ist als Redner eine Macht, verströmt dabei so viel Leidenschaft, dass man um seine Pumpe fürchtet. Er hat den Zungenschlag drauf, die der linksgestrickten Seele wohltun. Und er streitet sich ganz sicher nicht mit „Heute“- Frau Marietta Slomka. Wissen Sie noch, um was es bei Gabriels legendärem Live-Zwist ging? Ausgerechnet die SPD-Mitgliederbefragung!

Gabriel wäre nicht der erste Politiker, dem man mit zeitlichem Verzug nachweint. Man mag sich an seiner Wechselhaftigkeit stören oder an seinem hitzigen Temperament. Aber er ist und bleibt in der deutschen Politik ein Vertreter der seltensten Art: ein authentischer Typ, ein Mann mit Herz, Ecken, Scharten und Kanten.

Àpropos Ecken – die Dresdner Skandalrede von Björn Höcke hätte ja fast ein klein wenig seinen Verbleib in der AfD gefährdet. Aber dort scheint man die Brücke ins verfassungsfeindliche Milieu für wichtiger zu halten als die Glaubwürdigkeit der Partei bei genervten, frustrierten, enttäuschten Demokraten, die aber keine Sympathie für Sportpalast-Rhetorik und Geschichtsfälschung haben. Die AfD ist in ihrer Gesamtheit sicher keine Höcke-Partei, aber ihre Unfähigkeit zur Abgrenzung wird ihr noch zu schaffen machen. Bürgerliche Konservative, die gerade noch geneigt waren, sich über den Stachel im Fleisch einer abgehoben regierenden CDU zu freuen, müssten nun eigentlich mit Schaudern feststellen, dass die einzige demokratisch verantwortbare Alternative CSU heißt. Den Umzug nach Bayern wird es den wenigsten wert sein.

Iwan Krylow, der größte Fabeldichter Russlands, hat folgende schöne Zeilen gedichtet: „Ein dreckbeschmierter Besen kam einmal zu Ehren. Er soll nicht mehr die Küche kehren, der Herrschaft Kleider reinigen er soll. (Man sieht die Diener waren toll – und voll.) Mein Besen fährt mit Macht drauf los. Er reibt des Frackes Schöße voller Wut und schlägt, als ob er Roggen drösche, auf den Hut. Und seine Müh’ ist wahrlich groß. Nur schade, dass er selbst so schmierig und so fleckig: Je mehr er säubern will, je mehr das Tuch wird scheckig. Nun: Gleich großen Schaden wird es tun, wenn sich ein Narr befasst mit fremden Sachen und, was die Klugen tun, will besser machen.“

In diesem Jahr findet eine Bundestagswahl statt, und alle, die sich eine Vorhersage zutrauen, rechnen mit einem außergewöhnlich harten Wahlkampf. Er dürfte reichlich Gelegenheit bieten, die Verantwortungsbewussten von den Unverantwortlichen zu unterscheiden. Wo kommt der Besen her, der sich so forsch andient? Bei manchem lohnt die Mühe, sehr genau nachzusehen.