Atempause für die Lufthansa und ihre streikgeplagten Passagiere: Im Pilotenstreik hat jetzt das hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt die mittlerweile 13. Streikrunde per Rechtsurteil beendet. Für rund 140 000 Passagiere kam diese Entscheidung zu spät, ihre Flüge fielen aus.

Weshalb war der Streik rechtswidrig?

Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) habe mit ihrem Streik Ziele verfolgt, die bei Verhandlungen über Tarifverträge gar nicht erreicht werden könnten, erläuterte der Vorsitzende Richter Michael Horcher seine überraschende einstweilige Verfügung. Knackpunkt für Horcher war vor allem die Forderung nach einem Stopp der Verlagerung von Arbeitsplätzen im Zuge des neuen Billigflieger-Konzepts Eurowings als Vorbedingung, um in die Gespräche zu den eigentlichen Tarifthemen einzusteigen. Es sei in diesem Einzelfall davon auszugehen, dass über das formelle Ziel hinaus auch für Mitbestimmung beim „Wings“-Konzept gestreikt werde, erklärte das Frankfurter Gericht. Dies sei kein tariflich regelbares Ziel. Beim Landesarbeitsgericht Köln wurde eine gleich gelagerte Berufung der Lufthansa-Tochter Germanwings zurückgezogen, nachdem die Entscheidung aus Frankfurt bekanntgeworden war.

Warum finden die Lufthansa und ihre Piloten nicht zueinander?

Lufthansa-Chef Carsten Spohr will sich nicht von einem kleinen Teil der Belegschaft in die Konzernstrategie hineinreden lassen. Seit seinem Amtsantritt im Mai 2014 verfolgt er das klare Ziel, neben der klassischen Premium-Lufthansa eine Billigschiene mit Eurowings aufzubauen. Unter dem gemeinsamen Markendach sollen unterschiedliche Betriebe aus dem Lufthansa-Konzernverbund zu möglichst niedrigen Kosten die Flüge abwickeln. Dies sei mit teuren, nach dem Konzerntarifvertrag (KTV) bezahlten Piloten nicht möglich. Die VC will wiederum verhindern, dass der Lufthansa-Kern und damit ihr Einfluss schrumpft.

Was hat die Pilotengewerkschaft als Kompromiss angeboten?

Um die Jobs im KTV und damit in Deutschland zu halten, ist Cockpit zu einem Gehaltsvergleich mit dem Billigflieger Easyjet bereit. Die Briten zahlen aber besser als Mitbewerber wie Ryanair. Bei Einrichtung einer Billiglohn-Linie verlangt die VC, dass die Piloten bei Beförderungen zwischen den Airlines wechseln können. Zugeständnisse hat die Gewerkschaft bei den Übergangsrenten im KTV gemacht: Die Piloten sollen im Schnitt mindestens 60 statt bislang 58 Jahre alt sein, wenn sie in den Vorruhestand gehen wollen. Offen sind Fragen zu Gehältern und Betriebsrenten. Den Wert ihrer Zugeständnisse beziffert die Gewerkschaft auf 500 Millionen Euro.

Warum reicht das der Lufthansa nicht?

Das 500-Millionen-Volumen sei nicht abgeklopft, sagt Chefpilot Werner Knorr. Die VC unterstellt Spohr, dass er die Gewerkschaftsmacht brechen will. Tatsächlich ist das Eurowings-Modell viel flexibler als eine mögliche Übereinkunft innerhalb des Konzerntarifs: Es bietet auch die Möglichkeit zur stufenweisen Integration kriselnder Airlines aus ganz Europa. Lufthansa will bei solchen Gelegenheiten eine aktive Rolle spielen. Spohr hat zudem das Beispiel Austrian Airlines (AUA) vor Augen, bei der durch zwischenzeitliche Verlagerung des Betriebs auf die Tochter Tyrolean bestehende Tarifverträge ausgehebelt wurden. AUA-Piloten sind die kostengünstigsten im ganzen Konzern und werden auch die ersten in Österreich angemeldeten Eurowings-Jets fliegen.

Wieso ist es bislang nicht zu einer Schlichtung gekommen?

Spohr hat der von der VC lange verlangten Gesamtschlichtung auf der Hauptversammlung öffentlichkeitswirksam zugesagt. Im Hintergrund lotete der Ex-Finanzminister Theo Waigel Positionen aus. Den Konflikt um Eurowings wollte Lufthansa nur in begleitenden Gesprächen behandeln – die VC verlangte vorab, die geplante Verlagerung von Jets und Jobs zumindest für die Zeit der Verhandlungen zu stoppen. Diese Verknüpfung von Managementfragen mit tariflichen Themen führte jetzt zu der Niederlage vor Gericht.