Vechelde. Awo-Heimleiter Anthony Starke beklagt den Fachkräftemangel. Friedrich-Wilhelm Wolters („Heinrich & Adele“) setzt auf kleine Einrichtungen.

Senioren, die sich im Bett wund liegen oder die wenig oder die falsche Dinge zu essen oder zu trinken bekommen – über Mängel in Senioren- und Pflegeheimen berichten die Medien deutschlandweit. Als eine Antwort auf diese erschütternden Zustände hat der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Pflege-Tüv auf den Weg gebracht. Doch wie bewerten die Akteure vor Ort in der Gemeinde Vechelde diesen Schritt – unsere Zeitung hat nachgefragt.

Die Pflege- und Seniorenheime künftig objektiv nach den Leistungen und der Qualität zu bewerten – das möchte Spahn mit dem neuen Prüfsystem erreichen: „Es schafft Transparenz und damit Vertrauen ins Pflegesystem.“ Bislang seien die Einrichtungen zu gut bewertet worden. Das soll anders werden, und zwar dadurch, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Versorgungsqualität der Heime überprüft – unter anderem indem er bei jeweils neun Bewohnern ermittelt, wie gut sie versorgt sind, und mit ihnen über die Heimzustände spricht.

Als einen guten Schritt sieht Anthony Starke den neuen Pflege-Tüv an, denn der bisherige habe Schwächen gehabt. „Das ist eine reine Dokumentation gewesen, die die Einrichtung teilweise sehr positiv dargestellt hat“, erinnert der Leiter des Vechelder Wohn- und Pflegeheims der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Die Stärken und Schwächen der Heime seien oft nicht wirklich erkennbar gewesen. Ein Punkt sei beispielsweise die Frage gewesen, welche Maßnahmen eine Einrichtung plane und welche sie bereits verwirklicht habe.

„Mit der Befragung von neun Heimbewohnern durch den MDK erfahren wir beim neuen Pflege-Tüv, wie zufrieden die Menschen tatsächlich sind“, stellt Starke zufrieden fest – der Einfluss der Bewohner steige erfreulicherweise. Dass sich der MDK im jeweiligen Heim einen Tag vorher ankündige, sieht der Heimleiter nicht kritisch: Denn bislang sei es so gewesen, dass „der MDK unangekündigt in der Einrichtung aufgetaucht ist und die Heimmitarbeiter, die eigentlich für die Bewohnerversorgung vorgesehen waren, alles stehen und liegen lassen mussten wegen der Kontrolle“. Starke: „Grundlegenende Mängel kann kein Heim in 24 Stunden beheben.“ Daher sei die vorherige Ankündigung in Ordnung.

Allerdings: „Den bundesweiten Pflegenotstand werden wir mit dem Pflege-Tüv nicht beheben“, macht Starke deutlich. Denn der Fachkräftemangel in der Pflege sei und bleibe eklatant. „Die Mitarbeiter, die die Pflege verlassen haben und die nun in anderen Branchen tätig sind, werden wir nicht wieder zurückgewinnen – das wäre Wunschdenken“, ist der Awo-Chef überzeugt. Ein Ausweg sei, wie bisher Mitarbeiter aus dem Ausland zu gewinnen.

Das Awo-Heim an der Sophientaler Straße in Vechelde hat 91 Bewohner und rund 70 Mitarbeiter. „Zurzeit haben wir damit alle unsere Stellen besetzt“, macht Starke deutlich. Aber in der Branche gebe es eine starke Fluktuation, und dann werde es mit den Wiederbesetzungen schwierig. „Zurzeit sind 8000 bis 10.000 Stellen in der Pflege bundesweit unbesetzt – wie Jens Spahn in Zukunft weitere 13.000 Stellen neu schaffen und besetzen will, ist mir unklar.“

Zwei Senioren-Wohngruppen in der Gemeinde – eine in Groß Gleidingen (25 Bewohner) und eine in Vechelde (fünf Bewohner) – leitet Friedrich-Wilhelm Wolters von „Heinrich & Adele“ – er sagt: „Ich bin froh, dass ich mit dem Pflege-Tüv nichts zu tun habe – wir haben ja Wohngruppen und kein Heim.“ Er sieht aber solche Prüfungen kritisch, denn „sie sind kontraproduktiv – es wird auch weiterhin Menschen geben, die mit Pflege- und Seniorenheimen nur Geld scheffeln wollen“. Wichtig sei hingegen, solche Einrichtungen „mit dem Herzen zu betreiben“. Und weiter: „In kleinen überschaubaren Einrichtungen können wir sehr viel besser auf die Befindlichkeiten der Bewohner eingehen als in großen.“ Wolters zufolge sei geplant, die Wohngruppe in Vechelde auf zehn Bewohner zu vergrößern.