Wahle. Der Werkseigentümer und Netzbetreiber Tennet investiert 25 Millionen Euro in Wahle, damit die Höchststromleitung nach Mecklar gebaut werden kann.

„Höchstspannung. Lebensgefahr“ ist auf den kleinen Schildern am mannshohen Maschendrahtzaun zu lesen, der das Umspannwerk Wahle umgibt. Und spannend ist auch die gewichtige Rolle dieser Anlage bei der bundesweiten Energiewende.

Beim Ortstermin auf dem 18,5 Hektar großen Gelände (rund 40 Fußballfelder) bekommen die Medienvertreter und Vertreter der Gemeinde Vechelde Dinge zu sehen, die die meisten Wahler noch nie aus der Nähe betrachtet haben dürften: Verschiedene Stahlkonstruktionen und zig Leitungen kennzeichnen das rund 40 Jahre alte Umspannwerk, das der Ausgangspunkt werden soll für die 230 Kilometer lange 380-Kilovolt-Leitung nach Mecklar in Hessen: Mit diesem eine Milliarde Euro teuren Mammutprojekt muss die Windenergie aus dem Norden in den Süden transportiert werden.

Zurück zum Wahler Umspannwerk: Bei der Betriebsbesichtigung herrscht Helmpflicht – und Regenschirmverbot. Bei Wind, erklärt Tennet-Referent Dr. Marco Bräuer, könnten die Schirme in die Leitungen geraten und das sei enorm gefährlich. Dieses Umspannwerk ist auch ein Hochsicherheitsbereich.

Zu feiern gibt es Zweierlei: Zum einen hat Tennet als Eigentümerin auf dem Areal des Umspannwerks die 380-Kilovolt-Schaltanlage für die Höchststromleitung nach Mecklar „komplett erneuert und erweitert“, führt Gesamtprojektleiter Jens Siegmann aus und zählt auf: Die elektrischen Komponenten der Schaltfelder – darunter verschiedene Schalter sowie Strom- und Spannungswandler – hat das Unternehmen neu errichtet, die Leitungsfelder für den ersten Bauabschnitt der Leitung (bis Lamspringe) und eine Kompensationsspule kamen neu hinzu. Fast fünf Jahre haben die 25 Millionen Euro teuren Arbeiten gedauert. Verzögerungen habe es unter anderem wegen des Hochwassers vor etwa zwei Jahren gegeben, bei dem „unsere Anlage abgesoffen ist“, erinnert der Projektleiter. Siegmann nennt weitere Zahlen: 25.000 Kubikmeter Erde sind für die Erneuerung/Erweiterung auf dem Werksgelände bewegt worden, dazu 45.000 Kubikmeter Schotter, 7000 Einzelfundamente und 200 Tonnen Stahl.

Zum anderen freut sich Tennet mit Hauptsitz in den Niederlanden über die Baugenehmigung für den ersten Abschnitt von Wahle nach Lamspringe – eine 56 Kilometer lange Strecke: Dieser Bereich wird (wie die gesamte Leitung) vor allem als Freileitung verlegt. Im nächsten Jahr will der Konzern im Mai mit dem Bau der Strommasten in Lamspringe und im Oktober am Wahler Umspannwerk beginnen. „2021 soll der erste Abschnitt fertiggestellt sein“, kündigt Siegmann an. Exakt 12,5 Kilometer im Bereich Baddecken (Kreis Wolfenbüttel) werden im ersten Abschnitt erdverkabelt – vorbereitende Arbeiten dazu soll es bereits im Oktober geben. Laut Tennet ist zwar noch eine Privatklage gegen den Bau der 380-Kilovolt-Leitung im ersten Abschnitt anhängig: Sie habe aber keine aufschiebende Wirkung.

In Wahle beklagen sie sich über das Summen aus dem Umspannwerk: Es stammt von den beiden Transformatoren und erschwert dort eine Unterhaltung sehr. Auch mit der Stromleitung Wahle-Mecklar werde es aber keine lauteren Geräusche geben, betont Stephan Schmidt aus dem Tennet-Serviceteam – eine Aussage, die Wahles Ortsbürgermeister Jörg Hollstamm gerne aufgenommen hat.

Nach den ersten Plänen hätte diese 230 Kilometer lange Leitung laut Tennet bereits 2015 in Betrieb gehen sollen, nun heißt das Ziel: Fertigstellung in 2024. Grund für die Verzögerungen seien unter anderem drei Gesetzesänderungen. Dennoch sei die Stromversorgung auch bei einem Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 in Deutschland sichergestellt, sagen Siegmann und Tennet-Pressesprecher Mathias Fischer. Notfalls würden eben insbesondere Gaskraftwerke, eventuell auch Kohlekraftwerke hinzugeschaltet.

Während die Stromleitung Südlink komplett erdverkabelt wird, geschieht dies bei Wahle-Mecklar nur in zwei Bereichen: bei Baddeckenstedt und Göttingen. „Beim Südlink haben wir Gleichstrom, da funktioniert Erdverkabelung einfacher“, sagt Fischer. Bei Wahle-Mecklar gehe es um Drehstrom/Wechselstrom, da sei das schon komplizierter. Im Vergleich zur Freileitung koste die Erdverkabel das „vier- bis siebenfache“, errechnet Siegmann. Nebenbei: Sämtliche Kosten für Stromleitungen zahlt der Stromkunde – über die Stromkosten.

Zahlen zu Wahle-Mecklar:

• 110 Masten im ersten Abschnit (Wahle-Lamspringe), 550 Masten auf der gesamten Strecke.

• Die Masten sind zwischen 40 und 80 Metern hoch (80 Meter etwa bei Waldüberspannungen), im Schnitt sind es 50 bis 60 Meter. Der Abstand zwischen den Masten beträgt 400 Meter.

• Landwirte erhalten eine einmalige Entschädigung, wenn ein Mast auf ihrem Feld steht. Möglich sind Extrazahlungen etwa bei Flurschäden.

Fragen zum Projekt Wahle-Mecklar beantwortet Tennet am Bürgertelefon unter (0561) 52997040. oder unter wahle-mecklar@tennet.eu per Mail.