Vechelde. Verwaltungschef Ralf Werner ist gegen eine komplette Abschaffung, jedoch könnte sich der Gemeinanteil erhöhen. Die BI lädt zur Infoveranstaltung.

Die Straßenausbaubeiträge – sie beschäftigen die Gemeinde Vechelde auch weiterhin. So lädt die Bürgerinitiative (BI) Vechelde „Weg mit der Strabs in Vechelde“ – Strabs steht für die Straßenausbaubeitragssatzung – die Bevölkerung am Montag zum Info-Abend ein. Das Ziel der BI lautet: Diese Satzung – und damit die Straßenausbaubeiträge/Anliegerbeiträge für Gemeindestraßen – komplett abzuschaffen. Vecheldes Bürgermeister Ralf Werner ist dagegen und ist überzeugt: „Viele Bürger sind über das Thema Ausbaubeiträge nicht umfassend informiert.“

So sieht die Rechtslage in Niedersachsen aus

In Niedersachsen werden aufgrund des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) von 1973 Straßenausbaubeiträge/Anliegerbeiträge erhoben. „Auch nach der angedachten Änderung des NKAG, die der Landtag vermutlich im Herbst beschließt, sollen diese Beiträge nicht abgeschafft werden, sie sollen weiterhin zulässig sein“, betont Werner. Für den Verwaltungschef ist das auch konsequent, denn bei einer Abschaffung dieser Beiträge müsste das Land die Einnahmeverluste der Kommunen in vollem Umfang übernehmen – „doch das kann das Land gar nicht aus finanziellen Gründen“, sagt Werner. Schließlich sei es dem Land beispielsweise zurzeit schon gar nicht möglich, den Kommunen die Einnahmeausfälle durch den Wegfall der Kindergartengebühren zu ersetzen. Werner ist zugleich Vorsitzender des Städte- und Gemeindebunds im Kreisverband Peine: Dass sich dieser Interessensverband auf Niedersachsenebene bei der Landesregierung für eine landesweite Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einsetzt bei gleichzeitiger 100-prozentiger Kostenübernahme durch das Land, daran glaubt Werner nicht - er sagt sogar: „Diese Beiträge sind ein über Jahrzehnte bewährtes Instrument zur Straßenausbaufinanzierung.“

Wie geht die Gemeinde bislang vor?

Jahr für Jahr gibt die Kommune mehr als 200.000 Euro für die Unterhaltung der Straßen aus, beispielsweise für das Flicken von Löchern in der Fahrbahn – alles Arbeiten, für die die Anlieger nichts zu zahlen haben, diese Ausgaben trägt alleine die Kommune. Allerdings: „Wir haben auch Straßen in unseren Ortschaften, die entweder gar keinen Unterbau haben oder einen Unterbau, der den heutigen Standards und Belastungen mit dem zunehmenden Verkehr nicht genügt“, erinnert Werner. Bei diesen Straßen sei es auch nicht mit einer reinen Unterhaltung ohne Anliegerbeteiligung getan. Vielmehr sei in diesen Fällen ein Komplettausbau (mitsamt neuem Unterbau) erforderlich mit Anliegerbeiträgen, jedoch befragt die Gemeinde dann vorher die Anwohner: „Wir haben in der Gemeinde noch nie eine Straße anliegerbeitragspflichtig ausgebaut, wenn die Mehrheit der Anwohner dagegen ist – und dabei soll es auch bleiben“, versichert Werner. Er nennt den Heisterkamp (Sierße), der nicht ausgebaut werde, weil es dafür keine Mehrheit gebe. „Der Wasserverband Peine verlegt dort seine Leitungen und macht die Straße dann wieder zu“, kündigt Werner an – dabei bleibe es, den Anliegern entstünden keine Kosten.

„Schon jetzt beteiligt sich die Gemeinde – also die Allgemeinheit – am anliegerbeitragspflichtigen Straßenausbau“, ruft der Bürgermeister in Erinnerung: „Es ist also schon jetzt nicht so, dass die Anlieger den Ausbau gänzlich selbst bezahlen müssen.“ Bei der Aufteilung der Ausbauausgaben werden Straßen in Kategorien eingeteilt nach dem Anteil der Fremdnutzung:

• Straßen mit überwiegend Durchgangsverkehr: Die Gemeinde zahlt bis zu 70 Prozent, den Rest die Anlieger. Dabei handelt es sich vor allem um Gemeindestraße als Ortsdurchfahrten, zum Beispiel die Hildesheimer Straße in Vechelde. Bei Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen als Ortsdurchfahrten haben die Anlieger nichts für die Fahrbahn, sondern – zusammen mit der Gemeinde – nur für Nebenanlagen (etwa Gehweg, Parkbuchten) Geld hinzulegen. Diese Regelung sieht der Gesetzgeber Werner zufolge für Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen so vor, weil „diese Straßen überwiegend für den überörtlichen Verkehr bestimmt sind“.

• Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr: Die Gemeinde zahlt bis zu 60 Prozent, den Rest die Anlieger – Beispiele sind die Bäckerstraße (Bodenstedt), die Bahnhofstraße (Groß Gleidingen) und die Weststraße (Vechelde).

• reine Anliegerstraße: Die Gemeinde zahlt bis zu 25 Prozent, den Rest die Anwohner – Beispiele sind die Danziger Straße (Vechelde) und Sack (Denstorf).

Über die „Horrorbeiträge“ für Anlieger, die in der Öffentlichkeit kursieren, ärgert sich Werner: „Durchschnittlich sind in den vergangenen Jahren in der Gemeinde Vechelde Anliegerbeiträge von 4650 Euro fällig geworden.“ Nur in Ausnahmefällen seien es fünfstellige Beiträge – „nie sind es 60.000 Euro gewesen, und auch noch nie 30.000 Euro“, ergänzt Werner. Zudem gibt es derzeit bereits die Möglichkeit, dass jeder Anlieger seinen Beitrag auch in drei zinslosen Raten zahlen könne.

Wie geht die Gemeinde künftig vor?

Der Vechelder Gemeinderat hat alle aktuellen Ausbauvorhaben ausgesetzt, um die gesetzliche Änderung des NKAG durch das Land abzuwarten – davon betroffen sind unter anderem Sack (Denstorf) und Kurze Straße (Bettmar). Der Entwurf, den das Land wohl im Herbst verabschiedet, sieht bei den Beiträgen Ratenzahlungen über einen langen Zeitraum vor sowie die Möglichkeit, den Gemeindeanteil zu erhöhen und damit den Anliegeranteil zu senken – diese Punkte enthält auch der SPD-Antrag, den der Gemeinderat nach dem Landtagsbeschluss noch in diesem Jahr sicherlich beschließen wird (die SPD hat dort die absolute Mehrheit).

Zulässig wäre zwar nach den Überlegungen des Landes auch eine Abschaffung der Anliegerbeiträge, wenn die jeweilige Kommune diese Einnahmeausfälle dann anders auffängt. „Das ist in Vechelde nur zu machen, wenn wir die Grundsteuer B von 390 auf 550 Prozentpunkte erhöhen“, ist Werner überzeugt – und spricht sich dagegen aus. Eine solche Anhebung bedeute ihm zufolge: „Die Eigentümer von Einfamilienhäusern müssten dann in unserer Gemeinde zwischen 30 und 600 Euro im Jahr mehr bezahlen.“ Werner glaubt, Mieter müssten dann sicherlich diese Steuererhöhung über höhere Mietnebenkosten finanzieren.

Wie schaffen es andere Kommunen, auf die Anliegerbeiträge zu verzichten? „Dazu kann ich nichts sagen, ich weiß aber, wie unser Haushalt aussieht“, antwortet Werner. Und dort sieht er nur drei Möglichkeiten: die Grundsteuer-Hebesätze zu erhöhen, an anderer Stelle zu sparen oder Kredite aufzunehmen, sich also zu verschulden. Die Gemeinde Hohenhameln verzichtet auf Straßenausbaubeiträge/Anliegerbeiträge, hat aber die Grundsteuer A (400 Prozentpunkte) und Grundsteuer B (380 Prozentpunkte) auf jeweils 570 Prozentpunkte erhöht. Sparen ist nur bei den freiwilligen Ausgaben möglich, nicht aber bei den Pflichtausgaben wie Grundschulen, Kindertagesstätten (Kitas) und Feuerwehr.

Grundsätzlich ist Werner gegen eine Grundsteuererhöhung zur Gegenfinanzierung der Anliegerbeiträge, weil dies „ungerecht“ sei: „Diejenigen, die in einem Neubaugebiet mit ihrem Erschließungsbeitrag ihre Straße finanziert haben, und diejenigen, die einen Anliegerbeitrag für einen Straßenausbau bezahlt haben, müssen mit der höheren Steuer zum Beispiel eine Straße in einem ganz anderen Ort bezahlen, die sie nie benutzen werden.“ Im Übrigen hätten diejenigen, die nun Ausbaubeiträge zu entrichten hatten, zumeist „noch nie für ihre Straße bezahlt“.

Sollte der SPD-Vorschlag beschlossene Sache werden und sich der Gemeindeanteil beim Straßenausbau zugunsten der Anlieger erhöhen, so „finanzieren wir das ohne Steuererhöhung und Kredite/Schulden“, ist Werner optimistisch, denn: „Die Mehrkosten für die Gemeinde werden dann längst nicht so hoch sein wie bei einer Abschaffung der Anliegerbeiträge.“ Die mittelfristige Finanzplanung der Gemeinde schlägt den beitragspflichtigen Ausbau von etwa 14 Straßen in den Jahren 2020 bis einschließlich 2022 vor. Sollte die Politik entsprechende Beschlüsse fassen, würde „das in diesem Zeitraum Anliegerbeiträge von etwa einer Million Euro bedeuten“, setzt Werner dazu. In Kürze beginnt der Ausbau der Weststraße in Vechelde – auf mehrheitlichen Wunsch der Anlieger: Diese Beiträge werden aber nach der neuen Landes-Rechtslage gemäß dem anstehenden Gemeinderatsbeschluss erhoben.

Dagegen bleibt die BI bei ihrer Forderung nach kompletter Abschaffung der Straßenausbaubeiträge – die Einnahmeausfälle sind vom Land (oder notfalls von der jeweiligen Kommune) zu übernehmen. Für Montag, 12. August, lädt sie um 19 Uhr in das Landhaus Verdi in Sierße zu einem Info-Abend ein: Zum Thema referiert Gisela Janßen, Vorsitzende des Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer-Vereins (HWG) Ilsede und Region Peine – eine These lautet dann: „Verkehrswege sind Teil der Infrastruktur in Niedersachsen – und damit ist es die Aufgabe des Landes, die Kosten dafür zu tragen.“