Sierße. SPD und CDU laden die Initiative (BI) zu Gesprächen in den Landtag ein. Die BI redet zudem offen über ihre Strategie.

Aufgeheizte Atmosphäre, es ist laut, immer wieder Zwischenrufe aus dem Publikum: Rund 200 Zuhörer sind zur Podiumsdiskussion mit den Landtagsabgeordneten über die (kommunalen) Straßenausbaubeiträge/Anliegerbeiträge nach Sierße gekommen – ein Thema, das nach wie vor die Wellen hochschlagen lässt.Wobei auch die von der SPD und CDU im Landtag vorgeschlagenen Neuregelungen der Ausbaubeiträge keineswegs zur Beruhigung beitragen – eher im Gegenteil. Denn die rot-schwarze Koalition in Hannover will auch künftig den Kommunen bei einer Abschaffung dieser Beiträge keine Kosten erstatten; vielmehr sollen die Kommunen selbst entscheiden, ob sie diese Abgaben erheben wollen und in welcher Höhe. „Ausbaubeiträge sind unsozial, weil sie den kleinen Hauseigentümer belasten, und sie sind ungerecht“, ärgert sich jedoch – stellvertretend für fast alle im Saal – ein Zuhörer aus Lengede. Ungerecht deshalb, weil andere die Straßen auch nutzen – aber nur die Anlieger für den Ausbau zu zahlen hätten. In Richtung Landtagsabgeordnete bekräftigt er – und dafür erhält er Beifall im Publikum –, das Land müsse niedersachsenweit die (kommunalen) Ausbaubeiträge abschaffen und diese Ausgaben aus dem Landesetat decken.Nicht bei allen Landtagsabgeordneten stößt der Lengeder aber auf Zustimmung. Am deutlichsten macht das Christoph Plett, CDU-Landtagsmitglied im Wahlkreis Peine (Landkreis ohne Vechelde und Lengede): Es sei nicht genug Geld da, um alle Wünsche – etwa den nach Abschaffung der (kommunalen) Ausbaubeiträge – zu erfüllen und gleichzeitig die Schuldenbremse zu verwirklichen. Letztlich, so Plett, setze die rot-schwarze Landesregierung andere Prioritäten (etwa elterngebührenfreier Kindertagesstättenbesuch). Buhrufe von Zuhörern.Überraschend vertritt Pletts CDU-Landtagskollege Oliver Schatta (Braunschweig-Süd/Vechelde) eine andere Linie: Er werde sich in seiner Fraktion für die landesweite Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einsetzen, da auch er sie für ungerecht halte, verspricht der Braunschweiger: „Es müsste für das Land möglich sein, das dafür benötigte Geld zu finden“, glaubt Schatta: „Ich werde meiner Landtagsfraktion erzählen, wie diese Veranstaltung in Sierße gelaufen ist.“ Ob er seine CDU-Kollegen überzeugen könne, sei eine andere Frage.Die SPD-Landtagsabgeordnete Annette Schütze (Braunschweig-Süd/Vechelde) verweist ebenfalls auf die rot-schwarzen Überlegungen, wonach das Land keine (kommunalen) Ausbaubeiträge übernehmen wolle. Immerhin sehe das Papier aber eine zinslose Ratenzahlung für die Anlieger über 20 Jahre vor – hämischer Beifall aus dem Publikum. Eine solche Ratenzahlung helfe niemanden, sondern belaste nur die nachfolgende Generationen, wenn sie die jeweiligen Häuser übernehme, lautet die Argumentation. Das, was Rot-Schwarz vorschlage, ist Annette Schütze zufolge aber noch nicht beschlossen: Auch sie werde die Bedenken aus Sierße in ihrer Fraktion vorbringen, dann gebe es eine Mehrheitsentscheidung. Ausdrücklich lädt die Braunschweigerin zudem BI-Vertreter zum Gespräch mit der SPD-Landtagsfraktion ein – ein Angebot, das auch Schatta für die CDU-Fraktion unterbreitet.Komfortabel ist hingegen die Position der FDP-Landtagsabgeordneten Susanne Schütz: Ihre Partei verlangt das Ende der (kommunalen) Straßenausbaubeiträge und die vollständige Übernahme der Ausgaben durch das Land. „Wir kämpfen für die Abschaffung dieser Beiträge, sind aber nur eine kleine Oppositionspartei“, macht die Braunschweigerin deutlich. Bravo-Rufe. Es gehe hier um 50 Millionen Euro pro Jahr, die aus dem Landeshaushalt zu finanzieren seien – und das sei auch möglich.Hier hakt Annette Schütze ein und meint, es seien „mindestens 150 Millionen Euro“ pro Jahr erforderlich. Bei mehr als 60 Milliarden Euro Schulden des Landes sei das aber nicht zu stemmen, ergänzt Plett. In diesem und nächsten Jahr seien im Landeshaushalt jedenfalls keine Ersatzzahlungen an die Kommunen wegen abgeschaffter Straßenausbaubeiträge eingeplant. Letztlich, so Plett, gehe es hier um eine kommunale Abgabe, für die die Kommunen zuständig seien – und nicht das Land. Nebenbei: Beim Ausbau von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen gibt es keine Anliegerbeiträge (für die Fahrbahn), nur bei Gemeindestraßen. Und weiter: Bayern habe die kommunalen Ausbaubeiträge zwar abgeschafft, doch das Land „ächzt“ jetzt unter dieser Ausgabe, sagt Plett.Für die Rettung der Nord/LB und den Weiterbau der Autobahn 39 sei Geld da, für die Anliegerbeiträge aber nicht, ärgert sich ein Anwohner. Genau wegen dieses Ungerechtigkeitsgefühls wolle die SPD unter anderem die Anliegerbeiträge gemeindeweit senken (auf maximal 50 statt bisher 75 Prozent der Ausbaukosten), erinnert Romec Manns, SPD-Fraktionschef im Vechelder Gemeinderat. Klaus Jurczyk, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) „Weg mit der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) in Vechelde“ und Organisator der Diskussion mit den Landtagsabgeordneten, überrascht mit seiner Frage nach der weiteren Strategie der BI: „Wir können nicht nur sagen, wir wollen diese Beiträge nicht – das bringt uns nicht weiter.“ Der Sierßer plädiert dafür, „gesprächsbereit“ zu sein und mit der Vechelder SPD zu verhandeln. Protest im Saal: Die BI sei sich doch einig, dass diese Beiträge komplett abgeschafft werden müssten – das müsse das Ziel bleiben, für das die BI weiter kämpfe, und zwar unabhängig von dem Kompromiss der Vechelder SPD: So ist von Anhängern und Zuhörern zu hören. Die Strabs bleibt also ein Thema in der Gemeinde Vechelde.