Vechelde. Mehr als 200 Demonstranten fordern die Abschaffung dieser ungeliebten Abgabe – mit der Kommunalpolitik diskutieren sie emotional.

. Die Bevölkerung trifft mit ihrem Protest auf die Kommunalpolitik: Mehr als 200 Demonstranten brachten am Montagabend ihre Forderung nach Abschaffung der Straßenausbaubeiträge/Anliegerbeiträge den Mitgliedern des Vechelder Verwaltungsausschusses vor – also der Gemeindepolitik. Ein emotionales Aufeinandertreffen, bei dem Klaus Jurczyk deutlich macht: Diese Beiträge seien „ungerecht“, weil der Staat auf die Weise „in die Tasche der Bürger greift“ – folglich gehörten die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) und damit diese Abgaben abgeschafft.

„Straße saniert = Bürger ruiniert“ sowie „Rote Karte für Strabs“ und „Weg mit der Strabs“: Das ist auf den Schildern und Plakaten bei der Demonstration vor dem Vechelder Bürgerzentrum zu lesen, zu der die Bürgerinitiative „Weg mit der Strabs in Vechelde“ mit ihrem Sprecher Jurczyk aufgerufen hat. „Die Ausbaubeiträge belasten einseitig nur die Eigentümer von Grundstücken, die als Anlieger an sanierten Straßen liegen – die Nutzer der Straßen, also die Mehrzahl der Autofahrer, werden nicht herangezogen“: So begründet der Sierßer seine Forderung nach Abschaffung der Strabs – die Einnahmeausfälle möge das Land tragen. Jurczyk nennt Anliegerbeiträge von 6000 Euro, 40.000 Euro und „deutlich mehr“.

Mit dieser Forderung rennen die Demonstranten später zwar offene Türen ein bei der Kommunalpolitik. Allerdings:

„Ich habe wenig Hoffnung, dass das Land die Einnahmeausfälle der Kommunen nach einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge übernimmt“, hält Bürgermeister Ralf Werner (SPD) tapfer dagegen – Unmut unter den Demo-Teilnehmern. „Ich erwarte, dass Sie nach Hannover gehen und beim Land vorstellig werden“, entgegnet ihm einer.

Buhrufe gibt es, als Werner das jetzige Modell der Anliegerbeiträge als im Prinzip „gerecht“ einstuft – „gerecht“ deshalb, weil sich diese Beiträge nach dem Anteil der Nutzung der Straße durch auswärtige Autofahrer richte: je mehr Fremdnutzung, desto niedriger die Abgabe. Schon jetzt beteilige sich die Gemeinde – also der Staat – am Straßenausbau, erinnert Werner. Die Anliegerbeiträge betragen zwischen 30 und 75 Prozent – den Rest zahlt die Kommune.

Unverständnis erntet Werner für seine Einschätzung, bei einer Abschaffung der Ausbaubeiträge bleibe der Gemeinde nur die Erhöhung der Grundsteuer. „Wo bleiben denn die Einnahmen der Kommune aus der jetzigen Grundsteuer?“ fragt ein Zuhörer erbost. Diese Gelder seien nicht zweckgebunden und kämen beispielsweise der Feuerwehr, dem Sport und den Kindertagesstätten zugute, antwortet Werner.

Uwe Flamm, CDU-Fraktionschef im Gemeinderat, betont, es gebe einen Antrag an den Peiner CDU-Kreisparteitag, wonach sich die Kreis-Partei bei der Niedersachsen-CDU für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einsetzen solle – im Landtag regiert SPD/CDU. „Zurzeit habe ich aber wenig Hoffnung, dass die Beiträge abgeschafft werden“, räumt Flamm gleich ein. In Sachen Grundsteuer könne man wiederum erst nachdenken, wenn klar sei, wie sie künftig aussehe.

Romec Manns, Vorsitzender der SPD-Mehrheitsfraktion im Rat, verspricht das Ziel, die Straßenausbaubeiträge möglichst „gerecht“ zu gestalten – und dann folgt ein bemerkenswerter Satz: „Es bedeutet nicht den Untergang des Abendlands, wenn wir diese Beiträge abschaffen.“

Grünen-Ratsmitglied Claudia Wilke kündigt an, wiederkehrende Beiträge (dazu werden Abrechnungsgebiete gebildet, in denen alle Anlieger für alle Ausbauvorhaben zahlen) prüfen und sich als Rat von einem Experten zu den Möglichkeiten in Sachen Ausbaubeiträge informieren lassen zu wollen.

Am nächsten Montag, 6. Mai, tagt der Vechelder Gemeinderat ab 19 Uhr im Bürgerzentrum. Dann treffen sich die Demonstranten um 18.30 Uhr am Vechelder Bahnhof wieder und ziehen zur Ratssitzung – erneut in roten Westen und mit Trillerpfeifen. „Wenn man auf’m Sofa sitzenbleibt, kommt nichts von alleine“, ruft Jürgen Block aus Sierße zur Teilnahme auf.