Vechelde. Beim CDU-Gemeindeverband diskutieren Politik und Bürger emotional über die (einmaligen) Straßenausbaubeiträge.

. Für einen kurzen Moment kochen die Emotionen so richtig hoch: Vehement fordert ein Mitglied der Wendeburger Bürgerinitiative „Weg mit dem alten Strabs“ vom CDU-Landtagsabgeordneten Oliver Schatta eine Unterschrift für ihre Petition zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge (Strabs) – der Braunschweiger lehnt das ab mit dem Hinweis, diese Eingabe habe „keine Rechtskraft“, bietet der Initiative allerdings gleichzeitig seine Mithilfe beim Erstellen einer rechtsgültigen Petition an den Landtag an.

Beim sonst eher ruhigen Grünkohlessen des Vechelder CDU-Gemeindeverbands ging es diesmal zur Sache: Schließlich sorgt das Thema Straßenausbaubeiträge (Anliegerbeiträge) vielerorts im Landkreis Peine und darüber hinaus für enormen Gesprächsstoff. Rund 85 Gäste sind diesmal zu dieser CDU-Traditionsveranstaltung nach Vechelde gekommen – mehr als sonst, was nicht nur am leckeren Grünkohl mit Kassler und Bregenwurst gelegen hat.

In Sachen Anliegerbeiträge, gegen die sich Bürger wehren unter anderem in Gadenstedt, Sierße und Wendeburg, sind mehrere Modelle denkbar. Enrico Jahn, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbands und Gemeinderatsmitglied, bekräftigt, die CDU habe bislang noch keine abschließende Meinung zu diesen umstrittenen Beiträgen – „wir wollen daher die Bürger über die verschiedenen Möglichkeiten informieren und ihre Meinung kennen lernen.“

Informieren – diese Aufgabe übernimmt Tibor Herczeg, Geschäftsführer des Vereins „Verband Wohneigentum Niedersachsen“, der sich selbst als „Verbraucherschutzorganisation“ sieht: Der Jurist verweist zunächst auf die Rechtsprechung, wonach der Ausbau einer Straße einen „Nutzwertvorteil“ für die Eigentümer der anliegenden Wohnhäuser bedeute – und sei es in dem Sinne, dass diese Häuser dann besser zu erreichen seien. „Deshalb gibt es auch keine Chance, generell gegen diese Beiträge vorzugehen, sie also auf dem Klageweg abzuschaffen“, stellt Herczeg fest. Zu den verschiedenen Modellen führt der Geschäftsführer aus:

• Die meisten Kommunen im Landkreis Peine erheben die Straßenausbaubeiträge nur für die Anwohner, die ihr Haus direkt an der jeweils auszubauenden Straße haben (einmalige Beiträge). Teilweise sind diese Abgaben Herczeg zufolge aber so hoch, dass sie existenzgefährdend seien – deshalb lehnt dieser Verband sie ab. Zwar könnten Anlieger gegen einen Ausbau klagen, doch diese Klagen hätten „keine aufschiebende Wirkung“ – die Bauarbeiten könnten also unabhängig davon beginnen. Andererseits hätten nur diejenigen Anspruch auf Erstattung, die geklagt haben – Sammelklagen oder Musterklagen seien nicht möglich (nur im Einvernehmen mit der jeweiligen Kommune). „Nur mit einer Klage ist einsehbar, wie sich die Anliegerbeiträge zusammensetzen“, meint der Geschäftsführer. Problematisch könne es zudem sein festzulegen, ob eine Straße eine Anliegerstraße (Ausbau überwiegend finanziert durch Anliegerbeiträge) oder eine Durchgangsstraße (finanziert überwiegend durch die Kommune) sei.

• Die Gemeinde Vechelde setzt bei den einmaligen Straßenausbaubeiträgen auf Ablöseverträge: Das berichtet Benno Schünemann, stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde. Dabei werden vor Baubeginn Festkosten vereinbart für den Ausbau und entsprechend auf die Anlieger und Kommune verteilt. „Das ist eine Möglichkeit, wenn die Kommune ordentlich mit den Anliegern umgeht“, urteilt Herczeg. Schließlich seien „Baukostenexplosionen“ heutzutage normal, und die Kommune müsse dann die Mehrkosten selbst tragen. Schünemann: „Wir finden in der Gemeinde Vechelde immer Lösungen, so dass bislang noch niemand sein Haus wegen der Ausbaubeiträge hat verkaufen müssen.“

• Denkbar sind auch „wiederkehrende Straßenausbaubeiträge“, wie sie die Grünen in Wendeburg und Ilsede fordern: Dabei werden Abrechnungsgebiete (Quartiere) in den jeweiligen Kommunen gebildet, in denen alle Hauseigentümer/Anwohner für alle in dem Gebiet auszubauenden Straßen zahlen müssen. „Rechtssichere Abrechnungsgebiete zu schaffen gerade im ländlichen Raum, ist jedoch unmöglich“, ist Herczeg überzeugt. Eine „Belastungsgleichheit“ für alle Anlieger in solchen Gebieten zu schaffen, könne nicht gelingen, zudem sei der Verwaltungsaufwand für die Kommunen groß – „eine Gemeinde wie Vechelde müsste zwei, drei Personen für die Berechnung der wiederkehrenden Beiträge einstellen.“ Springe habe diese Beiträge eingeführt, der „Verband Wohneigentum Niedersachsen“ klage dagegen. „Ich sehe unsere Erfolgsaussichten als relativ hoch an“, frohlockt der Jurist.

• Denkbar ist, als Kommune auf die Anliegerbeiträge zu verzichten und statt dessen die Grundsteuern zu erhöhen: Die Gemeinde Hohenhameln hat das getan und die Grundsteuer A (400 Prozentpunkte) und die Grundsteuer B (380 Prozentpunkte) auf je 570 Prozentpunkte angehoben. Allerdings: Die bisherige Berechnung der Grundsteuern in Deutschland ist laut Herczeg „verfassungswidrig“, der Bund müsse daher eine neue Lösung finden. „Deshalb warten viele Kommunen lieber erst mal ab, bis die Bundesregelung vorliegt.“

• Der „Verband Wohneigentum Niedersachsen“ fordert die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und die komplette Übernahme der Kosten durch das Land. Oliver Schatta, Landtagsabgeordneter in Braunschweig-Süd/Vechelde, sagt dazu unserer Zeitung: „Wir müssen eine gerechte Lösung schaffen – das Land muss Geld in die Hand nehmen und darf die Kommunen nicht im Stich lassen.“

„Viele Menschen haben für ihre Häuser ein ganzes Leben gearbeitet und bekommen schlaflose Nächte, wenn sie an die Anliegerbeiträge denken“, sagt eine Zuhörerin unter dem Applaus des Publikums. Häuser seien auch eine Altersvorsorge, diese Beiträge könnten zur Altersarmut führen, befürchtet eine andere Zuhörerin.