Lengede. Der Lengeder thematisiert fast täglich Alkohol auf Instagram und TikTok. Eine Suchtberaterin blickt kritisch auf das außergewöhnliche Hobby.

Christopher Apitius filmt sich beim Bier trinken, nimmt seine Community auf Instagram mit auf Feiern oder teilt seine Vorfreude auf Mannschaftsabende und Feierabendbiere. Auf vielen Videos schreit er in die Kamera, hört laute Musik und singt Ballermann-Hits – mal textsicher, mal nicht.

Szenen, die auch bei Jugendlichen keine Seltenheit sind. In Niedersachsen sind im vergangenen Jahr 1012 Kinder und Jugendliche nach einem akuten Alkoholrausch im Krankenhaus behandelt worden – 551 Jungen und 461 Mädchen, berichtet die Deutsche Presseagentur und stützt sich auf Infos der Krankenkasse DAK-Gesundheit nach Zahlen des Statistischen Landesamtes Niedersachsen. Im Vergleich zum Vorjahr 2020 sei das ein leichter Zuwachs um sieben Prozent.

Lengeder Alkohol-Influencer: Christopher Apitius postet Bilder und Videos vom Alkohol

Eine Entwicklung, die auch Christine Bremer, Einrichtungsleiterin der Fachambulanz Peine vom Lukas-Werk, bereits aufgefallen ist: „Die meisten Jugendlichen trinken zu viel, aber nur ein kleiner Teil davon wird abhängig.“ Entsprechend kritisch sieht sie Trends in den sozialen Netzwerken, die den Alkohol-Konsum verharmlosen. Alkohol-Influencer wie Christopher Apitius posten Bilder und Videos vom Feierabendbier oder von Feiern wie beispielsweise Dorf- oder Vereinsfesten. Immer zu sehen: Der Alkohol in Bier oder Schnaps-Form.

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Und was genau bedeutet abhängig? „Als Betroffener hat man das Gefühl, dass es ohne Alkohol nicht geht“, erklärt Bremer. Alkohol werde für die Personen dann genauso wichtig wie Wasser und Luft. Bis man abhängig wird, dauere es eine Weile. „Man wird nur von Dingen abhängig, die verfügbar sind“, sagt Bremer. Oft seien Personen anfällig, die beispielsweise in der Kindheit psychisch verletzt wurden. Auch die Gesellschaft spiele eine große Rolle beim Thema Abhängigkeit. Schließlich gehöre Alkohol schon zum Leben dazu, viele trinken Alkohol zur Geselligkeit und in der Gemeinschaft.

„Bei jungen Erwachsenen ist der Wettbewerb, wer am meisten verträgt, sowieso da“, warnt Bremer. Influencer können solch ein Verhalten zusätzlich bestärken – vor allem nach der Coronazeit, in der viele soziale Kontakte in die Brüche gegangen sind.

Alkohol-Influencer aus Peine erreicht über 50.000 Menschen auf TikTok und Instagram

Christopher Apitius investiert 30 Stunden in seine Kanäle in den sozialen Medien. 
Christopher Apitius investiert 30 Stunden in seine Kanäle in den sozialen Medien.  © Celine Wolff

Geselligkeit und Gemeinschaft – dann trinkt auch Christopher Apitius gern seine Biere. Die Idee, einen Instagram-Account zu gründen, ist zu Corona-Zeiten entstanden. Man kann den Lengeder als „Alkohol-Influencer“ betiteln. Schnell trank er sich in die Herzen seiner Community, verschickt Grußbotschaften per Video, wird in den verschiedensten Clubs unserer Region erkannt. Kein Wunder, mittlerweile folgen ihm über 22.000 Menschen auf Instagram und 29.000 auf TikTok. Seine sogenannten „Follower“ kommentieren die Videos mit „Prost“ oder „Ob Bier ob Wein heute schenken wir uns einen ein!“ Bis zu 235.000 Menschen – auch aus Belgien oder der Schweiz – erreicht der 30-Jährige nach eigenen Angaben mit seinem Content.

Triggern solche Inhalte junge Menschen in den sozialen Medien? „Alkoholwerbung ist immer noch erlaubt. Nun kommen auch noch die sozialen Medien dazu. Sicherlich trägt das dazu bei, dass dem Alkohol ein positives Image verliehen wird“, sagt Bremer.

Hier finden Sie den TikTok-Kanal unserer Zeitung.

Christopher Apitius appelliert an seine Fans: „Ich bin kein Vorbild“

Ein positives Image, das vermittelt auch Apitius. Er macht dem Alkohol förmlich Liebeserklärungen auf seinem Instagram-Profil. Trotzdem sein Appell: „Ich bin kein Vorbild, genießt den Alkohol mit Vorsicht, achtet auf eure Gesundheit und übertreibt nicht!“

Alkohol, ein ernstzunehmendes Thema in den sozialen Medien. Auf Anfrage nimmt eine Meta-Sprecherin (Instagram wird vom Unternehmen meta-Platforms betrieben) Stellung: „Wir möchten, dass Instagram ein Ort ist, an dem sich die Community sicher und wohl fühlt – insbesondere unsere jüngsten Mitglieder. Daher besagen unsere Richtlinien, dass organische Inhalte, mit denen Privatpersonen versuchen, Alkohol zu kaufen, zu verkaufen, zu spenden oder zu verschenken, untersagt sind.”

Lengeder hat Alkohol-Fanartikel: Das ist sein nächstes Ziel

Alkohol verkauft der Lengeder nicht – aber Fanartikel. Eine Firma aus Hamburg wurde auf ihn aufmerksam. In einem Online-Shop gibt es nun Caps oder T-Shirts verziert mit den Sprüchen oder dem Gesicht von Apitius. Sein nächstes Ziel: Eine Reise nach Mallorca. „Ich möchte vor Ort ein paar Fotos machen und meine T-Shirts mitnehmen.“ Bis zu 30 Stunden investiert der Lengeder in sein Instagram-Profil.

Aber auch er ist bereits des Öfteren an die Grenzen des Alkohols gestoßen: Wegen Fahrens mit 0,68 Promille musste er als 19-Jähriger seinen noch nicht mal zwei Jahre alten Führerschein abgeben und gleichzeitig seinen Beruf als Lastkraftwagenfahrer aufgeben. Heute arbeitet der Fußballer vom TSV Bodenstedt in einer KFZ-Werkstatt in Vechelde. Seinen Führerschein hat er noch immer nicht zurück.

Christopher Apitius macht im Interview deutlich: „Ich bin nicht abhängig vom Alkohol. Es gibt auch Tage, da zeige ich, dass ich gar keinen Alkohol trinke.“ Und wie viele Menschen im Landkreis Peine sind alkoholabhängig? Genaue Zahlen kann Christine Bremer nicht nennen. Sagt aber: „In Deutschland geht man von circa 3 Millionen Menschen mit abhängigem oder gefährlichen Alkoholkonsum aus.“

Alkoholabhängig: Hier können sich Betroffene und Angehörige Hilfe holen

Oft merken Betroffene erst im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, dass sie etwas ändern müssen. In den vergangenen Jahren gab es aber auch unter 30-Jährige, die sich Hilfe gesucht haben, weiß Bremer. Hilfe – sowohl für Betroffene als auch für Angehörige – gibt es bei der Fachambulanz in Peine telefonisch unter (05171) 508120 oder auf der Webseite des Lukaswerks.