Peine. Die Aids-Diagnose katapultierte Maik an den Rand der Gesellschaft. Ärzte wollten ihn nicht behandeln, er wurde diskriminiert. Über ein Leben mit HIV.

Mit der Diagnose Aids hat sich das Leben von Maik, der in Wirklichkeit anders heißt, komplett verändert. Beim Interview erinnert er sich an gemeinsame Urlaube, Familientage in der Natur oder lustige Geburtstagsfeiern mit seinem damaligen Partner. Ereignisse, die schnell überschattet werden: Denn mit der Diagnose drehte sich das Leben um 180 Grad: Ärzte wollten ihn nicht mehr behandeln, Mitmenschen diskriminierten ihn und seine Beziehung hielt dem Druck nicht Stand.

„Da die Gesellschaft noch nicht so über Aids gesprochen hat, haben wir trotzdem herumgespielt und ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt.“ Vor 30 Jahren wurde das „Herumspielen“ plötzlich zum Spiel mit Leben und Tod. „Ich hatte eine ewige Erkältung, die nicht weg ging und bin damit zu meinem Hausarzt gegangen“, erinnert sich der Peiner. Krank war er sonst nie. Es ist der Anfang einer lebenslangen Leidensgeschichte: Da sein Arzt wusste, dass Maik in einer Beziehung mit einem Mann war, wurde er hellhörig. Schließlich galt diese Gruppe damals noch als besonders gefährdet. Er machte einen HIV-Test, also bestimmte Blutuntersuchungen – ohne Maiks Wissen und Einverständnis.

Die Diagnose: HIV positiv. „Ich habe Aids. Auch wenn es einem besser geht, fällt man da auch nicht mehr raus. Man bleibt in dem Stadium“, sagt Maik emotionslos.

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Maik startet früh mit der HIV-Behandlung

Aids-Symptome können durch eine HIV-Behandlung rückgängig gemacht werden, informiert die Deutsche Aidshilfe. So ist es auch bei Maik, der heute sagt: „Eigentlich bin ich gesund und ich bin auch nicht mehr ansteckend.“ Dass sein Gesundheitszustand heute so gut ist, habe er der frühen Diagnose und der Therapie zu verdanken, die er sofort begann.

Heute spricht er von Glück, dass sein Arzt die Symptome richtig deutete und einen Test veranlasste. Auch wenn es damals, so wie heute, strafbar war, einen solchen Test ohne die Einverständnis der Patienten zu machen. Im Ärzteblatt heißt es dazu: „Stimmt der Patient lediglich der Blutentnahme und der sich daran anschließenden Blutuntersuchung zu, ohne dass der Arzt mitteilt, er wolle auch einen AIDS-Test machen lassen, verstößt dies gegen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten.“

Aids-Diagnose: Diskriminierung gehört zum Alltag von Maik dazu

Es war eine Diagnose, die Maik plötzlich an den Rand der Gesellschaft stellte. „Als ich davon erfahren habe, war es ein relativ großer Schock. Aber nicht die Infektion, sondern das Umfeld war das Problem.“ Diskriminierung gehörte vom einen auf den anderen Tag zu seinem Leben dazu – „vor allem im medizinischem Bereich“. Nicht nur war er mit einem Mann in einer Liebesbeziehung – „das war der Mann, mit dem ich alt werden wollte“ – auch hatte Maik plötzlich eine Krankheit, die in den 90er Jahren ein absolutes Tabu-Thema war und damals noch als „Schwulenkrankheit“ galt. Seiner Familie habe er trotzdem sofort von der Diagnose erzählt.

Faktencheck HIV/Aids.
Faktencheck HIV/Aids. © Adobe Stock,Kristin Heine/Quellen: Robert-Koch-Institut, Deutsche Aids-Hilfe | Kristin Heine

Das Leben mit Aids und Diskriminierungen

Maik erinnert sich: „Damals wurde das Thema HIV noch ganz weit unter den Tisch gekehrt.“ Selbst Ärzte seien damit „sehr vorsichtig umgegangen“. Bis vor zehn Jahren zum Beispiel hatte Maik keinen Zahnarzt, der ihn behandeln wollte. „Es hieß immer, sie müssen dann die ganze Praxis desinfizieren.“ Auch habe er erlebt, dass er wegen eines Gallensteins in einem Klinikum unserer Region nicht operiert wurde. „Ich bin einmal durch die Hölle und zurück gegangen.“

Zu den seelischen Leiden kamen auch noch körperliche hinzu, denn die Therapie hatte es in sich. „Damals hat man Aids noch mit Krebsmedikamenten behandelt“, erklärt Maik. Nebenwirkungen wie Gedächtnisverlust oder Magen-Darm-Symptome gehörten zum Alltag dazu.

Eine Zeit, in der er auch seinen Lebensgefährten verlor. Ging Maik offen mit der Krankheit um, war es für seinen damaligen Partner, der ebenso HIV-positiv war, ein No-Go, offen über das Virus zu sprechen. Aus Angst, das Image seiner Firma zu zerstören. „HIV hat dazu geführt, dass es nicht möglich war, die Beziehung weiter zu führen.“ Schließlich musste Maik dann zur Kur, war oft von Zuhause fort, Arztbesuche standen ganz oben auf der Tagesordnung. Eine Belastung, die seine damalige Beziehung nicht Stand hielt. Eines Tages nahm sich sein Partner das Leben.

„Schwul sein“ – die Liebe zu einem anderen Menschen

Halt bekam Maik auf seiner Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Dort habe er seine Kolleginnen und Kollegen auch bei einer Informationsveranstaltung aufgeklärt. „Im Betrieb habe ich nie Probleme gehabt, obwohl die Landwirtschaft ja sehr konservativ ist. In der Branche konnten sie ja teilweise noch nicht mal mit schwul sein umgehen“, sagt Maik. „Schwul sein“, ein Begriff, der Unverständnis in ihm auslöst: „Warum sagt man eigentlich ,schwul sein’? Man liebt doch einfach nur einen anderen Menschen.“ Weiter: „Viele Leute denken immer sofort ans Bett. Wenn sie die Tür mal zu lassen und über die Menschen nachdenken würden, würden sie feststellen: Das sind einfach nur zwei Leute, die sich mögen.“

Mit 37 Jahren in die Rente: Das Virus schwächt Maiks Körper

Den Betrieb musste er im Alter von 37 Jahren trotzdem verlassen und wurde Frührentner – aus gesundheitlichen Gründen. „Ich habe gemerkt, dass mein Körper abbaut. Mir wurde oft gesagt, dass ich nur noch zwei Jahre zu leben habe.“ Denn das Virus greift trotz der Medikamente sein Immunsystem an. Auch Herzprobleme habe der 64-Jährige, die einerseits erblich bedingt sind, andererseits aber auch durch Aids gefördert werden.

Heute kann Maik mit den Medikamenten gut leben – ohne eingeschränkte Lebenserwartung. Vor Jahrzehnten habe er vier bis sechs Wirkstoffe bekommen, um das Virus unter Kontrolle zu bringen. „Wir mussten die Medikamente damals in einer Kühlbox mit uns rumschleppen“, erinnert er sich. Im Januar kommenden Jahres versuchen sein Arzt und er die Medikamente auf einen Wirkstoff zu reduzieren. Vergessen darf er sie jedoch nicht. „Sobald ich sie absetze, breitet sich das Virus innerhalb von ein paar Wochen aus.“

HIV-Test: Maik appelliert an alle, sich testen zu lassen

Sein Appell an alle: „Wenn ihr bestimmte Dinge tut, müsst ihr euch testen lassen. Das ist das A und O überhaupt. Wenn ich früh erkenne, kann ich früh handeln. Wenn ich spät erkenne, wird das Handeln schwierig.“