Ilsede. An dunklen Tagen fühlen sich viele Menschen antriebslos und niedergeschlagen. Marion Renneberg aus dem Kreis Peine berichtet, wieso das so ist.

Ernsthafte Depression oder doch nur eine jahreszeitbedingte Stimmungsschwankung? Graue Tage, Kälte und weniger Bewegung schlagen bei vielen Menschen dieser Tage aufs Gemüt. Etwa zehn Prozent aller Depressionen in den Herbst- und Wintermonaten lassen sich auf eine Winterdepression zurückführen, erklärt eine Sprecherin der deutschen Depressionshilfe.

Was bedeutet Winterdepression aber konkret? Und wie ist sie zu behandeln? Auf diese Fragen antwortet die Allgemeinmedizinerin Marion Renneberg aus Ilsede.

Wenig Betroffene gehen zum Arzt

Der Ärztin zufolge bedeutet „Winterblues“ einen natürlichen Stimmungsabfall. „Die winterliche Dunkelheit und schlechtes Wetter wirken sich auf die Stimmung aus“, erklärt die Hausärztin. „Man hat weniger Schwung, zieht sich zurück oder wird melancholisch.“ Abzugrenzen davon sei die Winterdepression – die verbreitetste der saisonalen Depressionen.

Unter dieser saisonalen Depression leiden etwa ein bis drei Prozent der Deutschen. Diese Statistik bemisst sich aus der Menge an Menschen, die als erste Anlaufstelle ihren Hausarzt aufsuchen.

Symptome und Differenzierung

Marion Renneberg, eine Allgemeinmedizinerin aus Ilsede, klärt über Winterdepressionen auf.
Marion Renneberg, eine Allgemeinmedizinerin aus Ilsede, klärt über Winterdepressionen auf. © Christian Wyrwa

Auch Marion Renneberg ist als Allgemeinmedizinerin Ansprechperson im Falle einer saisonalen Verstimmung oder einer Winterdepression. Aber ab wann kann von einer
Winterdepression gesprochen werden?

„Im Vergleich zum sogenannten Winterblues sind die Krankheitszeichen bei der Winterdepression deutlich stärker ausgeprägt und länger anhaltend“, so die Medizinerin. „Betroffene klagen zum Beispiel über Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Traurigkeit.“ Noch dazu seien viele ängstlich, unausgeglichen und gereizt – was grundsätzlich charakteristische Symptome depressiver Erkrankungen seien.

Bei der saisonal abhängigen Depression kommt es laut Renneberg zu einer anhaltenden Müdigkeit mit längerer Schlafdauer und zu einem verstärkten Appetit mit Gewichtszunahme. Besonders die Lust auf Schokolade steigt, sagt die Ärztin. So eine Heißhungerattacke kommt daher, dass in Schokolade Tryptophan enthalten ist – ein Baustein des Glückshormons Serotonin. Das ist ein Grund, weshalb viele besonders im Winter unbewusst in die Süßigkeitenschublade greifen.

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Eine Störung der inneren Uhr

„Bei der klassischen Depression sehen wir dagegen häufig Ein- und Durchschlafstörungen und eher eine Appetitlosigkeit mit Gewichtsabnahme“, stellt Renneberg fest. Entscheidend für die Steuerung
des menschlichen Tag-Nacht-Rhythmus sei das Licht, das auf den Hormonhaushalt einwirkt, fährt die Ilsederin fort.

„Das Sonnenlicht wird durch spezielle Rezeptoren auf der Netzhaut des Auges aufgenommen und in das Gehirn weitergeleitet. Im Gehirn bildet sich dann das Schlafhormon Melatonin, ein Hormon, das immer dann ausgeschüttet wird, wenn es dunkel wird“, erklärt sie. Sonnenlicht beendet schließlich die Melatoninausschüttung.

Bei der Winterdepression liegt also sozusagen eine Störung der inneren Uhr aufgrund von Lichtmangel vor. Es kommt zu einer hohen Melatoninausschüttung und gleichzeitig sinkt der Serotoninwert. Kann diese Form der Depression präventiv behandelt werden, um gar nicht erst in diese negative Stimmung zu kommen?

Der Weg zur Diagnose

„Wenn man sich auch im Frühjahr und Sommer gut ernährt, Sport treibt und möglichst viel draußen ist, kann man selbst schon einmal nichts falsch machen“, ermutigt Marion Renneberg. „Man sollte sich jedoch keinesfalls selbst diagnostizieren. Wenn das Stimmungstief anhält oder über das normale Maß hinausgeht, sollte der Arzt oder die Ärztin des Vertrauens aufgesucht werden.“

Dort müssen zunächst einmal andere Erkrankungen ausgeschlossen und differenziert werden, ob es sich möglicherweise um eine andere Form einer depressiven Erkrankung handelt. „Eine genaue Diagnose wird nur von Arzt oder Ärztin gestellt und damit auch eine mögliche erforderliche Behandlung eingeleitet.“

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Was tun, wenn die kalte Jahreszeit uns herunterzieht? © Anna Lucy Richter und Eve Bernhardt

Die Behandlungsmöglichkeiten

Es gibt laut Renneberg eine Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten – genauso wie es eine Vielzahl von Depressionsformen gibt.

„Bei Stimmungstiefs helfen regelmäßige Spaziergänge an der frischen Luft und vor allem bei Tageslicht. Ansonsten gibt es auch Lichttherapien.“ Renneberg empfiehlt, viel zu trinken und eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung einzuhalten. Zudem bringe eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit auch schon viel, um sich Ruhe zu gönnen: „Wellness, Saunagänge, dem Körper das geben, was er braucht, über die Verstimmungen reden – all das kann schon Bedürfnisse stillen und die Stimmung heben.“

Dauert das Leiden jedoch lange an und geht über die dunkle Jahreszeit hinaus in den Frühling, müsse teilweise eine medikamentöse Behandlung stattfinden, betont Marion Renneberg. Besorgt muss die Ärztin feststellen: Winterdepressionen seien zwar eher selten – die Zahl von Depressionen im Allgemeinen jedoch nehme zu. „Besonders seit Covid ist das ein riesiges Problem.“ Laut der deutschen Depressionshilfe erkranken jedes Jahr 5,3 Millionen Deutsche an einer behandlungsbedürftigen Depression – viele davon zum Jahresende.