Rom. Herculaneum hält noch immer Überraschungen bereit. Archäologen nutzen modernste Methoden, von denen bald auch die Besucher profitieren.

Beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. wurden Herculaneum und das benachbarte Pompeji unter heisser Asche und Lava begraben. Der Vesuv, an dessen Fuß sich die Siedlung gegen das Meer hin ausbreitete, war vorher lange Zeit nicht aktiv gewesen. Umso heftiger war der Ausbruch. Die beiden römischen Städte am Golf von Neapel wurden zerstört, circa 4000 Menschen starben.

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Wie lebten die Menschen vor der vom Vesuv verursachten Verwüstung? Wie sahen ihre Häuser aus, was aßen sie? Auf diese Fragen geben nicht nur die umfangreichen archäologischen Ausgrabungen in Herculaneum, sondern zukünftig auch Künstliche Intelligenz eine Antwort. Denn KI und Digitalisierung erlangen eine zunehmende Bedeutung beim Schutz und der Verwertung des Kunsterbes im Raum von Neapel.

Herculaneum plant 3D-Rundgang – Archäologen setzen zunehmen auf KI

Im archäologischen Park von Herculaneum wird kräftig in neue Technologien investiert. Das Hauptziel ist die Rekonstruktion der Sammlungen von Artefakten innerhalb eines virtuellen digitalen Raums. „Der Besucher soll immer mehr mithilfe digitaler Technologien einen Einblick in den Alltag Herculaneums erhalten“, berichtet Francesco Sirano, Direktor des unter UNESCO-Schutz stehenden Archäologieparks.

Dank der Zusammenarbeit mit dem amerikanischen „Packard Humanities Institute“ wird die 3D-Digitalisierung von mehr als 3000 Objekten, die Erfassung von hochauflösenden Bildern wie Wandmalereien oder Pflasterungen, sowie die Computerisierung der Ausgrabungstagebücher vorangetrieben.

Wandverzierungen wie diese gehören zu den Funden, die Herculaneum am Fuße des Vesuv für Archäologen so besonders machen.
Wandverzierungen wie diese gehören zu den Funden, die Herculaneum am Fuße des Vesuv für Archäologen so besonders machen. © Archäologischer Park Herculaneum | Archäologischer Park Herculaneum

Das Ganze soll nicht nur der Verwaltung des archäologischen Erbes dienen, sondern bildet auch die Grundlage für die Entwicklung einer App für . „Wir arbeiten an der Schaffung eines interaktiven virtuellen Rundgangs durch die archäologische Stätte, sowie an der Entwicklung eines Videospiels für Kinder“, berichtet Sirano. Von dem Vorhaben, das in acht Sprachen verfügbar sein wird, sollen Besucher aus der ganzen Welt profitieren. Jeder solle sich einen Eindruck machen können, wie man in Herculaneum lebte, so Sirano.

Erste Erfolge: Moderne Technik kann Schriftrollen entziffern

Dass Archäologen sich bei ihren Forschungen immer mehr auf neue Technologien stützen, beweisen auch die Papyrusrollen des Lucius Calpurnius Piso, dem Schwiegervater Julius Caesars. Sie wurden im 18. Jahrhundert in einer Villa in Herculaneum entdeckt. Drei US-Forschern ist es jetzt gelungen, Abschnitte eines der alten Texte lesbar zu machen, zusammen mit mehr als tausend weiteren Rollen.

Möglich wurde dies mittels einer Bilderkennungs-KI, die die kaum sichtbaren Schriftzeichen entziffern konnte. Rund fünf Prozent des gesamten Umfangs der Papyrusrolle wurde so lesbar. Bis Ende dieses Jahres sollen es 90 Prozent sein. Die bisher bekannten Fragmente deuten darauf hin, dass die Bibliothek fast ausschließlich philosophische Werke enthielt, unter anderem vom epikureischen Philosophen Philodemos von Gadara (110 - um 40 v. Chr.).

Villa Sora: Wichtiger Fund wurde lange vernachlässigt

Noch sind es jedoch vor allem die analogen Sehenswürdigkeiten, die Besucher nach Herculaneum ziehen. Der Name des Ortes stammt von der mythologischen Figur des Hercules, bekannt für seine zwölf zu vollbringenden Aufgaben. „Hier in Herculaneum sind wir es gewöhnt, mit Herausforderungen umzugehen, die mit der Natur der Gegend und der Nähe zum Vulkan zusammenhängen“, berichtet Sirano, der seit neun Jahren den archäologischen Park leitet. Zu diesen Herausforderungen gehört die Neuaufnahme der Arbeiten an der Villa Sora, einem antiken Haus, das direkt am Meer liegt.

Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten des archäologischen Parks von Herculaneum zählt die Villa Sora.
Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten des archäologischen Parks von Herculaneum zählt die Villa Sora. © Archäologischer Park Herculaneum | Archäologischer Park Herculaneum

Die große und malerische Villa befindet sich etwa 3,6 km südöstlich von Herculaneum und öffnet sich mit einer 150 Meter langen Front zum Wasser hin. Sie gehörte zu den Ferienhäusern der Römer, die sich entlang des Golfs von Neapel erstreckten und von den reichsten Mitgliedern der römischen Elite bewohnt wurden. Die Villa wurde um die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. erbaut. Die heute noch sichtbaren Strukturen und prächtigen Wanddekorationen können auf die frühe Kaiserzeit zurückgeführt werden.

Das macht die antike Villa so besonders

Zum Zeitpunkt des Vulkanausbruchs im Jahr 79 n. Chr. wurde das Anwesen restauriert, wovon ein bekanntes Graffito zeugt, das an die Kosten der Arbeiten erinnert. Zu den Attraktionen der Villa, die inzwischen besichtigt werden kann, zählte ein Marmorrelief mit der Darstellung der mystischen Figuren Orpheus, Hermes und Eurydike, das sich heute im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel befindet. Zwischen 1797 und 1798 wurden systematische Ausgrabungen in der Villa vorgenommen, danach wurde das Gebiet nach und nach aufgegeben. Heute wird an der Villa wieder gearbeitet.

Besonders wertvoll sind die Fresken eines Schlafzimmers, die sich durch große in ägyptischem Blau gehaltene Tafeln in roten Rahmen mit vergoldeten Pflanzenmotiven auszeichnen. Stilisierte Fantasie-Bilder, ebenfalls auf blauem Grund, nehmen die Decke ein. „Villa Sora ist die einzige römische Villa im Vesuv-Gebiet, die noch auf den Golf von Neapel blickt“, erklärt der Parkdirektor ihren besonderen Reiz.

Vor dem Vulkanausbruch, der sie zusammen mit Herculaneum, Pompeji und Stabia begrub, nutzten die Erbauer der Villa das natürliche Gefälle des Geländes und entwarfen das Gebäude auf zum Meer hin abfallenden Terrassen. „Obwohl das Gelände durch den Verlauf der regionalen Eisenbahnlinie Neapel-Torre Annunziata in zwei Hälften geteilt wird, ist sie zweifellos eine der Stätten mit dem größten Entwicklungspotenzial in der gesamten UNESCO-Zone“, meint Silano.