Berlin. Die Betten auf den Kinderintensivstationen sind belegt. Ärzte schlagen Alarm. Woran das liegt und wie Abhilfe geschaffen werden kann.

Es sind alarmierende Zahlen, die die Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) am Dienstag in einer Pressemitteilung präsentierte. Demnach gibt es auf den Kinderintensivstationen in deutschen Krankenhäusern kaum noch ein freies Bett. Nur 65 Prozent aller pädiatrischen Intensivbetten könnten überhaupt genutzt werden und knapp 40 Prozent dieser Betten seien bereits belegt. Die Betten würden für Kinder mit schweren RS-Virusverläufen oder anderen saisonal bedingten Infekten benötigt.

Anfang Februar hatte die DIVI eine Umfrage bei deutschen Krankenhäusern mit Kinderintensivstationen durchgeführt. Von 130 angeschriebenen Kliniken antworteten 91. Das Ergebnis: Auf den 91 Stationen gab es gerade einmal noch 86 Intensivbetten. Das sind im Schnitt 0,94 freie Betten pro Klinik, also nicht einmal eines pro Standort.

Vor allem in den Großstädten fehlt spezialisiertes Krankenhauspersonal

Der Grund für die Misere ist laut DIVI hausgemacht. Vor allem in den Großstädten, in denen das Leben teuer ist, fehlten die spezialisierten Kinderpflegekräfte. Dazu kämen aktuell viele Krankmeldungen beim Personal. DIVI-Präsident Professor Florian Hoffmann, Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München, nennt im Interview mit „Zeit Online“ einen weiteren Grund: fehlende Kinderbetreuungsplätze. „Da müssen Leute ihre Schicht absagen, weil der Kindergarten einen Betriebsausflug macht oder erst um 8.30 Uhr öffnet und um 16.30 wieder schließt. Wie will man einen Schichtdienst in der Pflege attraktiv machen, wenn in Deutschland diese vorsintflutliche Kinderbetreuung herrscht?“, klagt Hoffmann.

Hoffmanns Kollegin Dr. Ellen Heimberg, stellvertretende Sprecherin der DIVI-Sektion Pädiatrische Intensiv- und Notfallmedizin und Oberärztin am Universitätsklinikum Tübingen, klingt nicht hoffnungsvoller. „Im Sommer sind wir meist schon voll ausgelastet“, so Heimberg. „Im Winter werden wir dann durch die Infektionswellen überrollt und müssen kritisch kranke Kinder zum Teil über weite Entfernungen hinweg verlegen.“ Kinder, die nicht akut lebensbedrohlich krank sind, müssten hintenan stehen. Auch Operationen würden immer wieder verschoben.

DIVI forder Impfempfehlung von der Stiko

Um die wiederkehrende kritische Situation auf den pädiatrischen Intensivstationen zu entspannen, appellieren die DIVI-Mediziner an die Ständige Impfkommission (Stiko). Kinder müssten dringend gegen RSV und Influenza geimpft werden. Nur dies könne die begrenzten Ressourcen der Kindermedizin schonen. „Die Möglichkeiten sind da. Wir müssen sie nur ergreifen“, erklärt Hoffmann. Es sei dringend notwendig, dass die Stiko eine entsprechende Empfehlung ausspreche.

In anderen europäischen Ländern ist man wieder einmal weiter. Daten aus Spanien und Luxemburg zeigten, dass bei passiver RSV-Impfung von Neugeborenen und Säuglingen signifikant weniger Kinder in diesem Winter in der Kinderklinik und auf einer Kinderintensivstation behandelt werden mussten, so Hoffmann weiter. In Frankreich, Luxemburg, Spanien und den USA werde bereits seit längerem eine (nasale) Influenza-Impfung für Kinder empfohlen. Zudem erhielten Säuglinge in diesen Ländern seit dieser Saison eine nur einmal notwendige passive Immunisierung mit einem neu zugelassenen Passiv-Impfstoff gegen RSV.

Positive Nachrichten kommen auch aus Jena (Thüringen). Im dortigen Universitätsklinikum hat im Dezember erstmals eine schwangere Frau einen Impfstoff erhalten, der Babys gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) schützen kann. Das Vakzin ist erst seit dem Sommer 2023 zugelassen. Es handle sich um einen Totimpfstoff ohne vermehrungsfähigen Erreger, sondern mit zwei Eiweißen, die auf der Oberfläche des Virus zu finden sind. Der Schutz gehe über das Nabelschnurblut an das Kind weiter. Außerdem könne die Mutter nach der Geburt Antikörper mit der Muttermilch an das Kind übertragen, teilte das Klinikum mit.