Rom. Jose Cianni betreibt Italiens erste Grillenmehlfabrik. Er schwört auf ein „Superfood“, das die Regierung Meloni lieber verbannen würde.

Tierzucht liegt Jose Cianni in den Genen. Seine Familie züchtete in einem Landwirtschaftsunternehmen im süditalienischen Kalabrien Hühner und Schweine. Doch der 39-jährige Unternehmer setzt heute lieber auf Innovation statt auf Tradition. Cianni ist der Gründer und Geschäftsführer von Nutrinsect, der ersten Grillenmehlfarm in Italien.

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Die Genehmigung für den Start des Betriebs in einer Industriehalle in Montecassiano in der mittelitalienischen Provinz Macerata hat er erst vor wenigen Tagen bekommen, doch Cianni ist mit sechs Mitarbeitern bereits an der Arbeit. Auf einer 4000 Quadratmeter großen Fläche will er eine Tonne Grillenmehl pro Monat produzieren. Ein weiterer Standort in Italiens Gastronomie-Hauptstadt Parma soll demnächst entstehen. Die ersten Abnehmer für sein Insektenmehl in Italien hat er schon gefunden.

Insekten als „Superfood“: Italiener glaubt an sein Geschäftskonzept

Die Tiere, die Cianni verarbeitet, sind die Nachkommen von 10.000 Grillen, die er vor einigen Jahren in Deutschland gekauft hatte. Damals hatte Cianni begonnen, Grillenpulver für die Produktion von Tierfutter herzustellen. Sein 2016 als Startup gegründetes Unternehmen ist seither zu einem Betrieb avanciert, der 10 Millionen Grillen züchtet – künftig auch für die Lebensmittelproduktion.

Jose Cianni ist Gründer und Leiter der ersten italienischen Grillenmehlfarm.  
Jose Cianni ist Gründer und Leiter der ersten italienischen Grillenmehlfarm.   © privat | Privat

Cianni ist fest überzeugt, dass Grillen als Nahrungsmittel eine große Zukunft haben. „Sie sind ein geschmackvolles und umweltfreundliches Superfood voller Proteine und Mineralien“, schwärmt der Unternehmer. Nach dem Schlüpfen werden die Grillen des Typs Acheta domesticus in Kisten gesteckt, wo sie ihre eigenen Kolonien bilden. Sie werden durch Kälte getötet, dann zermahlen und getrocknet. Dadurch entsteht das Pulver, das mit traditionellem Getreidemehl vermischt und der Produktion von Nudeln, Keksen und Brot dienen kann.

Nudeln aus Insekten: So sollen sie schmecken

Mit einer neuen Verordnung von Anfang 2023 hat die EU die Verwendung von teilweise entfettetem Grillenmehl in der Lebensmittelproduktion möglich gemacht. Damit stehen Spaghetti oder Brot, die zumindest einen Anteil Grillen enthalten, nichts mehr im Wege. „Dieses Pulver ist vielseitig verwendbar“, beschreibt es Cianni. Der Geschmack ist einmalig und erinnert an Kürbiskerne, oder an Pistazien.“

Grillenspaghetti“ sollen etwas dunkler sein als herkömmliche Pasta aus Hartweizen, aber sichtbar heller als Vollkornnudel. Auch Snacks, Pizza und Cracker mit Grillenmehl könnten bald angeboten werden. Nudeln, die einen Anteil Grillenmehl enthalten, wird ein leicht an Haselnüsse und Mandeln erinnernder Geschmack nachgesagt.

Jose Cianni glaubt, dass die Nachfrage steigen wird. Es sei lediglich Gewöhnungssache. „Heute essen wir Nudeln, die mit Erbsen, oder Linsen hergestellt werden und niemand hat was dagegen. In Asien werden seit jeher Insekten verzehrt.“ Derzeit kostet ein Kilo Grillenmehl 60 Euro, es soll aber günstiger werden.

Giorgia Meloni will strenge Regeln für Insektenmehl

Dennoch könnte Cianni Schwierigkeiten haben, seinen Landsleuten die Insekten schmackhaft zu machen. Die Regierung um Giorgia Meloni wehrt sicht gegen die Grillen. Die Rechtspopulistin, die Italiens traditionelle Landwirtschaft schützen will, will die Verwendung von aus Insekten gewonnenen Mehlsorten streng regeln. So will sie die Hersteller verpflichten, auf dem Etikett deutlich darauf hinzuweisen, wenn ein Produkt Insektenmehl enthält.

Optisch unterscheiden sie sich kaum von herkömmlichen Getreidenudeln – aber diese Nudeln sind zum Teil aus Insektenmehl gemacht.
Optisch unterscheiden sie sich kaum von herkömmlichen Getreidenudeln – aber diese Nudeln sind zum Teil aus Insektenmehl gemacht. © picture alliance/dpa | Marijan Murat

Die Art der Insekten mit wissenschaftlichem und italienischem Namen, die Menge der verwendeten Insekten, ihr Herkunftsland und mögliche Allergene müssen angegeben werden. Um eine Vermischung mit anderen Lebensmitteln zu vermeiden, hat die Regierung außerdem beschlossen, dass Insektenmehl auf gesonderten Regalen in Supermärkten und Geschäften platziert werden soll.

„Insekten sind in den Lebensmitteln anderer Länder ein natürlicher Bestandteil. Bei uns gehören sie nicht zu den Hauptbestandteilen unserer Ernährung“, argumentiert Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida. Tierschützer beklagen, dass die Grillen den Kältetod sterben, was eine Tierquälerei sei. Der Minister fürchtet auch gesundheitliche Risiken. Auch Italiens Bauern protestieren, sehen ihre Viehzucht bedroht: Wenn alle auf Instekten umsteigen, wer isst denn dann noch ihr teures Fleisch?