Cambridge. Über Jahrhunderte blieb das Gemälde im renommierten Christ‘s College unentdeckt. Eine Expertin erklärt, was es damit auf sich hat.

Oxford oder Cambridge? In Großbritanniens besseren Kreisen ist die Antwort auf die Frage, an welcher der beiden Elite-Hochschulen man studiert habe, mehr als ein Thema für den gepflegten Small Talk. Die beiden Universitäten gehören nicht nur zu den besten im Vereinigten Königreich, sondern sind weltweit als Kaderschmieden bekannt. Beide Unis haben eine jahrhundertealte Geschichte. Die Gemäuer ihrer zahlreichen Colleges beherbergen oftmals wahre Kunstschätze – auch wenn sich manchmal kaum einer an sie erinnern kann.

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So war es jedenfalls mit einem Wandgemälde im Christ‘s College der Universität Cambridge, das Bauarbeiter kürzlich unter dem Dach des Hauses entdeckten. Das Werk stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert und wurde laut Unterlagen im Archiv der Universität zum letzten Mal im Jahr 1748 schriftlich erwähnt. Seitdem war es völlig in Vergessenheit geraten, was aufgrund seines abgelegenen Ortes unter einem Giebel auch nicht weiter verwunderlich ist. Knapp 280 Jahre später kam es nun wieder zum Vorschein. Sehr zur Freude von Kunsthistorikerinnen wie Christina Faraday, die das Gemälde zu deuten weiß.

Auf der Wandmalerei sind drei gekrönte Motive zu sehen – eine Rose, ein Fallgitter und wahrscheinlich eine Lilie. Gezeigt werden sollte damit wohl die Verbindung zur Gründerin des Colleges und Mutter von König Heinrich VII., Margaret Beaufort. „Lady Margaret war eine ebenso mächtige wie fromme Frau mit einem starken Interesse an Bildung“, erklärt Christina Faraday. Mit dem Gemälde habe sie dem College etwas hinterlassen, was man im heutigen Sprachgebrauch vielleicht als „Branding“, als Markenbotschaft, bezeichnen könnte.

Wandgemälde waren relativ günstige Dekoration.
Wandgemälde waren relativ günstige Dekoration. © dpa | dpa

Das Fallgitter sei das Emblem der Familie Beaufort gewesen, die Lilie das Zeichen der englischen Könige seit der Zeit Edward III. Die gekrönte rote Rose ist wiederum das Symbol des Hauses Lancaster, das sich mit dem Haus York einen langen und erbitterteren Kampf um den englischen Thron lieferte. Der spätere König Heinrich VII., Oberhaupt des Hauses Lancaster, besiegte seinen Rivalen, den durch William Shakespeare zu literarischer Berühmtheit gelangten Richard III. aus dem Hause York, 1485 in der Schlacht von Bosworth. Damit endeten die sogenannten Rosenkriege. Die rote Rose des Hauses Lancaster hatte sich gegen die weiße Rose des Hauses York durchgesetzt.

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Dass solche Gemälde überlebten, sei extrem selten, sagt Kunsthistorikerin Christina Faraday in einer Mitteilung des Christ‘s College. „Wandmalereien waren eine relativ günstige und schnell austauschbare Art der Dekoration und wurden selten bewusst erhalten.“

Bei allem Stolz auf die Entdeckung werden das Gemälde künftig aber nur sehr wenige Menschen zu sehen bekommen, wie der Vorstand des College, Simon McDonald, Baron McDonald of Salford, erklärt. „Nach der Restaurierung werden wir es verhüllen und in eine Art Zeitkapsel einschließen. Vielleicht wird diese wieder erst nach 300 Jahren geöffnet“, sagt McDonald, wobei in seinem Statement sicher auch ein wenig feiner Cambridge-Humor mitschwingt.