Rom. Adolf Hitler kaufte die Statue einst, 1948 ging sie zurück nach Italien. Jetzt ist ein Streit um das berühmte Kunstwerk ausgebrochen.

Zwischen Deutschland und Italien ist ein Streit um eine berühmte Statue ausgebrochen. Konkret geht es in dem Zwist um die „Lancellotti Discobolus“ aus dem 2. Jahrhundert. Sie gilt als schönste römische Kopie des verlorenen Bronze-Originals des griechischen Bildhauers Myron. Die Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek in München fordern die Rückgabe des Werks, das 1938 während der NS-Diktatur von Adolf Hitler erworben worden war, anschließend bis 1948 in München aufbewahrt und danach Italien zurückerstattet wurde.

Die Statue des „Lancellotti Discobolus“ stellt einen Athleten dar, der in dem Moment gefangen ist, bevor der Diskus geworfen wird. Als einziges fast vollständig erhaltenes Exemplar dieses Typs ist die Statue eine originalgetreue Nachbildung eines der am meisten bewunderten Werke der Antike: Des bronzenen „Discobolus“ des Künstlers Myron, das um 450 vor Christus entworfen wurde.

Italien und Deutschland im Streit um Diskus-Statue: Einst gehörte sie Adolf Hitler

„Lancellotti Discobolus“ wurde 1781 auf dem Esquilin-Hügel in Rom entdeckt. Die Statue war lange Zeit Teil der Privatsammlung der italienischen Familie Lancellotti. Sie zählt zu den größten Attraktionen des Römischen Nationalmuseums im Zentrum der Ewigen Stadt. Zahlreiche Museumsbesucher weilten lange fasziniert vor der Schönheit des Diskuswerfers.

Im Jahr 1938 bewunderte der damalige deutsche Reichskanzler und Diktator Adolf Hitler bei einem Besuch in Italien das Werk. Er war von der Statue so begeistert, dass er bei dem faschistischen italienischen Regime von Benito Mussolini ein Ansuchen stellte, die Statue erwerben zu können. Das Werk wurde vom Obersten Rat für die römischen Altertümer zuerst für unveräußerlich erklärt.

Im Mai 1938 wurde es mit Genehmigung des italienischen Außenministers für fünf Millionen Lire schließlich doch an Deutschland verkauft und nach München gebracht. Dort wurde die Statue „Lancellotti Discobolus“ in der Glyptothek ausgestellt und erst 1948 an Italien zurückerstattet, wo sie seit 1953 im Römischen Nationalmuseum in Rom untergebracht ist.

Im Zuge der Wiederbelebung des olympischen Gedankens durch die neuzeitlichen Olympischen Spiele Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zu deren Disziplinen auch der Diskuswurf zählte –, wurde das Bild des Discobolus häufig als emblematischer Schmuck für Plakate, Titelseiten und Briefmarken gewählt.

Münchner Museum fordert antike Statue zurück: „Rechtmäßig vom deutschen Staat erworben“

Der Direktor des Römischen Nationalmuseums, Stéphan Verger, forderte kürzlich von dem Leiter der Antikensammlungen und Glyptothek in München, Florian S. Knauß, die Rückgabe des Marmorsockels des Discobolus aus dem 18. Jahrhundert, den Italien nicht zurückerhalten hatte. Knauß lehnte aber nicht nur die Forderung Vergers ab: Er forderte sogar die Rückgabe des Discobolus mit der Begründung, die Skulptur sei seinerzeit rechtmäßig vom deutschen Staat erworben worden.

„Die italienischen Institutionen, die damals an der Macht waren, stimmten der Ausfuhr zu. Es handelte sich nicht um ein ‚Geschenk‘ an Adolf Hitler. Die Rückführung nach Italien verstieß nach dem Rechtsgutachten des bayerischen Staates und unseres Museums gegen das Gesetz“, heißt es im Schreiben von Knauß, aus dem von der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ zitiert wurde.

Prompt kam die Reaktion des italienischen Kulturministers Gennaro Sangiuliano. „Nur über meine Leiche! Das Werk muss unbedingt in Italien bleiben, denn es ist das Erbe unserer Nation. Ich hoffe, dass uns der Sockel aus dem 18. Jahrhundert zurückerstattet wird. Ich glaube, dass die deutsche Bundeskulturministerin Claudia Roth über diese Angelegenheit nicht informiert ist. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien, die in so vielen Bereichen schon sehr gut ist, in Zukunft auch im kulturellen Bereich noch besser werden wird“, kommentierte Sangiuliano die Forderung aus München.

Geraubte Kunst: Nicht der erste Streitfall zwischen Deutschland und Italien

Wie in der jüngsten Ausstellung „Befreite Kunst 1937/1947“ im Museumskomplex „Scuderie del Quirinale“ dokumentiert wurde, plünderten Adolf Hitler, Herman Göring und andere Nazi-Hierarchen prächtige italienische Meisterwerke. Tizians 1943 gestohlenes Bild „Danae“ landete bei Göring im Schlafzimmer. Es kehrte 1947 nach Neapel zurück.

Bereits im Jahr 2019 hatte Deutschland nach 75 Jahren ein im Zweiten Weltkrieg geraubtes Gemälde an die Uffizien-Galerie in Florenz zurückgegeben. Dabei handelt es sich um das Bild „Vaso di Fiori“ (Blumenvase) des holländischen Malers Jan van Huysum (1682-1749).

Das Werk wurde 1944 von einem Soldaten der Wehrmacht aus einem Depot der Uffizien geraubt und war dann jahrzehntelang verschollen. 1991 tauchte es wieder auf, als die Familie des Soldaten versuchte, es über ein Auktionshaus zu verkaufen. Das Auswärtige Amt und das Bundeskriminalamt bemühten sich daraufhin um eine unentgeltliche Rückgabe an die Uffizien.