Haben Krokodile Mitgefühl mit anderen Tieren? In Indien retten sie einem Hund das Leben. Forscher rätseln über das kuriose Verhalten.

Normalerweise sind Hunde und Krokodile keine natürlichen Freunde. Immer wieder greifen die riesigen Reptilien Hunde jeglicher Größe an, in nicht wenigen Fällen enden diese Attacken für die Hunde tödlich. Doch was ein Forschungsteam in Indien beobachtete, bereitet den Wissenschaftlern Kopfzerbrechen.

Drei Sumpfkrokodile halfen einem jungen Hund einer Gruppe von Streunern zu entkommen, die den Hund in das flache Wasser eines Flusses gedrängt hatten. Als die in der Nähe schwimmenden Krokodile die Notlage des Hundes erkannten, näherten sie sich dem Gejagten und stupsten ihn – zur Überraschung der Forscher – mit ihrer Schnauze sanft zu einem sicheren Abschnitt des Ufers.

Diese Szene beschreiben die indischen Zoologen in einer im Fachmagazin "Journal of Threatened Taxa" veröffentlichten Studie. Für die Studie untersuchten sie das Verhalten der Sumpfkrokodile im indischen Bundesstaat Maharashtra. Dabei beobachteten sie mehrere ungewöhnliche Verhaltensweisen, die auf ein viel höher entwickeltes Sozialleben der Krokodile hindeuten. Auch für die Rettung des artfremden Hundes haben die Forscher eine Erklärung.

Auch interessant: Archäologie: Afrikanischer Rekord-Fund elektrisiert Forscher

Krokodile retten Hund in Indien – aus Mitgefühl?

So habe der Hund zuallererst Glück gehabt, dass die Krokodile nicht hungrig waren. Außerdem vermuten die Forscher, dass die Krokodile schlicht Mitgefühl mit dem Hund gehabt haben könnten. "Emotionale Empathie" könne demnach auch zwischen unterschiedlichen Spezies entstehen. Dieses Verhalten ist bei keiner Tierart bisher ausgiebig untersucht worden und dementsprechend umstritten.

Ein Video zeigt wie die Krokodile den jungen Hund zu einem sicheren Uferplatz leiten.
Ein Video zeigt wie die Krokodile den jungen Hund zu einem sicheren Uferplatz leiten. © Utkarsha Chavan/Chavan & Borkar 2023

Duncan Leitch, ein Biologe an der University of California, der sich auf die Neurophysiologie von Reptilien spezialisiert hat, bezweifelt die Mutmaßungen der indischen Kollegen. So sei der Vorfall zwar sehr interessant, aber noch lange kein Beweis dafür, dass Krokodile zu Empathie gegenüber anderen Spezies fähig sind, kommentierte der Experte gegenüber "Live Science" die Studie. Solange mehr Forschung zu dem Thema fehle, bleibe es eine Anekdote.

Lesen Sie auch: Hunde im Königshaus: Diese Vierbeiner erobern die Königspaläste

Forscher beobachten faszinierendes Jagdverhalten der Krokodile

Die Wissenschaftler beobachten außerdem eine Vielzahl anderer fortschrittlicher Jagdtechniken bei den Krokodilen. So schwammen die Krokodile koordiniert in einer Gruppe und trieben kleine Fische in ihre Mitte, ein Verhalten das bereits zuvor beschrieben wurde.

Eine andere Methode ist noch außergewöhnlicher: Die Krokodile sollen Stöcke auf ihren Schnauzen balanciert haben, um Vögel wie beispielsweise Reiher anzulocken. Die Vögel seien laut der Studie an den Stöcken für ihren Nestbau interessiert und die Krokodile wüssten das auszunutzen.

Den indischen Zoologen zufolge seien das Anzeichen für Intelligenz. Der Biologe Duncan Leitch wirft ihnen auf "Live Science" eine "Vermenschlichung" der Reptilien vor. Zwar würden Krokodile eine Reihe von hoch entwickelten Verhaltensweisen zeigen. "Aber einige dieser Schlussfolgerungen nutzen die menschliche Definition von Intelligenz und versuchen sie in Krokodilen zu finden."

Lesen Sie auch: Urzeit-Kot: Fäkalien führen zu wissenschaftlicher Erkenntnis