London. Ein prominenter Moderator soll einen Teenager ausgenutzt haben. Der Fall bringt die gesamte BBC in große Bedrängnis – schon wieder.

Was am Freitag mit einem Artikel in einer Boulevardzeitung begann, hat sich innerhalb weniger Tage zu einem riesigen Skandal für die BBC entwickelt. Es geht um einen prominenten Fernsehmoderator und um eine dicke Geldzahlung an eine junge Person, die im Gegenzug sexuell explizite Fotos schickte. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird beschuldigt, den Fall intern nicht mit der nötigen Dringlichkeit behandelt zu haben. Politiker jeder Couleur fordern eine öffentliche Untersuchung zur Affäre, die Londoner Polizei hat sich bereits eingeschaltet.

Sexueller Kindesmissbrauch? Schwere Vorwürfe gegen Moderator

Es sind schwere Vorwürfe, die gegen den Moderator vorgebracht werden – noch ist sein Name nicht öffentlich, es soll sich aber um einen weitherum bekannten TV-Promi handeln. Dieser soll in den vergangenen drei Jahren insgesamt 35.000 Pfund an eine junge Person überwiesen haben, damit diese ihm Nacktbilder und -videos von sich selbst schickt.

Die betreffende Person ist heute zwanzig Jahre alt; das heißt, dass sie möglicherweise zu Beginn des Kontakts mit dem BBC-Angestellten erst siebzehn war – in diesem Fall würde der Besitz von Nacktfotos laut britischem Recht den Straftatbestand von sexuellem Kindesmissbrauch darstellen.

Dazu kommt, dass das Opfer drogensüchtig ist. Die Mutter sagte, dass ihr Kind das Geld nutzte, um Crack-Kokain zu kaufen. „Ich mache diesen BBC-Mann dafür verantwortlich, dass er das Leben meines Kindes zerstört hat“, sagte die Mutter gegenüber der Boulevardzeitung „The Sun“, die die Affäre letzte Woche enthüllte. „Er hat meinem Kind die Unschuld geraubt und Geld für Crack-Kokain überwiesen, das mein Kind töten könnte.“ Einmal habe sie den Moderatoren gesehen, wie er nackt bis auf seine Unterhosen an einem Video-Call mit ihrem Kind saß.

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BBC reagierte erst als Mutter sich an die „Sun“ wendete

Dass der Skandal jetzt die gesamte BBC erfasst hat, lliegt an der angeblichen Trägheit, mit der man reagiert habe, als die Vorwürfe zuerst vorgebracht wurden. Denn die Mutter sagt, sie habe sich bereits Mitte Mai bei der Organisation beschwert und sie über die Ausbeutung ihres Kindes informiert. Aber es sei nichts passiert. Die Sicherheitsabteilung habe ihr eine Telefonnummer gegeben, die gar nicht funktionierte, und der Moderator war weiterhin auf Sendung.

Die BBC-Führung suspendierte ihn erst am Sonntag, also mehrere Tage nachdem sich die Mutter, frustriert über die Untätigkeit der BBC, an die „Sun“ gewandt hatte. Die BBC sagt, dass sie den anfänglichen Vorwürfen damals nachgegangen sei; allerdings seien die Enthüllungen im Zeitungsbericht weit schwerwiegender als die Anschuldigungen vom Mai.

Londoner Polizei inzwischen involviert

Noch sind die Details des Falls nicht öffentlich. Die britischen Medien halten sich zurück, den Beschuldigten namentlich zu nennen. Andernfalls könnten sie sich der Rufschädigung schuldig machen. Letztes Jahr urteilte das Supreme Court, das höchste Gericht im Land, dass Einzelpersonen erst dann genannt werden sollen, wenn sie angeklagt sind. Manche BBC-Promis stellten am Wochenende schon mal klar, dass es sich beim Beschuldigten nicht um sie handle – darunter Fußball-Moderator Gary Lineker.

Am Montag traf sich die Londoner Polizei mit Vertretern der BBC, um Einzelheiten des Falls zu besprechen. „Ich bin erfreut, dass solch schwere Vorwürfe heute mit der Polizei besprochen werden“, sagte der Justizminister Alex Chalk am Montagmorgen. Aber er fügte hinzu, dass zu gegebener Zeit „eine sorgfältige Untersuchung der Chronologie“ dieses Falls stattfinden müsse – das heißt, was wann passiert ist, und wie die BBC vorging.

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Skandale beim britischer Rundfunk häufen sich

Für die BBC ist es bereits der dritte Skandal in diesem Jahr. Erst im März hatte es einen Wirbel um Gary Lineker gegeben, als dieser ein regierungskritisches Tweet absetzte und daraufhin von der BBC suspendiert wurde. Nach tagelangem Hin und Her ruderte die Organisation zurück, Lineker saß bald wieder in den Moderatorenstuhl. Einige Wochen später musste der BBC-Chairman Richard Sharp sein Amt niederlegen, weil er einen Interessenkonflikt nicht offengelegt hatte.

Nach Ausbruch des jüngsten Skandals dürften für BBC-Generaldirektor Tim Davie einige schwierige Tage aufwarten. Laut der BBC-Kuturredakteurin Katie Razzall – die BBC berichtet stets ungeniert über sich selbst – erfuhr Davie zwar erst am Donnerstag von diesen Vorwürfen, aber dennoch trägt der Chef letzten Endes die Verantwortung. „Er sieht sich einer ernsten Situation gegenüber“, sagte Razzall.