Bad Bramstedt. Auf hoher See sammelt der Abenteurer Arved Fuchs seit langem Belege für den Klimawandel. Seine jüngste Expedition lieferte alarmierende Hinweise.

Für sein Projekt „Ocean Change 2022“ ist Fuchs mit seiner Crew über Monate hinweg mit dem umgebauten Hai-Kutter Dagmar Aaen im Nordatlantik unterwegs gewesen – zum Beispiel zwischen Grönland und Island. Die Seewasser-Temperaturen, die während der in mehreren Etappen ausgeführten Expedition gemessen wurden, hätten teilweise deutlich über den zu erwartenden Werten gelegen, berichtet Fuchs im aktuellen „Draußen“-Podcast unserer Zeitung. „Die Wissenschaftler sprechen von einer Hitzewelle – mit gravierenden Folgen für die Flora und die Fauna“, sagt der 69-Jährige aus Bad Bramstedt im Interview. Was das konkret bedeute, müssten die wissenschaftlichen Institutionen bewerten, denen die Klimadaten der Expedition zur Verfügung gestellt werden.

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„Ich bin kein Wissenschaftler und kann nicht vor Ort Feldforschung betreiben“, erläutert Fuchs, der in seiner langen Karriere als Abenteurer und Outdoorer die Arktis und die Antarktis intensiv bereist hat. „Aber die digitale Technik ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass man Messungen erheben kann, die vollautomatisch gemacht werden.“

Mit dem umgebauten Hai-Kutter Dagmar Aaen ist Arved Fuchs seit Jahrzehnten in den Polargewässern unterwegs.
Mit dem umgebauten Hai-Kutter Dagmar Aaen ist Arved Fuchs seit Jahrzehnten in den Polargewässern unterwegs. © Arved Fuchs Expeditionen | Arved Fuchs Expeditionen

Es gebe ein Gerät an Bord, das messe selbstständig den Kohlendioxid-Gehalt im Seewasser, die Temperatur, den Salz- und den Sauerstoffgehalt und übertrage das über einen eigenen Satellitenkanal automatisch an das Forschungsinstitut Geomar in Kiel, wo Wissenschaftler diese Daten auswerten würden. „Wir haben den Vorteil, dass wir mit unserem kleinen Schiff in Gegenden fahren können, wo sonst keiner ist – auch keine großen Forschungsschiffe, weil die teilweise tiefgangbehindert sind und da gar nicht hin können“, berichtet der Polarexperte im Podcast.

Eine Sonde ermögliche die Messung bestimmter Parameter bis in eine Tiefe von 500 Metern. „Wir arbeiten mit dem Seewetteramt zusammen und wir setzen so genannte Drifter, also Drift-Bojen, aus, die ebenfalls völlig autark messen“, gewährt Arved Fuchs Einblick in die Arbeit auf hoher See. „Es gibt High-End-Messtechnik, die übrigens insgesamt in Deutschland produziert wird von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die wir nutzen. Das alles läuft in die Auswertungen der wissenschaftlichen Institute ein.“

Die Technik werde von den Firmen leihweise und unentgeltlich zur Verfügung gestellt, manches aber werde auch gekauft. Die Kooperation mit den Herstellerfirmen sei sehr gut. „Wir verdienen ja kein Geld damit, dass wir die Daten den Instituten zur Verfügung stellen“, verdeutlicht der 69-Jährige. „Ich mache das, weil ich das machen möchte, weil mir die Thematik des Klimawandels sehr nahe ist. Ich bin seit rund 40 Jahren im polaren Raum unterwegs und bin unfreiwillig zum Zeitzeugen des Klimawandels geworden. Mir ist es einfach zu wenig, heute zurückzukommen und spannende Geschichten und schöne Bilder zu präsentieren. Ich möchte schon den Finger in die Wunde legen, ohne schlechte Stimmung zu machen oder Weltuntergangsszenarien zu predigen.“

Klar sei freilich, dass wir der Wahrheit ins Gesicht schauen müssten. „Ich versuche, den etwas nüchternen Duktus der Wissenschaftler so zu übersetzen, dass man auch die breite Bevölkerung damit erreicht und den interessierten Bürger mitnimmt auf eine virtuelle Reise. Deshalb sind wir auch sehr präsent in den sozialen Medien.“

Die Seewassertemperatur im Nordatlantik habe um drei bis fünf Grad über dem zu erwartenden Niveau gelegen, so Fuchs. „Wenn man weiß, dass die Seewassertemperatur dort oben ohnehin nur so vier, fünf Grad beträgt, dann ist das ja fast eine Verdoppelung. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Flora und Fauna. Fische beispielsweise reagieren sehr, sehr sensibel auf Zehntel-Grad Temperaturunterschied und wenn das gleich einige Grade sind, dann wandern die ab“, schildert der Klimaschützer die Folgen des Wandels. Der Temperaturanstieg im Meereswasser sei alarmierend. „Das hat Auswirkungen auf Grönland, auf das Schmelzen der Gletscher, was wiederum dazu führt, dass sehr viel mehr Frischwassereintrag in das Salzwasser kommt und damit die Chemie des Meeres verändert wird. Es ist nicht mehr so salzig. Und das wiederum hat Auswirkungen auf den Golfstrom, auf die atlantische Zirkulation. Alles hängt mit allem zusammen“, mahnt Fuchs im „Draußen“-Podcast.

Dem Klimawandel sei es völlig gleichgültig, welche Probleme wir haben. „Der macht keine Pause deshalb, sondern er schreitet voran. Wir wissen um den Klimawandel seit Jahrzehnten. Hätten wir das Problem früher ernst genommen, dann hätten wir heute nicht die Dringlichkeit des Handelns“, betont der 69-Jährige. „Es rächt sich einfach diese Verzögerungspolitik. Aber ich will einen positiven Ansatz setzen. Ende der 80er Jahre hatten wir über der Antarktis das Entstehen des Ozon-Lochs in der Stratosphäre. Einige werden sich vielleicht erinnern, da gab es diese Karten, wo so ein großes schwarzes Loch in Computeranimationen dargestellt worden ist. Dann haben die Staaten im Protokoll von Montreal beschlossen, wir wollen die Treibgase verbieten, die dafür verantwortlich waren. Man hat andere Treibgase verwendet und heute schließt sich das Loch langsam wieder.“

Es habe sich schon damals um ein abstraktes Problem gehandelt, von Menschen geschaffen. „Aber wir haben gesehen, wir können etwas dagegen machen“, setzt Fuchs ein Hoffnungszeichen. Beim Klimawandel sei das zugegebenermaßen ein bisschen komplexer und noch abstrakter. „Aber wir können etwas machen und wir tun ja auch was. Wer hätte denn Ende der 80er Jahre gedacht, dass wir heute einen Strom-Mix haben, wo in Deutschland knapp 50 Prozent aus Erneuerbaren Energien kommen? Es ist nur nicht genug und wir müssen weiter machen. Das ist mir wichtig, dass wir das gerade in dieser problematischen Zeit nicht aus den Augen verlieren.“

Es sei halt fünf Minuten vor Zwölf. „Diese Kipp-Momente, von denen die Wissenschaftler sprechen, die nach menschlichen Maßstäben nicht reversibel sind, die haben teilweise schon eingesetzt, wenn ich das Schmelzen des grönländischen Inlandeises ansehe und verschiedene andere Dinge mehr. Die können wir nicht umdrehen. Deshalb noch einmal: Die Dringlichkeit des Handelns ist nicht außer Kraft gesetzt, weil wir andere politische und wirtschaftliche Probleme haben derzeit“, unterstreicht der prominente Polarfahrer aus Schleswig-Holstein im Podcast-Gespräch.