Braunschweig. Viele begegnen der Trendsportart mit dem Tambourstab immer noch mit Vorurteilen – auch in unserer Region.

Philipp Schmitzke bleibt bei der Stange. Und bei ihm ist das wörtlich zu verstehen, denn der 40-Jährige ist passionierter Anhänger des Imperial Walking. Unverzichtbar bei dieser noch relativ jungen Sportart ist der Tambourstab – bekannt vor allem von Schützenfest- oder Karnevalsumzügen.

„Imperial Walking muss man sich ganz ähnlich vorstellen“, erklärt Schmitzke die Basics: „Nur dass es auch ohne Musikkapelle funktioniert.“ Zwar benutzten Anfänger oft noch Kopfhörer mit Marschmusik, ihn als Profi jedoch lenke die Musik mittlerweile eher ab. Normalerweise trainiert der KfZ-Mechatroniker sich selbst täglich eine halbe Stunde in der Mittagspause auf dem Parkplatz seines Arbeitgebers in Wolfsburg. Seitdem dort in Zuge der Corona-Krise die Bänder stillstehen, absolviert der Braunschweiger sein Tagespensum in der Braunschweiger Feldmark, wo wir ihn – in gemessenem Abstand – zum Gespräch treffen.

Ein majestätisches Schauspiel

Statt viele Worte über die Theorie des Imperial Walking zu verlieren, hebt Schmitzke mit einer feierlich ausladenden Geste seinen Tambourstab schräg in die Höhe: das Signal zum Anmarsch. Festen Schritts

Wer nicht bereit sei für die Schattenseiten des Imperial Walking, könne ja Federball oder Golf spielen, sagt Philipp Schmitzke trotzig.
Wer nicht bereit sei für die Schattenseiten des Imperial Walking, könne ja Federball oder Golf spielen, sagt Philipp Schmitzke trotzig. © Andreas Eberhard

marschiert er den ungepflasterten Feldweg rund 200 Meter hinab und zurück. Bei jedem Schritt hebt und senkt er den Stab mit der rechten Hand rhythmisch, mit äußerster Präzision vor der Brust auf und ab. Ein majestätisches Schauspiel. Zurück am Startpunkt wirbelt er den Stab propellerartig um sich, dass die Zierkordeln fliegen. Das Signal zum Absetzen. Alles sieht ganz leicht aus. Wir sind beeindruckt.

Trotzdem werden Imperial Walker immer noch angefeindet. Wie kann das sein? Obwohl der Ursprung der Sportart eindeutig im Bereich der Musik liegt, fühlen sich manche Zeitgenossen offenbar ans Militärische erinnert und davon provoziert. Wer sich für Imperial Walking entscheidet, muss auf alles gefasst sein. Nicht wenige Anhänger dieser Walking-Variante, berichtet Schmitzke, haben sich entmutigen lassen und der Sportart den Rücken gekehrt.

Aussteiger Dennis F. beklagt Stigmatisierung

Der Wolfsburger Dennis F., der anonym bleiben möchte, hatte die Nase schon nach wenigen Wochen voll: „Ich war es so leid, dass alle mit dem Finger auf mich gezeigt haben“, klagt er unserer Zeitung am Telefon. Er habe es nicht mehr ausgehalten und deshalb umgesattelt auf „Maestroso Walking“, eine neue Walkingart, bei der ein Dirigentenstab zum Einsatz kommt.

Eine billige Sportart ist Imperial Walking nicht. Neu kostet ein Tambourstab der Mittelklasse im Internet heute rund 250 Euro – deutlich mehr als ein preiswerter Tennisschläger. Hinzu kommt, dass Tambourstäbe ausschließlich im Musikalienfachhandel verkauft werden.

Ein Geheimtipp... Wie lange noch?

Dies zeigt, dass das „kaiserliche Gehen“, so die wenig geläufige deutsche Bezeichnung, längst noch kein Breitensport ist. Zumindest Schmitzke stört die Randständigkeit seines Hobbys nicht im Geringsten. Dass die Sportart ungewöhnlich ist, reizt ihn gerade. Wer ihre Schattenseiten nicht akzeptiere, könne ja Federball oder Golf spielen, sagt er trotzig: „Aber spätestens wenn durchgestylte Hipster scharenweise durch den Prinzenpark stratzen, stecke ich meinen Stab in den Ofen.“ Denn dann, fürchtet er, sei es nur noch ein kurzer Schritt zu einem Imperial Walking mit Hi-Tech-Tambourstäben aus Karbonfaser, Funktionären und Doping. „Wenn Imperial Walking olympisch wird, bin ich raus.“

Imperial Walking: Für Philipp Schmitzke gibt es nichts Schöneres.
Imperial Walking: Für Philipp Schmitzke gibt es nichts Schöneres. © Andreas Eberhard