Hof. Auf dem ehemaligen Todesstreifen zwischen den beiden deutschen Staaten wird seit der Wiedervereinigung die Natur geschützt.

„Das Grüne Band ist nicht nur ein ambitioniertes Naturschutzprojekt. Es ist auch ein Friedensprojekt“, so Anja Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz in Thüringen. „Dieser Teil der europäischen Geschichte muss sichtbar bleiben und wir müssen lebendig daran erinnern, dass aus einem Todesstreifen eine Lebenslinie wurde“, so Siegesmund während der Auftaktveranstaltung des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zum Jubiläum „30 Jahre Grünes Band“ im Mai im Dreiländereck Bayern-Sachsen-Tschechien bei Hof.

Bereits im Dezember 1989, kurz nach dem Fall der Mauer, lud der BUND-Mitarbeiter Dr. Kai Frobel Natur- und Umweltschützer zum ersten gesamtdeutschen Treffen nach Hof ein. Es kamen 400 Menschen aus Ost und West. Bereits hier wurden der Begriff „Grünes Band“ geprägt und diese Vision formuliert: „Der Grenzstreifen zwischen Bundesrepublik und Deutscher Demokratischer Republik ist als Grünes Band und als ökologisches Rückgrat Mitteleuropas vorrangig zu sichern.“

Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND und Mitinitiator des legendären Treffens in Hof, freut sich heute, dass sich die Vision von 1989 zu einer „großartigen gesamteuropäischen Initiative entwickelt hat.“ Er mahnte am Dreiländereck bei Hof: „So etwas darf es in der Weltgeschichte nicht mehr geben, dass Grenzen unüberwindbar oder sogar lebensgefährlich sind.“

BUND-Vorsitzender Hubert Weiger (rechts) und Spender Ralph Georgi an einer nachgebauten Markierungssäule der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
BUND-Vorsitzender Hubert Weiger (rechts) und Spender Ralph Georgi an einer nachgebauten Markierungssäule der ehemaligen innerdeutschen Grenze. © Klett | beatrix klett

Für ihn ist das Grüne Band auch ein Zeichen der Versöhnung zwischen Völkern und zwischen Mensch und Natur. „Aber wir müssen daran erinnern, wie brutal diese Grenze war. Wir dürfen nicht vergessen, dass diesseits und jenseits des Grünen Bandes bis 1989 brutal aufgerüstete Armeen standen.“

Das Bundesland Thüringen, das mit 763 Kilometern den größten Anteil am Grünen Band besitzt, hat einen entscheidenden Schritt in diese Richtung getan. Seit November 2018 gilt das Grüne Band Thüringen komplett als Nationales Naturmonument. Diese relativ neue Schutzkategorie ist seit 2010 im Bundesnaturschutzgesetz verankert.

Anja Siegesmund ist stolz, dass Thüringen es als erstes Bundesland geschafft hat, die „einmalige Verbindung von Natur und Geschichte für künftige Generationen zu bewahren.“ Sie hofft, dass noch weitere Bundesländer diesem Beispiel folgen. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt plant, seine 343 Kilometer Grünes Band zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November zum Nationalen Naturmonument auszuweisen. Noch im Juni soll laut Jenny Schwarz, Pressesprecherin des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in Magdeburg, dazu ein Gesetzentwurf eingebracht werden.

Durch den einstigen Kolonnenweg wuchert die Natur.
Durch den einstigen Kolonnenweg wuchert die Natur. © Flatt | flatt

Das Grüne Band Deutschland ist Teil des Grünen Bandes Europa, das auf einer Länge von über 12.500 Kilometer 24 Staaten verbindet. Es zieht sich entlang des ehemaligen Grenzstreifens des Eisernen Vorhangs durch Europa. BUND-Vorsitzender Weiger hält die Initiative „European Green Belt“ nicht nur für den Naturschutz von unschätzbarem Wert, sie hat auch eine Bedeutung für den europäischen Gedanken und ein vereintes Europa.

Ein Beispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs ist die Aufzuchtstation für Flussperlmuscheln in einer ehemaligen Mühle im Bayerisch-Tschechischen Grenzgebiet. Flussperlmuscheln sind vom Aussterben bedroht, da sie aufgrund der Umweltbedingungen nicht mehr für ihren eigenen Nachwuchs sorgen können.

Der Fortpflanzungsprozess dieser Lebewesen ist sehr komplex. Die Muschellarven leben für zehn Monate als Parasiten in den Kiemen von Forellen bis sie als winzige Muscheln abfallen und für mehrere Jahre im Kiesbett sauberer Flüsse mit Trinkwasserqualität leben. Diese Bedingungen gibt es in der Natur nicht mehr. Aufgrund von Ablagerungen von feinem Sediment zwischen dem Kies ersticken die jungen Muscheln, so dass seit 30 Jahren keine jungen Muscheln mehr überlebt haben.

Deshalb werden jetzt unter der Leitung von Wolfgang Degelmann (BUND-Kreisgruppe Hof) und des tschechischen Muschelspezialisten Dr. Ondřej Spisar sowie unter wissenschaftlicher Begleitung der TU München die jungen Muscheln unter kontrollierten Bedingungen „halbnatürlich“ aufgezogen.

Dazu leben die Jungmuscheln mehrere Jahre in speziellen Lochplatten, die regelmäßig gereinigt werden, in dem kleinen Zinnbach, der von Tschechien nach Franken fließt. Nach etwa sechs Jahren können die so aufgepäppelten Muscheln in freier Wildbahn, sprich in saubere Bäche ausgesetzt werden.

Das Grüne Band ist eine Daueraufgabe, betonte Dr. Uwe Riecken, Abteilungsleiter im Bundesamt für Naturschutz (BfN). Es sei zwar ein Projekt der Regionen, werde aber von der Bundesregierung inhaltlich und finanziell unterstützt. Das Grüne Band sei deshalb so erfolgreich, da es immer den Dreiklang von Naturschutz, Erinnerungskultur und nachhaltige Regionalentwicklung betone. Entscheidend sei, dass es für viele Menschen eine Herzensangelegenheit ist.

Größtes Ziel ist laut Riecken im Moment der „Lückenschluss“, das heißt, die Lücken im Grünen Band mit einer Länge von etwa 170 Kilometern sollen geschlossen werden. Aufgrund von Straßen und Autobahnen werden allerdings immer Unterbrechungen bleiben. Erinnerungskultur wird am Grünen Band nicht nur in Museen gepflegt, sondern die Landschaft macht die Geschichte erfahrbar.

Entlang der ehemaligen deutschen Grenze gab es 2735 DDR-Grenzsäulen. Diese Grenzpfähle aus Beton markierten die Staatsgrenze und waren nur vom Westen aus zu sehen. Wenige Grenzsäulen existieren noch im Original. Mittlerweile gibt es einige Nachbauten.

Ralph Georgi hat drei gespendet, die Nummer 1 in Priwall, die Nummer 1367 in der Nähe von Duderstadt und die letzte im sächsischen Vogtland mit der Nummer 2735. Georgi stammt aus Zwickau und lebt seit seiner Flucht über Ungarn 1988 in Hessen. Heute bezeichnet er sich als Grenzgänger und Hausmeister des Grünen Bandes. Vor sieben Jahren begann er mit einem Schulfreund in Etappen den Kolonnenweg abzulaufen. In diesem Jahr startet er die letzte Etappe von Hitzacker bis Priwall. Ehrenamtlich kümmert er sich um Erinnerungskultur am Grünen Band, bietet Führungen an und beschildert den Wegeverlauf sowie die historischen Relikte der ehemaligen innerdeutschen Grenze.

Die Naturschätze sind auf dem ehemaligen Grenzstreifen wie Perlen aufgereiht, allerdings immer wieder unterbrochen von Zeichen und Zeugen der Erinnerung an die leidvolle Geschichte durch diese ehemalige Grenze. Es sind Menschen aus Ost und West, die sich entlang des Grünen Bandes beruflich und ehrenamtlich engagieren, um diesen Streifen erlebbar zu machen – ein gesamtdeutsches Projekt.