Los Angeles. Ein 13-Jähriger trieb zwölf Stunden lang in der Kanalisation von Los Angeles.

Als Kind waren viele fasziniert von dem unterirdischen Kanalsystem – und fürchteten es. Schocker wie Stephen Kings „Es“ spielen mit dieser Angst. Für einen Jungen aus Los Angeles wurde die Kanalisation jetzt tatsächlich zur beinahe tödlichen Falle. Zwölf Stunden trieb er in den Fluten – und konnte, als fast niemand mehr daran glaubte, gerettet werden.

Der 13-jährige Jesse Hernandez verbrachte den Nachmittag des Ostersonntags mit seiner Familie im Griffith Park im Stadtteil Hollywood, dem größten und bekanntesten Park von Los Angeles. Das hügelige, unübersichtliche Gelände mit seinen staubigen Wanderpfaden ähnelt jedoch eher einer Wildnis als einem Stadtpark. Mit anderen Teenagern erkundete Jesse ein verlassenes Gebäude, sprang dort auf Holzbrettern herum. Er ahnte nicht, dass mit dem Holz ein Abwasserkanal abgedeckt wurde. Schließlich gab eine der Holzplanken nach, wie Brian Humphrey, Sprecher der Feuerwehr von Los Angeles, bekannt gab.

Acht Meter tief fiel er in den Kanal. Die 24 Stundenkilometer starke Strömung des Abwassers riss ihn fort. Die anderen Kinder rannten zu den Eltern, die sofort den Notruf alarmierten. Doch von dem Jungen war zunächst keine Spur mehr zu sehen.

Es war der Beginn einer zwölfstündigen Odyssee in dem unterirdischen Labyrinth der Kanalisation. „Die Umgebung ist extrem gefährlich, die Abwässer sind sehr giftig“, sagte Feuerwehrmann Erik Scott der CNN. „Wir schätzten seine Überlebenschance als gering an. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit.“

Nach Stunden der Suche hatten die Retter Jesse immer noch nicht gesichtet. Schließlich schickten Experten Sonntagnacht zwei ferngesteuerte, beleuchtete Videokameras in die Kanäle, die auf einer Art Floß befestigt waren, ähnlich einem Surfbrett. Um vier Uhr morgens die entscheidende Spur: Auf den Monitoren war ein Handabdruck an der Tunnelwand erkennbar. So ließ sich die Lage des Jungen eingrenzen. Der entsprechende Gully befand sich rund 730 Meter vom Unfallort entfernt – auf einem Freeway. Der musste zunächst für den Verkehr gesperrt werden, ehe dann, um fünf Uhr, der Junge gefunden wurde. „Nass und verängstigt“, wie Adel Hagekhalil, Sprecher der Abwasserbehörde, erklärte, „aber wach und ansprechbar“.

„Ein starker junger Mann“

Nach einer Entgiftung und Untersuchungen wurde Jesse dann am Montagnachmittag aus dem Krankenhaus entlassen. Bald darauf gab er schon Fernsehinterviews: „Es war alles so dunkel und still, ich hörte nur das Wasserrauschen“, sagte Jesse. „Ich habe zu Gott gebetet, mir zu helfen.“

Der Junge habe großes Glück gehabt, sagte Sprecher Hagekhalil. Er sei „offenbar ein starker junger Mann“. Von einem „verspäteten Osterwunder“ sprachen die Retter. „Dieser tapfere Junge ist wiederauferstanden wie Jesus“, freute sich einer der Helfer in der „Los Angeles Times“.