Konstanz. Die Polizei sucht den Erpresser deutscher Handelskonzerne. Sie setzt auf die Bevölkerung.

Allein der Gedanke ist albtraumhaft: Vertrauensvoll kaufen Eltern Babynahrung – und vergiften ihr Kind damit. Mit diesem Horrorszenario werden in Deutschland derzeit mehrere Handelskonzerne um einen Millionenbetrag erpresst. „Wir sind auf Hinweise angewiesen, um diese schwere Straftat aufklären zu können“, sagte Alexander Boger von der Staatsanwaltschaft Ravensburg gestern in Konstanz. Bis zum Abend gingen mehrere hundert Hinweise ein.

Eine Erpresser-Mail sei bereits am 16. September an die verschiedenen Konzerne und an die Polizei gegangen. Seitdem hätten sie keinen Kontakt zu dem oder den Tätern gehabt, sagte der Konstanzer Polizeivizepräsident Uwe Stürmer. Der Erpresser droht damit, vergiftete Lebensmittel in Verbrauchermärkten zu platzieren. „Wir nehmen diese Drohung sehr ernst“, sagte der Leitende Staatsanwalt Boger. Als makabren Warnschuss vergiftete der Täter fünf Gläser Babynahrung und platzierte sie in einem Supermarkt in Friedrichshafen – dies geschah bereits an dem Samstag vor fast zwei Wochen, als die Mail verschickt wurde. Die Zahl und die Platzierung der vergifteten Gläser seien genau wie in der Mail beschrieben vorgefunden worden, daher gehen die Ermittler davon aus, dass sie alle vergifteten Produkte dieses Warnschussmanövers rechtzeitig gefunden haben.

Ihre Hoffnung ist nun, dass jemand den Mann kennt, den die Überwachungskamera des Supermarktes aufzeichnete und der laut Staatsanwaltschaft „in höchstem Maße verdächtig ist, an der Tat beteiligt zu sein“. Die Polizei beschreibt den Mann als etwa 50 Jahre alt, mittelgroß, schlank, „vom Gangbild her sportlich“. Er habe ein schmales Gesicht mit möglicherweise zur Tarnung getragener Brille und Sportschuhe mit auffällig weißem Sohlenrand.

Die Zeit drängt: Bis Samstag verlangen der oder die Erpresser „einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“. Ansonsten drohten sie damit, 20 verschiedene Lebensmittel zu vergiften. Dafür wurden weder ein spezifisches Produkt noch ein Ort genannt, sondern im Gegenteil betont, man werde deutschland- und sogar europaweit agieren. Auch die Geldübergabe soll nicht im Konstanzer Raum stattfinden – Näheres, auch zu den Namen der betroffenen Konzerne, wollen die Ermittler nicht sagen.

Laut „Bild“ handelt es sich um fast alle namhaften Lebensmittel- und Drogerieketten Deutschlands und bei der geforderten Summe um zehn Millionen Euro. Die Konstanzer Polizei, die in der Sonderkommission „Apfel“ mit 220 Polizisten ermittelt, sei mit Landeskriminalämtern im ganzen Land im Austausch, hieß es. Die Fahndung läuft auch international.

Das Verbraucherschutzministerium Baden-Württemberg riet Verbrauchern, „beim Lebensmittelkauf auf manipulierte Verpackungen zu achten“. Auf Löcher etwa oder, bei Glasverpackungen, darauf, dass der Deckel beim Öffnen klackt. Bei dem in der Babynahrung gefundenen Gift handelte es sich um Ethylenglycol. „Das muss nicht tödlich sein, wenn rechtzeitig ärztlich dagegen vorgegangen wird“, sagte eine Sprecherin. Es kann aber. Die Polizei beschreibt den Täter als „sehr skrupellos“.